US Open:Es steht ein wahnwitziges Tennisturnier bevor

Day Five: The Championships - Wimbledon 2018; Alexander Zverev

In Wimbledon schaffte Alexander Zverev es nur bis in die dritte Runde - bei den US Open hat er nun Großes vor.

(Foto: Clive Mason/Getty)
  • Die diesjährigen US Open dürften bei den Herren ein wahnwitziges Turnier werden: Das Männerfeld ist das beste seit Jahren.
  • Selbst Roger Federer gibt angesichts der starken Spieler im Feld zu: "Viertelfinale ist ziemlich weit bei einem Grand-Slam-Turnier."

Von Jürgen Schmieder, New York

Sie haben sich da was Hundsgemeines ausgedacht bei den US Open für all jene Spieler, die dieses Turnier noch nie gewonnen haben - auch wenn offiziell alle Teilnehmer gleich behandelt werden. Eine ordentlich gefüllte Platte mit feinstem Fleisch wie geräuchertem Schinken und Trüffel-Salami kostet für alle Akteure gerade mal sieben Dollar, der Cappuccino 2,25 Dollar und getrocknete Früchte wie Kiwis und Erdbeeren sind für 1,25 Dollar pro Pfund zu haben. Wer sich fürs Hauptfeld qualifiziert hat, der darf sogar den so genannten Player Gifting Room neben dem Spielergarten betreten und sich ein paar luxuriöse Geschenke aussuchen, ein Silberarmband zum Beispiel, Kopfhörer oder Einkaufsgutscheine für Läden in Manhattan.

Wer allerdings die Umkleidekabine im Arthur Ashe Stadium betritt, der sieht sogleich: Bilder früherer Sieger. Wer von dort aus durch die Katakomben spaziert, der kommt vorbei an: Fotos früherer Sieger. Von dort aus über die Anlage zum neuen Louis Armstrong Stadium, vorbei an: einer Marmor-Plakette mit den Namen früherer Sieger; und an Masten mit Wimpeln, darauf: die Namen früherer Sieger. Es dient der Würdigung aller Gewinner in den mittlerweile 50 Jahren auf dieser Anlage in Flushing Meadows, gegenüber von Manhattan. Für alle anderen ist das eher Heruntermachen durch Nichtbeachtung.

Alexander Zverev zum Beispiel musste am Freitagnachmittag exakt diesen Weg aus der Umkleidekabine zum Louis Armstrong Stadium gehen, um mit Reportern zu sprechen - und als wären all die Erinnerungen an die früheren Sieger nicht genug, standen dort unten auf dem Tennisplatz: die früheren Sieger Roger Federer, Rafael Nadal, Andy Murray und Novak Djokovic - Kosename der Gruppe: The Big Four. "Sie sind alle da, und sie spielen alle ihr bestes Tennis", sagte Zverev: "Das macht es natürlich schwieriger für alle anderen, dieses Turnier zu gewinnen. Aber deshalb heißen diese Veranstaltungen auch 'Grand Slam': Es muss schwierig sein, nur dann ist es besonders."

Sie sind wirklich alle da, und wer wissen will, was für ein wahnwitziges Männerturnier das werden dürfte, sollte den möglichen Weg zum Titel für den an Rang acht gesetzten Grigor Dimitrov betrachten. Der muss in der ersten Runde gegen Wild-Card-Inhaber Stan Wawrinka (Schweiz) antreten, der dieses Turnier vor zwei Jahren gewonnen hat. In der dritten Runde könnte Milos Raonic (Kanada) warten, Wimbledon-Finalist von 2016. Danach im Achtelfinale: John Isner (USA), vor ein paar Wochen im Wimbledon-Halbfinale. Und dann, vom Viertelfinale an: Juan Martín Del Potro, Nadal, Federer - oder vielleicht doch Djokovic, der ja schon in der Runde der letztzen acht Spieler auf Federer treffen könnte.

