Union Berlin:"Wäre schön, wäre Schluss"

Union Berlin: Jordan Siebatcheu Pefok jubelt über das 1:0.

Jordan Siebatcheu Pefok jubelt über das 1:0.

(Foto: Sebastian Räppold/Matthias Koch/Imago)

Union Berlin freut sich nach dem 2:1 gegen RB Leipzig über zehn Bundesligaspiele ohne Niederlage in Serie. Bei den Sachsen dürfte das bereits vorhandene Grollen in der Chefetage über den Saisonstart noch größer werden.

Von Javier Cáceres, Berlin

Vor ziemlich genau drei Jahren trat RB Leipzig gegen einen überaus verschüchterten Haufen namens Union Berlin an. Es war das erste Spiel der Köpenicker in der bundesdeutschen Eliteklasse, und sie verloren es mit 0:4. Wie sich die Zeiten doch geändert haben. Am Samstag präsentierte sich der qualitativ und finanziell noch immer übermächtige Gegner aus Leipzig im Stadion An der Alten Försterei. Und unterlag völlig zu Recht mit 1:2. Es war die vierte Bundesliga-Niederlage in Serie der Leipziger gegen Union; und sie dürfte das schon in der Vorwoche überdeutliche Grollen in der Chefetage noch anwachsen lassen. Schon in der Vorwoche hatte RB-Boss Oliver Mintzlaff von einem "beschissenen Saisonstart" gesprochen. Nach zwei Spieltagen. Nach drei Spieltagen wartet RB noch immer auf den ersten Sieg in der neuen Spielzeit.

Unter der Woche hatte Mintzlaff, wie Kapitän Willi Orban nach dem Spiel berichtete, das Heiligste einer Mannschaft betreten - die Kabine. Ohne Kenntnis des Trainers Domenico Tedesco, der in der Pressekonferenz erklärte: "Das habe ich gar nicht mitbekommen." Welchen Inhalts die Unterredung war, ob Mintzlaff gar die nach so wenigen Spieltagen doch überraschend drastische Wortwahl erläuterte, blieb offen. Orban wirkte allerdings nicht so, als würde er Mintzlaffs Worte auf die Goldwaage legen, man wisse ja, wie emotional der Chef sei.

Trainer Tedesco allerdings schien die Äußerungen für wenig hilfreich zu halten. Auch er betonte einerseits, dass es "bei uns kein Thema" sei. Andererseits hätten die Worte Mintzlaffs und auch der Lärm um den über wenig Spielzeit enttäuschten Emil Forsberg "ein bisschen was bewirkt". Er habe das unter anderem daran gemerkt, dass er "in jedem Interview" und "sogar auf Englisch" auf Mintzlaff angesprochen worden sei, berichtete Tedesco. Er habe zusammen mit der Mannschaft versucht, "fokussiert zu arbeiten".

Das gelang auch gegen Union anfangs auf sehr ordentliche Weise. Vor allem in den ersten 15 Minuten, in denen die Fans von Union nach alter Sitte gegen das ihrer Ansicht nach Kommerzprodukt RB rebellierten und sich - befeuert durch den Stadionsprecher - in stillem Protest übten. Die Leipziger bewegten den Ball so schnell, wie sie es sich vorgenommen hatten, und es gab auch latente Gefahr. Es hätte sich kaum ein Berliner beschweren können, wenn der Videoschiedsrichter nach einem sehr robusten Einsatz von Christopher Trimmel gegen den zurückgekehrten Nationalspieler Timo Werner eingegriffen und Referee Deniz Aytekin korrigiert hätte - er hatte in der 14. Minute kein elfmeterreifes Foul gesehen.

"Klarer kann man jemandem nicht von hinten auf die Wade treten", sagte Werner. Einen größeren Schrecken verspürten die Unioner fünf Minuten später. Denn als ihre Anhänger auf den Tribünen noch ihre Stimmbänder dehnten, setzte Werner nach einem Pass von Benjamin Henrichs in den Rücken der Abwehr den Ball an den linken Pfosten (19. Minute).

Zwei Konter führen zum Sieg

Danach aber gab es einen Bruch im Leipziger Spiel. Und Union machte wieder seinem Ruf alle Ehre, kaum etwas besser zu können, als dem Gegner den eigenen Matchplan aufzuzwingen.

Je länger die Partie dauerte, desto unkoordinierter wirkten die Bewegungen der Leipziger. Die Spieler mit der größten Eingebungskraft, Dani Olmo und Christopher Nkunku, mochten noch so viel und fleißig rochieren - es standen ihnen immer hinreichend viele Unioner auf den Füßen, um Angriffsversuche zu torpedieren. Die Folge: Die Aufgabe, ein kreatives Spiel aufzuziehen, landete bei Willi Orban, Mohamed Simakan, Benjamin Henrichs, Kevin Kampl oder Konrad Laimer, deren Füße genau dafür nicht geschaffen sind. Die Konsequenz: Zwei elektrisierende Konter, die Leipzigs Defensive desorganisiert aussehen ließen und die zu den zwei Treffern führten.

Union schrammt knapp an der Tabellenführung vorbei

Erst wurde Sheraldo Becker mit einem Diagonalpass in die rechte Angriffszone geschickte; der Niederländer war umsichtig genug, um zu erkennen, dass Jordan Siebatcheu im Zentrum allein im Angesicht des Torwarts Janis Blawich stehen würde. Siebatcheu traf per Flachschuss (32.). Sechs Minuten später revanchierte sich Siebatcheu mit einem Pass in den Lauf von Becker, der mit einem Schlenker seinen Bewacher Josko Gvardiol versetzte und dann mit einem Schlenzer vollendete.

Nach der Pause blieb es bei sterilen Leipziger Angriffsversuchen - und gefährlichen Umschaltmomenten der Unioner. Im Anschluss an eine Ecke gab es Konfusion im Strafraum der Köpenicker, doch der wieder beeindruckende Julian Ryerson rettete nach einem ungelenken Schuss des eingewechselten Halstenberg auf der Linie. Der Rest war eine Orgie an Wechseln auf beiden Seiten - und ein Tor in nahezu letzter Minute: Nach einer Ecke von David Raum traf Willi Orban in der 83. Minute per Kopf ins Tor. Das Missverständnis hatte für die bis zum Erreichen der 40-Punkte-Marke immer tiefstapelnden Köpenicker eine positive Nebenwirkung. Union entging nach saisonübergreifend zehn Bundesligapartien ohne Niederlage in Serie der zwischenzeitlichen Tabellenführung. Und das zwei Wochen vor der Visite des FC Bayern. Im Bereich der Champions-League-Plätze liegen sie allemal. Das quittierte Trainer Urs Fischer mit einem Satz von poetischer Knappheit: "Wäre schön, wäre Schluss."

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