Die Anbändelung begann im Frühjahr dezent im Internet. Im Juni veröffentlichten die US Open ein kurzes, inzwischen millionenfach gesehenes Video, in dem das Paar vor der Kamera recht vergnügt über das romantische Thema Münzwurf plaudert. Doch an dieser Beziehung der Tennisprofis Emma Raducanu und Carlos Alcaraz, beide 22 Jahre alt, ist nichts privat. Die öffentliche Proklamation ihrer Liaison auf Zeit hatte ausschließlich den kommerziellen Zweck, verkaufsfördernd für das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres in New York zu wirken: Einen „Blockbuster“ hat der US-Tennisverband nach eigener Auskunft nämlich diesmal im Programm, einen Sommer-Hit oder, wie es auf der Website heißt: „the hottest tickets in town“. Das ist selbst in der Werbesprache ein erstaunlicher verbaler Überschwang für den Mixed-Doppel-Wettbewerb im Tennis, den es bei den US Open immerhin seit 1892 gibt.
Nun aber, nach 133 Jahren, ist alles neu und anders. Und das liegt nicht nur daran, dass das Mixed-Turnier in die Woche vor den offiziellen Turnierbeginn gerückt ist. Auch das Format ist gründlich aufpoliert: Der Wettbewerb dauert nur noch zwei Tage: An diesem Mittwoch ist schon das Finale. Vier Siege (statt fünf wie 2024) reichen für den Titel. Die Matches sind verkürzt, in den ersten Runden wird pro Satz nur noch bis vier (statt bis sechs) gespielt. Das Teilnehmerfeld ist auf 16 Duos halbiert. Vor allem aber, und das ist die bedeutsamste Veränderung, stehen jetzt die berühmtesten Profis auf dem Platz, prominente Solisten wie Raducanu, die englische US-Open-Siegerin von 2021, und der spanische Champion Alcaraz, die sich für ein Tête-à-Tête im Tennis zusammenspannen lassen: Iga Swiatek und Casper Ruud; Mirra Andrejewa und Daniil Medwedew. Sogar Novak Djokovic macht mit.

Männer-Finale der French Open:Ein Tennis-Feuerwerk auf einem neuen Level
Carlos Alcaraz kämpft Jannik Sinner in einem hochklassigen Finale in fünfeinhalb Stunden und fünf Sätzen nieder und verteidigt seinen Titel. Dabei zeigt sich, dass die beiden dem Rest der Welt bereits entrückt sind.
Kritiker des Konzepts beklagen, dass der Traditionswettbewerb, der ein Spielfeld für die Spezialisten im Tennisdoppel war, nicht wiederzuerkennen sei. Aber genau das ist die Absicht gewesen. „Wir wollen den Fans entgegenkommen“, sagte Lew Sherr, Turnierchef und Geschäftsführer des Verbands USTA, bei der Vorstellung des Modus: „Das erreichen wir, indem wir die größten Namen des Sports im Doppel zusammenbringen und sie ein anderes Format spielen lassen, von dem wir glauben – von dem wir sogar wissen –, dass es aufregend ist.“ Und was das Publikum wolle, sei ohnehin klar, hat der frühere US-Doppelspieler Mike Bryan, der dem Modus nicht abgeneigt ist, der BBC jetzt erklärt: Die Zuschauer wollten Djokovic, Alcaraz oder Jannik Sinner sehen, „selbst wenn sie sich die Zähne putzen“.
Sinner, der Weltranglistenerste, allerdings betrat am Dienstag nicht, wie geplant, mit Partnerin Katarina Siniakova die Arena. Er hatte tags zuvor im Finale des Turniers von Cincinnati entkräftet nach 20 Minuten aufgegeben müssen. Den Platz beim New Yorker Mixed nahmen stattdessen die US-Amerikaner Danielle Collins/Christian Harrison ein, die gleich im ersten Match Alexander Zverev mit seiner Schweizer Partnerin Belinda Bencic 4:0 und 5:3 besiegten. Auch für Alcaraz/Raducanu war trotz bester Laune der Spaß im Achtelfinale vorbei.
