US Open:Drama auf Platz 9

US Open: Fünf Jahre lang hat Saketh Myneni, 29, bei kleinen Turnieren Punkte gesammelt - da wollte er sich seine Hauptfeld-Premiere nicht von Krämpfen kaputt machen lassen.

Fünf Jahre lang hat Saketh Myneni, 29, bei kleinen Turnieren Punkte gesammelt - da wollte er sich seine Hauptfeld-Premiere nicht von Krämpfen kaputt machen lassen.

(Foto: Julio Cortez/AP)

Saketh Myneni durchlebt eine schmerzhafte Hauptfeld-Premiere - auf einem Nebenplatz. Die bezaubernden Geschichten gibt es eben oft dort.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es war bereits nach 22 Uhr, als dieser erste Tag den Zuschauern doch noch diesen dramatischen Moment bot, wegen dem sie auf die Tennisanlage nach Flushing Meadows gekommen waren. Drei Stunden zuvor hatte Phil Collins im Arthur Ashe Stadium "In the Air Tonight" geschmettert, während sich über ihm die 150-Millionen-Dollar-Dachkonstruktion öffnete, die sie vor dem Turnier installiert hatten. Danach erledigte Novak Djokovic seine erste Aufgabe bei diesen US Open ohne größere Probleme. Sportlich sind Eröffnungsabende eher unspektakuläre Angelegenheiten, vor zwei Jahren durfte Roger Federer mit Michael Jordan für eine neue Produktlinie werben, im vergangenen Jahr startete Serena Williams ihre (letztlich erfolglose) Jagd nach dem Grand Slam mit einem 21-Minuten-Auftritt.

Myneni wollte nicht aufgeben, er tippelte und tänzelte immer weiter

Das Drama entfaltete sich nun also nicht im riesigen Stadion, sondern draußen auf einem Nebenplatz, während einer Partie, die bereits am späten Nachmittag begonnen hatte. Saketh Myneni (Indien) ging nicht mehr über den Platz, es war eine Mischung aus Tippeln und Tänzeln. Er führte gegen Jiri Vesely (Tschechien) 5:2 im fünften Satz, doch sein Körper teilte ihm über Krämpfe in beiden Waden und beiden Unterarmen mit, dass er diese Partie nicht würde gewinnen können.

Myneni, 28, wollte freilich nicht aufgeben, er tippelte und tänzelte auch nach knapp vier Stunden Spielzeit und vier T-Shirt-Wechseln (erst weiß, später orange, neongrün und schwarz) einfach weiter. Am Ende drängten sich mehr als 1500 Menschen um den Platz, einige waren sogar aus dem großen Stadion hinübergeeilt. Myneni verlor 6:7 (5), 6:4, 6:2, 2:6, 5:7.

"Ich konnte erst nicht mehr hüpfen, dann konnte ich nicht mehr laufen, später konnte ich nicht mal mehr gehen", sagte Myneni danach: "Ich wollte diese Partie unbedingt zu Ende bringen - und vielleicht doch dieses eine Spiel gewinnen." Dass er die Aufgabe verweigerte, lag freilich auch daran, dass er sich nach fünf erfolglosen Versuchen zum ersten Mal in seinem Sportlerleben für das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers qualifiziert hatte. Fünf Jahre lang hatte er bei kleinen Turnieren in Kuwait, China und Vietnam Weltranglisten-Punkte gesammelt und sich die Reisen dorthin als Trainer eines amerikanischen Tennisklubs finanziert. "Es war hart und manchmal auch einsam, doch die Qualifikation ist Entschädigung dafür", sagte er und ergänzte stolz: "Ich habe zwar verloren, aber ich habe mein bestes Tennis gespielt."

Myneni grämte sich nicht allzu lange über seine Niederlage, kurz vor Mitternacht saß er lächelnd im Spielergarten und genoss seine knappe Zeit im warmen Licht der Öffentlichkeit. "Ich habe gezeigt, dass ich mit einem Top-50-Spieler mithalten kann, Krämpfe gehören nun mal dazu", sagte er: "Ich bin selbst vom Platz zurück in die Umkleide gegangen. Darauf bin ich stolz - und dass mich meine Freunde hier live sehen konnten." Nicht nur seine Freunde hatten seinen Auftritt am Ende bezeugt, sondern all jene, die hinübergelaufen waren zu Platz neun. Die dramatischen und bezaubernden Geschichten, die gibt es in der ersten Woche eben oftmals auf diesen Außenplätzen zu erleben.

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