Union Berlin in der Bundesliga:Meister des Umbruchs

Union Berlin in der Bundesliga: Taiwo Awoniyi und seine Unioner feiern - diesmal gab es ein 1:0 gegen Köln.

Taiwo Awoniyi und seine Unioner feiern - diesmal gab es ein 1:0 gegen Köln.

(Foto: Boris Streubel/Getty Images)

Eine ganze Achse ist weg, und was macht Union? Spielt einfach die beste Saison seiner Geschichte. Durch die jüngsten Erfolge bleiben die Berliner ein weiteres Jahr in der Bundesliga - nun werden mutig neue Ziele formuliert.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Wochenende gab Urs Fischer, Trainer des 1. FC Union Berlin, seiner Mannschaft frei, denn sie hatte ihren wichtigsten Job der laufenden Spielzeit erledigt. Am Freitagabend hatte Union den 1. FC Köln mit 1:0 besiegt und damit sechs Spieltage vor Schluss das Saisonziel erreicht. Union hat 41 Punkte gesammelt, der Klassenverbleib ist gesichert. "Wir gehen ins vierte Jahr Bundesliga", sagte Unions Manager Oliver Ruhnert, 50, zur SZ und stellte eine rhetorische Frage. "Wer hätte das damals für möglich gehalten?"

Wenn man sich vor Augen führt, wie überschaubar die finanziellen Mittel sind, die Union einsetzt, dazu addiert, welche personellen Einschnitte das Team zu verdauen hatte, und sich daran erinnert, dass die Mannschaft die verschleißreiche Teilnahme an der Conference League in den Knochen hat, ist man geneigt zu sagen: Union hat seine vielleicht sogar beste Saison überhaupt gespielt.

Es hat zwar seit der Aufstiegssaison keine eine einzige Spielzeit ohne Umbruch gegeben. Diesmal aber brach eine ganze Achse weg: Robert Andrich ging nach Leverkusen, der zeitweise ausgeliehene Neu-Nationalspieler Nico Schlotterbeck kehrte nach Freiburg zurück, Marvin Friedrich entschied sich im Winter für Mönchengladbach, Max Kruse erlag dem Geld des VfL Wolfsburg. Was sie hinterließen: den Ruf, exemplarisch für den erstaunlich erfolgreichen Weg zu stehen, den Union beschreitet.

Der modus operandi der Unioner: Sie fahnden nach Spielern, denen anderswo nicht oder nicht mehr zugetraut wird, in der Bundesliga zu reüssieren. Beispiel Andrich: war bei Hertha durchgefallen und spielte in der Heidenheimer Versenkung; bei Union spielte er sich nicht nur ins Blickfeld Leverkusens, sondern nun auch von Bundestrainer Hansi Flick. Friedrich kam vom FC Augsburg II; Kruse aus der Türkei. Auch Taiwo Awoniyi, der am Freitag gegen Köln (49. Minute) sein zwölftes Saisontor erzielt hat, setzte sich nach erfolgloser Zeit als Leihspieler beim FC Liverpool erst in Köpenick richtig durch.

Mittlerweile blickt er auf einen Afrika-Cup-Einsatz zurück und steht bei einer Reihe von Premier-League-Kandidaten auf der Short-List. Angeblich erwägt Newcastle United einen Kauf. Klar gebe es Spieler, die man gern gehalten hätte oder gern halten würde, sagt Ruhnert. Aber: "In bestimmten Sphären sind wir einfach nicht." Die Folge: "Es scheint, dass es 2022 wieder einen Umbruch geben wird." Beunruhigt klingt er dabei nicht. Bislang hat Union die periodisch wiederkehrenden Revolutionen überstanden, "weil wir eine sehr, sehr gute Scouting-Abteilung haben und in Urs Fischer einen Trainer, der am Ende alles zusammenbringt", sagt Ruhnert.

Wenn Teams den Charakter ihrer jeweiligen Trainer widerspiegeln sollten, bot auch das 1:0 gegen Köln wieder ein Beispiel dafür, wofür Union steht: Arbeitsethos voller Aufrichtigkeit, dessen Ertrag nicht abzusehen ist. Welche Ziele Fischer nun neu formulieren würde? Bei drei ausstehenden Heimspiele strebe er drei Siege an. "Dann wären wir wie im Vorjahr bei 50 Punkten. Dann könnten wir ja sehen, wofür das reicht", sagte der Schweizer.

"Das Wort Europa geht uns gar nicht schwer über die Lippen!", sagt Manager Oliver Ruhnert

Im Vorjahr reichten 50 Punkte für Platz sieben - und damit für die Europa Conference League, in der Union trotz schwerer Gruppengegner (Feyenoord, Slavia Prag) fast die K.-o.-Phase erreicht hatte. Da wirken die Worte Fischers fast so, als traue man sich nicht, Europa auszusprechen. "Das Wort Europa geht uns gar nicht schwer über die Lippen! Aber wir wären doch verrückt, wenn wir Europa als Ziel ausgäben!", protestiert Ruhnert. "Diese Mannschaft zeichnet aus, dass sie von Spiel zu Spiel erfolgreich sein will. Dass wir dann Möglichkeiten nutzen wollen, die wir uns erarbeitet haben, versteht sich von selbst".

So der so: Ein paar Höhepunkte sind bereits programmiert. Am Samstag besucht Union die abstiegsgefährdete Hertha. Union will zwar keine Punkte dalassen. Weil das Derby aber als belebend empfunden wird, wünscht man sich schon, dass die Hertha ebenfalls in der Liga bleibt.

"Eine volle Försterei, ein volles Olympiastadion, die Aufmerksamkeit, die dieses Spiel auch international hervorruft... So ein Derby ist eine schöne Sache", sagt Ruhnert. Am 20. April steht das Pokalhalbfinale in Leipzig an. "Da muss man sich nichts vormachen: Wenn du in Leipzig gewinnen willst, musst du am Spieltag etwas Außergewöhnliches schaffen", sagt Ruhnert. Seit Erreichen des Saisonziels kann sich Union in aller Ruhe darauf konzentrieren.

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