Einen Anreiz für den Auftritt der Prominenz im Mixed hatten die Veranstalter auch im Preisgeld gesetzt. Es wurde kurzerhand von 200 000 Dollar im vergangenen Jahr auf eine Million Dollar erhöht. Ohnehin ist die Gesamtsumme, die in den knapp drei Turnierwochen zur Ausschüttung steht, binnen eines Jahres um 20 Prozent gestiegen, von 75 Millionen auf 90 Millionen Dollar. Die US Open sind ein Wirtschaftsunternehmen, das auf stetes Wachstum setzt. Mit dem neuen Mixed-Modus hat die sogenannte Opening Week, die Trainings- und Qualifikationswoche vor dem Beginn der Einzelwettbewerbe am 24. August, eine zusätzliche Publikumsattraktion erhalten, bei der sich die besten Plätze im Arthur-Ashe-Stadion jetzt für bis zu 200 Dollar verkaufen lassen. Es handelt sich also um eine wirtschaftliche Aufwertung – die nach Meinung der Skeptiker allerdings mit einer sportlichen Abwertung einhergeht.
Die Hälfte des Teilnehmerfeldes spielt dank einer Wildcard
Nichts weiter als ein „glorifizierter Show-Wettkampf“ ist das Format für den britischen Doppelspezialisten Jamie Murray, den Bruder von Andy Murray, der den Mixed-Pokal in Flushing-Meadows von 2017 bis 2019 gewann. Martina Navratilova, die in ihrer fabelhaften Karriere insgesamt 59 Grand-Slam-Titel in den Disziplinen Einzel, Doppel und Mixed sammelte, nannte das US-Open-Mini-Mixed schlicht eine „Farce“.
Unverständnis löst vor allem der Umstand aus, dass die ausgewiesenen Doppelspezialisten im Grunde bewusst ausgesperrt werden. Denn als Zulassungskriterium galt für die Hälfte des Feldes die Addition ihrer jeweiligen Einzelweltranglistenpositionen: Das Duo Jessica Pegula (USA), Nummer 4 der Welt, und Jack Draper (England/Nummer 5) führt demnach die Setzliste an. Die restlichen acht Spielerpaarungen erhielten eine Wildcard – sie wurden also vom Verband USTA zur Teilnahme eingeladen. So ist zu erklären, dass die 45 Jahre alte Venus Williams, Nummer 580 im Einzel, an der Seite von Reilly Opelka den Schläger schwingen durfte. Verständlich, dass Laura Siegemund, die als beste deutsche Doppelspielerin keine Chance hatte, in einer solchen Setzliste eine Degradierung des Wettkampfs sieht. „Hier kreiert die USTA einen Event, in dem sie weitgehend selbst bestimmen kann, wer spielt und wer nicht, anstatt faire Teilnahmebedingungen für alle zu schaffen“, hatte Siegemund, die 2024 mit dem Franzosen Edouard Roger Vasselin den Grand-Slam-Titel im Mixed in Paris gewonnen hatte, schon im Februar im Tennismagazin gesagt.
Die Prominenz der Doppelspezialisten reicht selten an jene der Solisten heran. Auch in Flushing Meadows hatten sie meist auf den kleineren Plätzen gespielt. In New York aber bricht ihnen nun eine wichtige Einnahmequelle weg – und es nicht ausgeschlossen, dass das Beispiel auf der Tennistour Schule macht. Auch das erklärt den Ärger. So kritisierten die Vorjahressieger im Mixed-Wettbewerb der US Open, die Italiener Sara Errani und Andrea Vavassori, das neue Format als „eine große Ungerechtigkeit, die eine ganze Kategorie von Tennisspielern missachtet“.
Errani/Vavassori immerhin durften mitspielen bei den glorreichen 16 Paaren in der Opening Week in New York. Der Veranstalter beim „Blockbuster“ hat ihnen eine Wildcard überreicht.

