Union:Die Punkte fliegen nach Köpenick

Lesezeit: 2 min

Mit einem 1:0 untermauert Berlin Ambitionen.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Der Fußballer Christopher Trimmel aus Oberpullendorf im Burgenland schießt für gewöhnlich keine Tore. Trimmel ist Rechtsverteidiger beim Zweitligisten 1. FC Union Berlin. Für den Österreicher geht es vornehmlich darum, Tore zu verhindern. Diese Aufgabe hat er am Samstagnachmittag zur Zufriedenheit seines Trainers Jens Keller erfüllt - zudem aber traf er mal wieder: erst zum zweiten Mal für seinen Arbeitgeber im 89. Spiel.

Dank Trimmels Tor, einem "Glückstreffer", wie Union-Kapitän Felix Kroos den starken Weitschuss mit einem Grinsen nannte, gelang den Berlinern ein goldiger Auftakt in die neue Saison. Sie gewannen 1:0 (0:0) beim FC Ingolstadt, und Trainer Jens Keller fasste erfreut zusammen: "Wir haben uns heute drei wichtige Punkte und Selbstvertrauen beim Top-Favoriten geholt." Und so haben sich die Berliner gleich selbst wieder als Kandidat für den Erstliga-Aufstieg präsentieren können. Obwohl die Gastgeber besser starteten, setzten sich die verbissenen Unioner durch: "Wir haben gezeigt, dass wir uns in so ein Spiel hineinkämpfen können", sagte Kroos: "Das ist ein gutes Zeichen."

Nach dem Abstieg des TSV 1860 sind die Berliner das dienstälteste Team der Klasse

In der vorigen Saison scheiterten sie ja erst auf den letzten Metern im Aufstiegskampf, das Erfolgserlebnis zum Start könnte eine weitere starke Spielzeit einleiten. Auch wenn Keller knurrig sagt: "Wir sind letztes Jahr mit einer Niederlage und zwei Unentschieden in die Saison gestartet und waren am Ende trotzdem mal Tabellenführer." Sie hatten ja kaum damit gerechnet, dass sie gegen den eigentlich stärker besetzten Absteiger, dem die meisten Trainer der Liga den Wiederaufstieg zutrauen, siegen könnten. Bestätigen sollten sie ihren Blitzstart allerdings am Freitag im Heimspiel gegen Aufsteiger Kiel.

Die Berliner kennen den harten, ruppigen Zweitligafußball inzwischen wie kein zweites Team, sie gehen dort in ihre neunte Saison in Serie und sind - nach dem Abstieg des TSV 1860 München - das dienstälteste Team in der Klasse. Keller konnte zudem, anders als sein Gegenüber Maik Walpurgis, auf eine eingespielte Truppe zurückgreifen, die er nur mit zwei Zugängen aufpeppte (FCI fünf). Marc Torrejón, vom Erstligisten SC Freiburg gekommen, verteidigte innen, Marcel Hartel (vom 1. FC Köln) spielte im rechten Mittelfeld. Besonders Torrejón stach heraus, er gibt dem Klub noch mehr Stabilität. Der leicht angegraute 31-Jährige nahm zum Beispiel den mit der Empfehlung von 16 Zweitliga-Toren in der Vorsaison von Dynamo Dresden nach Ingolstadt gewechselten Stefan Kutschke aus der Partie. Er stand ihm in bester Kreisliga-Manier auf den Füßen, grätschte ihm als humorloser Köpenicker Handwerker spätestens im Strafraum die Bälle weg, sodass er mit einem Lachen und spanischem Akzent erklären konnte: "Drei Punkte fliegen nach Berlin."

Was viel mit seinem Trainer Keller zu tun hatte. Der dirigierte in kurzer Hose seine Spieler dank Reibeisenstimme, kurzen "Hey"-Rufen und Pfiffen übers Feld und stellte sie nach schwächerer Anfangsphase immer besser auf den Gegner ein. Trimmels Treffer in der 59. Minute war nur ein Weitschuss von vielen in der zweiten Halbzeit. Keller hatte die Schwachstelle des FCI erkannt, der unmittelbar vor dem Strafraum zu harmlos verteidigte, und so konnte auch Trimmel dort in relativer Ruhe Maß nehmen. Punktgenau platzierte er sein Traumtor - nach Kopfball-Ablage von Sebastian Polter - im oberen Eck und reichte später die Rezeptur nach: "Wenn der Ball in dieser Position so kommt, muss man volles Risiko gehen. Wenn er drüber geht, geht er drüber. Ansonsten wird er gefährlich."

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: