Uruguays Luis Suárez:Der weiße Hai des Weltfußballs

Italy v Uruguay: Group D - 2014 FIFA World Cup Brazil

Luis Suárez hat gegen Italien zum dritten Mal zugebissen.

(Foto: Getty Images)

In Uruguays Nationalmannschaft nennen sie ihn "Monster". Kaum ein Fußballer wurde in den vergangenen Jahren so gefeiert wie Luis Suárez, kaum einer so angefeindet. Nach seiner neuerlichen Bissattacke droht ihm eine lange Sperre.

Von Benedikt Warmbrunn und Boris Herrmann, Natal

Eine Bulldogge mit Maulkorb. Ein blutverschmiertes Dracula-Gesicht. Die Gesichtsmaske von Hannibal Lector. Im Frühjahr 2013 lieferten sich die ohnehin nicht zimperlichen britischen Zeitungen einen Wettbewerb um die beste Fotomontage. Die vielleicht eindrucksvollste war eine Nachbildung des Filmplakats zu Steven Spielbergs "Der Weiße Hai": Eine leicht bekleidete Frau schwimmt im Meer, und aus der Tiefe des kalten, blauen Wassers schießt der Angreifer empor. Die Augen zu Schlitzen verengt, den Mund weit aufgerissen. Der Angreifer war ein Fußballer. Der Angreifer war Luis Suárez.

Am Dienstagmittag in Natal, beim 1:0 gegen Italien, hat der weiße Hai des Weltfußballs wieder zugebissen. Die Augen zu Schlitzen verengt, den Mund weit aufgerissen. Von hinten, in die linke Schulter von Giorgio Chiellini. Der Mann, der wegen seiner Torgefährlichkeit El Pistolero genannt wird, hatte seine andere, seine unberechenbare Seite gezeigt. Wieder einmal.

Kaum ein Fußballer wurde in den vergangenen Jahren so gefeiert wie Luis Alberto Suárez Díaz. Für seine Tore, für seine Dribblings. Kaum ein Fußballer wurde in den vergangenen Jahren so angefeindet wie der Angreifer vom FC Liverpool. Wegen Schwalben. Rassistischen Beleidigungen. Und eben Bissattacken. Nun schnappte er schon zum dritten Mal zu.

Als die britischen Zeitungen nach dem passenden Suárez-Motiv suchten, war dieser für zehn Spiele gesperrt worden. Weil er Branislav Ivanovic vom FC Chelsea in den rechten Unterarm gebissen hatte. Erstmals wurde Suárez nach einer Bissattacke gesperrt, als er noch für Ajax Amsterdam gespielt hatte. In der Partie gegen den PSV Eindhoven kam es zu einer Rudelbildung, Suárez biss seinen Gegenspieler Otman Bakkal, von vorne, in die rechte Schulter. Sieben Spiele Sperre. Und ein neuer Spitzname: Der Kannibale von Ajax.

Seinen Ruf als unsportlicher Spieler festige Suárez endgültig bei der WM 2010. Im Viertelfinale wehrte er in der letzten Minute der Verlängerung auf der Torlinie mit den ausgestreckten Händen einen Schuss ab. Rote Karte, Asamoah Gyan verschoss den Elfmeter, im Elfmeterschießen siegte Uruguay. Und Suárez ließ sich auf den Schultern seiner Mitspieler durch das Stadion tragen. Mit ausgestreckten Armen. Ein schlechtes Gewissen? Kennt El Pistolero nicht. Nach dem Spiel schwärmte er von seiner Aktion, er habe "die Parade des Turniers" gezeigt.

"Es geht um die WM, nicht um die Moral"

Als Suárez 2011 nach Liverpool wechselte, dauerte es ebenfalls nicht lange bis zum ersten Skandal. Patrice Evra von Manchester United warf dem Uruguayer vor, dass dieser ihn einen negro genannt habe. Acht Spiele Sperre. Als Evra und Suárez sich auf dem Spielfeld das nächste Mal sahen, folgte der nächste Eklat. Suárez verweigerte den Handschlag.

Die WM in Brasilien hatte dem Uruguayer zunächst fast zur Rehabilitation gedient. Vor wenigen Wochen saß er nach einer Knieverletzung im Rollstuhl, dann erzielte er beim 2:1 gegen England beide Tore. Dann kam die 79. Minute des Spiels gegen Italien. Suárez näherte sich Chiellini von hinten, drückte dem italienischen Verteidiger den Kopf gegen das Schulterblatt. Um dann zuzubeißen. Chiellini fiel. Suárez fiel. Chiellini hielt sich die Schulter. Suárez fasste sich theatralisch an seine obere Zahnleiste.

Die rote Karte zeigte ihm der mexikanische Schiedsrichter Marco Rodriguez nicht, er hatte die Szene nicht gesehen. Auch nachdem Chiellini dem Schiedsrichter die Bissspuren in seiner Schulter zeigte, entschied dieser nicht anders. "Es ist völlig klar, Suárez wusste sehr gut, dass er etwas getan hat, was er nicht hätte tun dürfen. Er hätte Rot verdient gehabt", sagte Chiellini. Uruguays Trainer Óscar Tabarez sagte dagegen zu der unsportlichen Szene seines Stürmers: "Es geht um die WM, nicht um die Moral."

Die Fifa erklärte nach der Partie, dass sie erst den Bericht von Schiedsrichter Rodriguez abwarten wolle. Erwähnt dieser den Vorfall nicht, wird der Weltverband nach Ansicht der Fernsehbilder eine Entscheidung treffen - und könnte Suárez auch nachträglich noch sperren. Mindestens für das Achtelfinale am Samstag. Da er aber nicht erstmals als Beißer aufgefallen ist, droht ihm als sogenannter Wiederholungstäter theoretisch eine Sperre von bis zu 24 Spielen. Oder gar von bis zu zwei Jahren.

Auch in der eigenen Nationalmannschaft wissen sie übrigens um den Wahnsinn, der diesen stürmischen Fußballer bisweilen befällt. Diego Godín, Kapitän und Torschütze des 1:0 gegen Italien, hat neulich verraten, wie sie im Team Suárez rufen. Sie nennen ihn: Monster.

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