Die "großen Fünf" haben 54 der vergangenen 57 Grand-Slam-Turniere gewonnen

Die so genannten "großen Vier" sind wegen Wawrinkas vielen Erfolgen ja eigentlich die so genannten "großen Fünf", von den vergangenen 57 Grand-Slam-Turnieren haben sie 54 gewonnen. Die einzigen Ausnahmen: die French Open 2005 (Marat Safin) sowie die US Open 2009 und 2014. Die haben Del Potro und Cilic für sich entschieden, die in diesem Jahr als Favoriten derart geheim sind, dass sie mittlerweile fast jeder als mögliche Sieger identifiziert hat. Murray und Wawrinka mögen sich nach ihren Verletzungen noch nicht in Bestform befinden, gefährlich sind sie jedoch allemal, und die großen Drei - wie Federer (Australian Open), Nadal (French Open) und Djokovic (Wimbledon) ja tatsächlich genannt werden sollten - haben die Grand-Slam-Turniere in dieser Saison bislang unter sich verteilt.

Wer kürzlich das Turnier in Montréal verfolgt hat, der dürfte zum Schluss gekommen sein, dass Nadal auf Hartplatz über drei Gewinnsätze kaum zu besiegen sein dürfte. Wer kurz darauf die Veranstaltung in Cincinnati beobachtet hat, der dürfte zu einem ähnlichen Schluss über Djokovic gekommen sein. Und dann schlendert Federer am Freitag über die Anlage in Flushing Meadows, vorbei an all den Bildern von sich, und er bemerkt, dass er dieses Turnier seit zehn Jahren nicht mehr gewonnen hat. "Ich war ein paar Mal sehr nahe dran", sagt er, und dann sieht er einen an mit diesem Blick, der einem verrät, dass er in diesem Jahr schon ganz gerne sehr nahe kommen würde: "Die Auslosung ist, wie sie ist. Noch bin ich nicht im Viertelfinale, ich bin noch nicht einmal in der zweiten Runde." Aber wenn er im Viertelfinale gegen Djokovic antreten müsse, dann sei das eben so.

Alexander Zverev hofft, endlich auch in New York in Bestform aufzutreten

Die Handvoll Männer, die diese Sportart in den vergangenen 15 Jahren so geprägt haben, treffen sich nun zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr wieder bei einem Grand-Slam-Turnier, doch was bedeutet das für all jene Spieler, die mittlerweile, wie Federer sagt, "immer lauter an die Tür klopfen"? Für Kevin Anderson zum Beispiel, der in New York 2017 und in diesem Jahr in Wimbledon jeweils das Finale erreicht hat? Für den French-Open-Finalisten Dominic Thiem? Für Dimitrov, den mit dem unfassbar schweren Weg? Oder für Zverev, dem nun schon so lange der Durchbruch bei einem Grand-Slam-Turnier zugetraut wird, dass er sagt: "Ich bekomme diese Frage nun vor jedem Turnier gestellt." Was kann man diesen Spielern angesichts der unfasslichen Form der Etablierten zutrauen?

"Ich habe hier leider noch nicht mein bestes Tennis gezeigt", sagt Zverev: "Im vergangenen Jahr war ich müde, und es war auch psychisch schwierig, weil ich zum ersten Mal als Favorit angetreten bin. Ich hoffe, dass es in diesem Jahr so weit ist, dass ich mein bestes Tennis zeigen kann." Er geht sogar soweit, dass er sagt: "Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr gewinnen kann." Zunächst einmal bekommt er es in der ersten Runde mit dem kanadischen Qualifikanten Peter Polansky zu tun.

Es gibt die großen Drei, es gibt die Favoriten dahinter (Zverev, Del Potro und Cilic), es gibt die gefährlichen Veteranen Murray und Wawrinka, und es gibt diese höchst interessanten jungen Spieler wie Stefanos Tsitsipas (Griechenland); Denis Shapovalov (Kanada) oder Borna Coric (Kroatien). Natürlich wollen sie alle die US Open gewinnen, damit sie auch endlich auf den Turniersieger-Fotos auf der Anlage verewigt werden. Sie sollten allerdings auf Federer hören, dessen Aussage über ein mögliches Duell gegen Djokovic als Botschaft an alle Teilnehmer verstanden werden kann, weil man das angesichts der unglaublichen Qualität bei den Männern immer wieder mal vergisst: "Viertelfinale ist ziemlich weit bei einem Grand-Slam-Turnier."

Zur SZ-Startseite
Western & Southern Open - Day 9

Novak Djokovic
:Sogar besser als Roger Federer

Als erster Tennisspieler hat Novak Djokovic alle vier Grand-Slam-Turniere und sämtliche neun Masters-Veranstaltungen gewonnen. Die Frage ist: Was kommt nun?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: