Süddeutsche Zeitung

Union Berlin:Spätzünder

Vor 15 Monaten noch Viertligist, jetzt auf einmal BVB-Bezwinger: Marius Bülter wollte eigentlich nur noch nebenbei in Rödinghausen spielen - am Samstag war er mit zwei Treffern der Mann des Abends beim erstem Bundesligasieg in der Geschichte von Union.

Von Saskia Aleythe

Marius Bülter breitete die Arme weit aus, warum auch nicht: Er hätte ja vor Freude das ganze Stadion umarmen können. Nach 22 Minuten zum ersten Mal, nach 50 Minuten schon wieder, da lief der 26-Jährige erneut in Richtung Bank und feierte seinen Treffer mit den Ersatzspielern von Union Berlin. Bülter weiß ja selber noch ganz genau wie das ist: in seinem Sport nicht erste Wahl zu sein. Erst über Umwege ist er im reiferen Sportleralter im Profifußball gelandet, nun belohnte er sich mit zwei wegweisenden Toren gegen den BVB. "Das war heute mein größtes Spiel", sagte er: "Ich habe selber nicht damit gerechnet, aber jetzt ist es ein geiles Gefühl."

Innerhalb von 15 Monaten hat sich das Leben von Bülter radikal geändert. Bis zum Ende der Saison 2017/18 spielte er noch beim SV Rödinghausen in der Regionalliga West, vierte Liga also, weit weg von Bundesligapartien. Doch mit 20 Toren empfahl er sich für höhere Aufgaben und wurde vom FC Magdeburg verpflichtet, in diesem Sommer dann vom Zweitliga-Absteiger weiter verliehen an Union Berlin. "Das ist schwer zu realisieren", sagte Bülter, als er nach dem 3:1 gegen den BVB vor den Reportern stand und man ihm anmerkte, dass alles ganz schön aufregend ist. Von Kamera zu Kamera musste er ziehen, mit zwei Treffern gegen Borussia Dortmund ist man natürlich der Mann des Abends.

In Münster und Osnabrück wurde sein Talent noch nicht erkannt

Eine Fußballakademie hat er nie besucht, als er 18 Jahre alt war, sah man bei Preußen Münster keine Perspektive für ihn. Bülter konzentrierte sich auf die Schule, machte Abitur und absolvierte schließlich ein Maschinenbau-Studium, kickte nebenher bei Rödinghausen. Bei einem Probetraining beim VfL Osnabrück fiel er durch, Trainer Maik Walpurgis wollte ihn nicht. Ereignisse, an die Bülter nicht mehr zurückdenken will. "Ich verschwende daran keine Gedanken, ich bin froh, dass es jetzt so gekommen ist", sagte er. Es gehöre viel Glück dazu, so spät den Sprung ins große Geschäft zu schaffen. Aber hart daran gearbeitet hat er ja.

Als er wegen einer Schambeinentzündung nicht mit der Mannschaft trainieren konnte, nahm er sich einen privaten Trainer. "Er hat mir geholfen, was die Ernährung angeht, und er hat mir Trainingsübungen gezeigt." Zehn Kilogramm Muskelmasse hat Bülter angeblich zugelegt, nun ist er nicht mehr nur torgefährlich, sondern auch durchsetzungsstark. Seinen ersten Treffer gegen Dortmund erzielte er nach einstudierter Ecke, der zweite war ein feiner Abstauber vor BVB-Torwart Bürki.

In zwei Wochen werde sich niemand an die Tore erinnern, sagte Bülter, die Mechanismen des Geschäfts seien bekannt. "Ich fange jetzt nicht an, rumzuspinnen", fügte er noch hinzu, er hoffe aber auf weitere Einsätze für Union. Er weiß ja, wie schnell sich alles ändern kann.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2019
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