US Open im Golf:Baskischer Rabauke

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Süßer Lohn für den besten Schlussspurt: Jon Rahm entschied die US Open mit zwei Birdies auf den Bahnen 17 und 18 - und durfte sich über die Trophäe freuen. (Foto: Sean M. Haffey/AFP)

Jon Rahm veredelt mit 26 seine bereits außergewöhnliche Karriere mit dem Major-Triumph bei den US Open - und bietet dabei eine Siegergeschichte, wie sie die Amerikaner mögen.

Von Gerald Kleffmann, Torrey Pines/München

Ehe er zum ersten Abschlag der letzten Runde am Sonntag schritt, machte Jon Rahm das, was er an den drei Tagen zuvor vor jeder Runde gemacht hatte: Er küsste seine Frau Kelley. Und seinen drei Monate alten Sohn Kepa. Danach war es, als würde er sich in ein anderes Leben verabschieden. Weggebeamt in eine fremde Sphäre. Er sei komplett im "Golfmodus" gewesen, so umschrieb Rahm diesen Zustand, mit dem der 26-jährige Spanier die Fachwelt begeisterte - und der ihn zu seinem größten Titel der Karriere trug.

Rahm, mit der Kraft eines Wrestlers ausgestattet, donnerte über den pittoresken Küstenkurs von Torrey Pines bei San Diego wie ein Amtrak-Zug, er schwingt generell so brachial und schnell, dass das Auge selbst in Zeitlupe kaum folgen kann. Diese finale Runde der US Open, einer der Klassiker dieses Sports, erstmals 1895 ausgetragen, erlebte mal wieder eine packende Dramaturgie (vor Zuschauern), die auch in Rahm noch Stunden später surreale Gefühle auslöste. "Ich denke immer noch, es könnte ein Stechen geben." Immerhin wusste er: "Irgendwann werde ich es begreifen." Auf den Moment des Erfolges lässt es sich wohl nie wirklich vorbereiten.

Vor allem nicht auf jenen, der im letzten Augenblick auftaucht beziehungsweise im Falle des Jon Rahm auf den Grüns der 17. und 18. Bahn. Am Ende steht nun in den Annalen, dass er mit 278 Schlägen nach vier Runden (69+70+72+67) triumphierte. Letztlich waren es vor allem zwei spezielle Schläge, die den Unterschied machten: Rahm lochte zwei lange Putts auf den beiden letzten Löchern zu Birdies (eins unter Standard), Jubel brach aus - die Lage hatte sich zu seinen Gunsten gedreht. Nicht der ewige Zweite bei Majors, der Südafrikaner Louis Oosthuizen, der bei allen vier Großevents schon auf diesem Rang landete (2010 aber die British Open gewann), siegte. Sondern Rahm, nicht nur kraft Statur längst ein Riese im Golfgeschäft. Nun aber ist er auch offiziell ein Champion höchster Güte. Und wie so oft im Sport machen die Geschichten hinter den Geschichten alles besonderer.

"Ich habe einiges getan auf dem Golfplatz, auf das ich nicht stolz bin"

Anfang Juni erst, beim Memorial in Dublin, Ohio, führte Rahm mit sechs Schlägen - und wurde nach der dritten Runde abgeführt wie ein Krimineller. Positiver Corona-Test! Bizarr war der Moment, aber er gab Rahm, wie er schilderte, für die US Open auch innere Ruhe. Er wusste: "Ich habe eine Ausrede, ich hatte Covid." Sieben Mal war Rahm zuvor in den Top Ten bei Majors gewesen, der Baske aus Barrika, längst amerikanisiert seit seinen Collegejahren in Arizona, war die Nummer eins bei den Amateuren, bei den Profis - aber sein Temperament? "Ich habe einiges getan in der Vergangenheit auf dem Golfplatz, auf das ich nicht stolz bin", sagte Rahm. Wutausbrüche, Schlägerwerfen, das ging rasch bei ihm, wenn es nicht lief. So vermasselte er sich oft Siege. Diesmal war er "ruhiger", weniger streng mit sich. Auch, weil er für Kepa spielte - er wollte "ein Beispiel für meinen Sohn" sein, betonte er.

Da war wieder sein Temperament, aber diesmal an der richtigen Stelle: Jon Rahm im Moment des Sieges, nach seinem allerletzten Schlag. (Foto: Ezra Shaw/AFP)

Ja, es steckte viel Pathos im Nachklang dieser Meisterschaft. Es war zudem Vatertag, in den USA stets ein großes Ding. Selbstverständlich war Edorta Rahm, sein eigener Papa, Zeuge am Ort. Wie 2017, als Jon sein erster PGA-Tour-Sieg gelang - in, Achtung: Torrey Pines. Und, jetzt wird's gar kitschig: Über den Klippen von Torrey Pines, wo während der US Open unermüdlich Paraglider in den Aufwinden kreisten, kniete Rahm vor Kelley nieder und bat um ihre Hand. Was bleibt einem da anderes übrig, als zu sagen: "Ich liebe Torrey Pines, und Torres Pines liebt mich."

Mickelsons Sieg bei der PGA Championship? - "das hat mich sehr inspiriert"

Kein Wunder, dass die Amerikaner diesen robusten, knuffigen Rabauken ins Herz geschlossen haben, das tun sie wirklich. Als Rahm die Corona-Episode verkraften musste (er hatte einen symptomfreien Verlauf), war die Anteilnahme in der US-Golfgemeinde riesig. Im Übrigen auch aus Golf-Europa. Padraig Harrington, der Ryder-Cup-Kapitän Europas beim Duell im kommenden Herbst mit den USA, tröstete ihn per Textnachricht, Sir Nick Faldo schrieb ebenfalls. Beide erzählten, wie Rahm verriet, von schmerzlichen Niederlagen, auf die umso süßere Siege folgten. Zuletzt hatte Phil Mickelson, der Mick Jagger des Golfs, überraschend mit 50 Jahren das zweite Major der Saison, die PGA Championship, gewonnen. "Das hat mich sehr inspiriert", sagte Rahm. Es kam wirklich viel in ihm hoch. So gedachte er auch noch eines an Corona verstorbenen Journalisten aus Bilbao, der ihn jahrelang mit Texten und Tipps begleitet hatte.

Hochklassig waren die US Open, zeitweise staute sich ein gutes Dutzend Spieler mit nur einem Schlag Abstand an der Spitze. Aber Rahm, so resümierten auch einstimmig die US-Medien, war der würdige Erste. "Es fühlt sich fast so an, als ob ein Film zu Ende geht und ich bald aufwache", sagte Rahm zwar nachvollziehbar. Aber diese 121. US Open - sie haben tatsächlich so stattgefunden.

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