Süddeutsche Zeitung

1. FC Union Berlin:"Der Clown aus München"

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Union Berlins Präsident Dirk Zingler ist beim Thema Corona leicht entflammbar. Er kritisiert das "Vollchaos", äußert sich zu Rummenigge und Kimmich - und sendet eine weitere süffisante Botschaft Richtung München.

Von Javier Cáceres, Berlin

Eigentlich habe er "gar nix zu Corona sagen wollen", sagte Dirk Zingler, der Präsident von Union Berlin, am Donnerstag kurz vor Beginn der Mitgliederversammlung seines Vereins. Sondern? Er wolle lieber über die "sportlich erfolgreichste" und "wirtschaftlich wertvollste" Zeit in der Vereinsgeschichte seiner Köpenicker reden. Union stand am Vorabend der Liga-Visite von RB Leipzig (Freitag 20.30 Uhr) auf dem sechsten Tabellenplatz, ist im DFB-Pokal und in der neuen europäischen Conference League weiterhin aussichtsreich vertreten, auch die wirtschaftliche Lage ist zufriedenstellend. Aber: Corona! Bei diesem Thema ist Zingler, 57, leicht entflammbar.

"Wir sind im Vollchaos, in einem katastrophalen Zustand", rief Zingler also am Donnerstag, "es war für mich nicht vorstellbar, wie schlecht dieses Land geführt werden kann." Einer der aktuellen Anlässe, die ihm die Zornesröte ins Gesicht treiben, sind die Debatten über das voll ausgelastete Stadion beim Spiel Köln gegen Gladbach in der Vorwoche. Es gehe, so Zingler, bei der Kritik daran nicht um die Vermeidung von Infektionen, sondern nur um die Vermeidung bestimmter Bilder und angeblicher Stimmungen im Land: "Wir regen uns auf über ein volles Stadion. Aber wir regen uns nicht auf über lange Schlangen an Impfzentren mit zu wenig Kapazität und zu wenig Impfstoff."

Dass Deutschland in der Pandemie dabei zuschaue, wie 30 000 unterbezahlte Pflegekräfte sich neue Jobs suchen müssen und 6000 Intensivbetten verloren gingen, findet Zingler empörend. "Der Staat hätte sofort sagen können: Alles medizinisches Personal, alle Pflegekräfte kriegen brutto gleich netto. Vielleicht hätte man dann weniger Pflegekräfte verloren." An anderer Stelle hingegen habe man erkennen können, was alles im Nu umsetzbar ist. Denn es sei keine Sekunde gezögert worden, "Milliarden für ausgefallene Umsätze an Unternehmen" zu zahlen. Der Staat, schimpfte der Union-Boss, müsse "zuerst seine Hausaufgaben machen und erst dann die Grundrechte der Menschen einschränken".

Zum Fall Kimmich sagt Zingler: "Da fehlen mir die Worte"

Zingler sagte, er würde wie bisher jede beschlossene Maßnahme mittragen: "Glauben Sie mir, wir wollen Infektionen vermeiden!" Er wolle bei den Menschen, für die er sich als Privatunternehmer und als Klubchef verantwortlich fühle, "als Multiplikator wirken". Nur: Das sei nicht mehr möglich, denn es mangele an einer klaren, verständlichen Politik. Was in Talkshows und seitens der Politiker kommuniziert werde, decke sich nicht mit den Verordnungen, die umgesetzt werden sollen: "Die Verantwortung wird bei den Leuten abgeladen."

Zingler erinnerte auch an die Empörung, die einst der frühere FC-Bayern-Vorstandschef Rummenigge hervorrief, als er vorschlug, Bundesligaprofis exemplarisch zu impfen: "18 Monate danach wird ein einzelnes Mitglied einer Berufsgruppe, die weit über 90 Prozent Impfquote hat, an den Pranger gestellt, weil er noch nicht geimpft ist", sagte Zingler in Anspielung auf Bayern-Profi Joshua Kimmich: "Da fehlen mir die Worte."

Freuen kann sich Zingler immerhin darüber, dass die bisherige Bundesregierung abtritt. Denn bei der künftigen habe er zuletzt ein gewisses Maß an Professionalität wahrgenommen, was auch daran läge, dass "der Clown aus München" nicht dabei sei und "die Bild-Zeitung (aus vertraulichen Runden) keine Nachrichten mehr bekommt". Ob er mit seiner Clown-Beschreibung Bayerns Ministerpräsident Markus Söder meinte, ließ Zingler offen - jedoch mit süffisant-ironischem Unterton.

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