US-Basketball:Milliarden für Brooklyn

Joe Tsai

Leistet sich für einen Rekordpreis ein eigenes Basketballteam in Brooklyn: Joseph Tsai, 55, ein Mitbegründer der chinesischen Alibaba-Gruppe.

(Foto: Mary Altaffer/AP)

Nie zuvor hat jemand für einen Sportklub in den USA so viel Geld ausgegeben wie Joseph Tsai für den Kauf des Basketball-Teams der Nets.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Dinge sind, das ist eine der Grundregeln des Kapitalismus, genauso viel wert, wie viel jemand bereit ist, dafür zu bezahlen. Wenn also jemand hundert Euro für eine rostige Gießkanne ausgibt oder einen neunstelligen Betrag für einen Fußballspieler, dann ist diese rostige Gießkanne hundert Euro wert und der Fußballspieler einen neunstelligen Betrag. Der taiwanisch-kanadische Milliardär Joseph Tsai hat sich gerade mit dem russischen Milliardär Michail Prochorow darauf geeinigt, für 1,35 Milliarden Dollar dessen 51-Prozent-Anteil an der Basketball-Franchise Brooklyn Nets zu übernehmen.

Die Nets sind demnach 2,35 Milliarden Dollar wert, Tsai hatte 2018 bereits eine Milliarde Dollar für die anderen 49 Prozent bezahlt. So viel hat in den Vereinigten Staaten zuvor noch niemand für einen Sportverein ausgegeben, den Rekord hielten bislang die Houston Rockets (Basketball, 2017) und die Carolina Panthers (American Football, 2018), die für jeweils 2,2 Milliarden Dollar verkauft wurden. Tsai wird von Prochorow für mehr als 700 Millionen Dollar zudem die Arena in Brooklyn kaufen, in der die Nets ihre Heimspiele austragen, insgesamt wird er - der Deal soll im September besiegelt werden - mehr als drei Milliarden Dollar investiert haben.

Profisport ist längst Teil der Unterhaltungsbranche und damit des Spätkapitalismus, eher Spektakel als Sport, eher Kommerz als Kunst. Wenn die Leute heutzutage über Sport diskutieren, dann auch immer übers Geld, manchmal schwingt Wehmut mit, oftmals gar Wut: Hätte der FC Bayern wirklich eine Ablöse von annähernd 150 Millionen Euro für den Flügelspieler Leroy Sané bezahlen sollen? Bekommt ein deutscher Olympiasieger wirklich nur eine Prämie von 20 000 Euro? Ist es gerecht, dass die US-Fußballfrauen für ihren WM-Sieg jeweils 200 000 Dollar erhalten haben, während den US-Männern eine WM-Prämie von jeweils einer Million Dollar zugesichert worden ist?

Das Aufregende am Nets-Deal ist - neben der Summe -, wie er zustande kam und wer letztlich daran verdient. Die Nets haben in der Sommerpause ein paar aufregende Verträge geschlossen: Sie haben zum Beispiel Kevin Durant verpflichtet, dessen Vierjahresvertrag mit insgesamt 164,25 Millionen Dollar vergütet wird. Sie haben Kyrie Irving (vier Jahre, 136,5 Millionen) und DeAndre Jordan (vier Jahre, 40 Millionen Dollar) geholt und dürften damit - Durant kuriert gerade einen Riss der Achillessehne - mittelfristig zu den Titelkandidaten gehören. Sie haben die New York Knicks übertölpelt, die ebenfalls an diesen Akteuren interessiert waren, und sie spielen in einer modernen Arena im hippen Stadtteil Brooklyn.

Die NBA will noch stärker nach China expandieren, da kann der Deal nicht schaden

Prochorow, 54, hatte vor zehn Jahren 80 Prozent der Nets-Anteile und 45 Prozent der Anteile an der Arena für gerade mal 223 Millionen Dollar gekauft, sechs Jahre später kaufte er den Rest für etwa 160 Millionen Dollar. Die Stadt New York erwarb Grundstücke in Brooklyn, deren Wert auf 214 Millionen Dollar geschätzt wurde, und überließ sie Prochorow für etwa 100 Millionen Dollar. Dinge sind nun mal genauso viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu bezahlen - und New York wollte unbedingt einen Basketballverein in Brooklyn platzieren.

Die Stadt kümmerte sich um die Infrastruktur (Kosten für die Steuerzahler: etwa 50 Millionen Dollar) und gewährte dem ersten nicht in Nordamerika geborenen Eigentümer einer NBA-Franchise Steuervergünstigungen in Höhe von insgesamt 400 Millionen Dollar. Das Gesamtinvestment von Prochorow - er hatte Schulden übernommen und operative Verluste getragen - wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt.

Prochorow hatte beim Kauf getönt, aus den Nets möglichst schnell einen Titelkandidaten formen zu wollen und den Leuten in New York eine spektakuläre Truppe zu präsentieren. Die sportliche Bilanz in den vergangenen zehn Jahren: Die Nets haben vier Mal die Playoffs erreicht, drei Mal sind sie in der ersten Runde ausgeschieden, ein Mal in der zweiten. Die Arena in Brooklyn war nicht immer ausverkauft, die Knicks blieben trotz grotesker Erfolglosigkeit der Lieblingsklub der New Yorker.

Der Deal ist also weniger ein Indiz für die positive Entwicklung dieser Basketball-Franchise, sondern eher für die immense Wertsteigerung von NBA-Klubs generell. "Diese Liga boomt", sagt Salvatore Galatioto, der die Golden State Warriors (2010) und die Sacramento Kings (2013) bei den jeweiligen Verkäufen beraten hat: "Es würde mich wundern, wenn heutzutage eine NBA-Franchise für weniger als eine Milliarde Dollar verkauft würde." Es ist freilich auch ein Beweis für den Geschäftssinn von Prochorow, der sein Investment innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht hat. Und es zeigt, wie sich amerikanische Städte beim Werben um Sportvereine in die Abhängigkeit von Investoren begeben.

Die Verantwortlichen der NBA, das sogenannte Board of Governors, müssen dem Verkauf der Nets noch zustimmen. Das sollte aber eine Formalie sein - nicht nur, weil Tsai bereits Anteilseigner ist. Die NBA will noch stärker nach China expandieren, und da kann es nicht schaden, wenn einer der Gründer der milliardenschweren Handelsplattform Alibaba der alleinige Besitzer einer Franchise ist. Dinge sind nun mal genauso viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu bezahlen.

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