Süddeutsche Zeitung

Fortuna Düsseldorf:Es kommt brutal anders

Wie gehemmt verspielt die Fortuna beim 0:3 in Berlin ihren Vorteil vor Werder Bremen - und steigt ab. In der zweiten Liga steht ein großer Umbruch an, Trainer Uwe Rösler soll ihn anleiten.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der letzte Ball rollte übers Feld des Berliner Stadions An der Alten Försterei, als die Partie längst vorüber war. 25 Minuten lang hatten die Spieler von Fortuna Düsseldorf Zeit gehabt, zu verstehen, was da in all seiner Grausamkeit auf der elektronischen Anzeigentafel leuchtete. Union: 3 - Fortuna Düsseldorf: 0. Kevin Stöger saß auf einem Ball an der Mittellinie, starrte auf den grünen Rasen, ließ stumm die Gedanken kreisen, bis er dann doch aufstand und gegen diesen Ball trat, der drei Mal ins Tor der Fortuna gerollt war und durch die Treffer von Anthony Ujah, Christian Gentner und Suleiman Abdullahi eine Niederlage produziert hatte, die Düsseldorf zum sechsten Mal in der Geschichte in die zweite Liga schickt. Wegen des gleichzeitigen 6:1 des SV Werder Bremen gegen den 1. FC Köln, ausgerechnet. Und ja: Es war ein Tritt voller Bitternis. "Es tut mir leid für unsere Fans", sagte Fortuna-Trainer Uwe Rösler nach dem sechsten sieglosen Spiel in Serie, was die Düsseldorfer zum ersten Mal seit dem 20. Spieltag auf einen Abstiegsplatz abrutschen ließ. "In Moment ist eine unheimliche Leere, auch bei mir."

Bei Spielbeginn, und den Spielständen von 0:0 in Bremen und Berlin, hatte Fortuna Düsseldorf noch auf dem Relegationsplatz gestanden, der nun Werder gehört. Und wenn man die Berichte aus der nordrhein-westfälischen Hauptstadt richtig deutete, so war das Umfeld der Fortuna entspannt. Verglichen mit Bremen jedenfalls. "Fortunas Fundament hielte einen Abstieg aus", schrieb etwa die Rheinische Post und verwies auf die Schuldenfreiheit des Klubs. Und Trainer Uwe Rösler, der gern betont hatte, dass er noch nie abgestiegen war, verströmte unmittelbar vor der Partie Optimismus. Durch Taten, indem er erstmals in dieser Saison überhaupt Kenan Karaman, Rouven Hennings und Steven Skrzybski im Sturm aufstellte. Und durch Worte: "Wir wollen das Spiel gewinnen, dann sind wir nicht abhängig von anderen Resultaten. Wir müssen Tore machen und wollen Tore machen", sagte der Coach. Doch dann kam es eben doch anders. Brutal anders.

Das Spiel war von Beginn an dazu angetan, Verdacht zu schöpfen. Denn trotz der offensiven Ausrichtung wirkte Fortuna so, als hätte sie etwas zu verlieren, und das hieß: Sie bewegte sich am Rande der Zaghaftigkeit, überraschend abwartend, gehemmt. Sie überließen Union den Ball, und wer wollte, konnte meinen, dass es auch so funktionieren könnte. Denn: Die ersten Chancen hatte die Fortuna. Einen Kopfball von Kaan Ayhan klärte Unions Verteidiger Reichel vor der Linie (12.); dann verzog Kenan Karaman eine Ablage von Hennings nur knapp (15.). Doch just, nachdem aus Bremen die Kunde von der Werder-Führung nach Berlin kam und von Dutzenden Union-Fans vor dem Stadion mit "Absteiger!"-Rufen und Schmähungen gegen die Fortunen quittiert wurde, kam Union erstmals gefährlich vors Tor der Düsseldorfer. Und traf.

Nach einer unzulänglich abgewehrten Ecke von Christopher Trimmel versuchte sich Joshua Mees an einem Volley, traf den Ball aber nicht ideal. Aber: Mittelstürmer Anthony Ujah, ein ehemaliger Werderaner, schaffte es, den Ball durch die Beine von Torwart Florian Kastenmeier zu lenken. Adam Bodzek schaffte es erst, den Ball wieder ins Feld zu schlagen, als er deutlich die Linie passiert hatte (26.). Und für die Fortuna kam es insofern noch dicker, als Abwehrspieler Mathias Jorgensen verletzt ausgewechselt werden musste - und in Bremen Tor um Tor für Werder fiel.

Die Nachricht davon müssen die Düsseldorfer spätestens in der Halbzeit erfahren haben. Und damit war klar: Ihr Spiel würde fortan unter der Hypothek leiden, dass jede Sekunde schneller verstreichen würde als unter normalen Umständen. Doch es kam noch verheerender. Denn erst traf Union nach einem schlimmen Fehler von Ayhan durch Christian Gentner zum 2:0. Und dann sorgte Werder mit seinen Toren dafür, dass der Fortuna nicht einmal mehr ein Unentschieden reichte, um den Relegationsplatz zurückzuerobern. Vorwürfe der Düsseldorfer gab es später nicht: "Ich hab immer gesagt: Selbst ist der Mann", erklärte Rösler.

Er selbst wechselte am Ende alles ein, was noch entfernt nach Tor roch. Zum Beispiel: Markus Suttner, der mit einem abgefälschten Schuss die Querlatte treffen sollte (69.). Es gab Abschlüsse, durch Rouwen Hennings, Hoffmann, durch Thommy. Doch mit jedem Versuch wuchs nicht die Hoffnung, sondern die Melancholie des Blicks in den Abgrund. Sinnbildlich dafür war, wie Kevin Stöger zur 80. Minuten eigentlich in aussichtsreicher Position war - und sich dann selbst anschoss.

Beim dritten Gegentor durch Abdullahi war dann nicht einmal mehr Gegenwehr zu sehen; Abdullahi verzichtete aus Gründen der Pietät auf einen Jubel. Denn er wusste, was folgen würde. Bilder, mit denen nicht so viele gerechnet hatten: Fortuna-Spieler, die in sich zusammenbrachen. Spieler, die ihre Gesichter unter den Händen versteckten, mutmaßlich weinten. "Gefühlt haben wir es nicht verdient", sagte Adam Bodzek. Nur wusste auch er: Die Tabelle spricht eine eindeutige Sprache. Und die sagt: Liga zwei. Mit Uwe Rösler als Trainer.

"Selbstverständlich" werde Rösler bleiben, sagte Sportvorstand Klein; Rösler selbst sagte, dass er sich freue sich "auf die nächste Saison und die Chance, es wieder gut machen zu können." Es wird eine Saison des Umbruchs. Denn bei der Fortuna laufen gleich 17 Verträge aus.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4949941
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.06.2020/sonn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.