Unglück im Motorradsport:Erschlagen von der eigenen Maschine

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Gedenkminute: Auch die Szene-Größen Dani Pedrosa und Jorge Lorenzo (Bildmitte) beteiligten sich vor dem Rennen in Barcelona an der Aktion, die an ihren am Freitag tödlich verunglückten Moto2-Kollegen Luis Salom erinnerte. (Foto: Manu Fernandez/AP)
  • Der Motorradfahrer Luis Salom aus Spanien ist beim WM-Rennen in Barcelona ums Leben gekommen.
  • Sein Tod ist rätselhaft, offenbar wurde Salom seine Maschine zum Verhängnis.
  • Als er stürzte, fingen die Luftkissen am Streckenrand nicht ihn auf - sondern sein Motorrad.

Von René Hofmann, Barcelona/München

"Er hätte auf jeden Fall gewollt, dass es hier weitergeht. Das ist absolut sicher": So wie Stefan Bradl haben das viele gesehen. Die Teilnehmer der Motorrad-WM sind an diesem Sonntag wie geplant auf dem Circuit de Catalunya bei Barcelona an den Start gegangen. In allen drei Klassen wurden Sieger ermittelt. In der Moto3 setzte sich der Spanier Jorge Navarro (Honda) durch, in der Moto2 der Franzose Johann Zarco (Kalex). In der höchsten Kategorie fuhr der Italiener Valentino Rossi auf seiner Yamaha vom achten Platz zu seinem 114. Grand-Prix-Sieg. Ein normales Rennwochenende aber war es natürlich trotzdem nicht, nachdem am Freitag Luis Salom auf der Strecke den Tod gefunden hatte.

Der 24 Jahre alte Spanier galt als erfahrener und guter Pilot. Seit sieben Jahren trat er in der WM an. 2012 hatte er im Gesamtklassement der Kategorie Moto3 hinter dem Deutschen Sandro Cortese den zweiten Platz belegt. Auch auf den schwereren Moto2-Maschinen war Salom nicht unerfolgreich. Beim Saisonauftakt in Katar hatte er als Zweiter auf dem Podium gestanden. Die Ursache für seinen Tod - sie blieb bis Sonntagabend rätselhaft.

Salom ist der vierte Tote, den die WM seit der Jahrtausendwende beklagt

Salom war am Freitag im zweiten Training in Kurve Nummer zwölf gestürzt. Die Rettungskette, erklärte der Motorrad-Weltverband FIM noch am Freitagabend, hätte wie geplant funktioniert. Als die Rettungsteams des WM-Veranstalters und des Streckenbetreibers die Unfallstelle erreichten, hätten sie einen Herzstillstand diagnostiziert. 18 Minuten lang wurde versucht, Salom an der Strecke wiederzubeleben. Anschließend fiel die Entscheidung, ihn in einem Rettungswagen ins Hospital General de Catalunya zu verlegen. Nach 40 Minuten Fahrt kam Salom dort gegen 16.10 Uhr an. Um 16.55 Uhr wurde sein Tod festgestellt.

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Luis Salom ist der vierte Tote, den die WM seit der Jahrtausendwende zu beklagen hat. 2003 stürzte der Japaner Daijiro Kato bei seinem Heimrennen in Suzuka bei rund 190 km/h und schleuderte gegen eine Betonmauer; die Strecke wird seitdem nicht mehr für Rennen der Motorrad-WM benutzt. Im September 2010 kam sein Landsmann Shoya Tomizawa beim Rennen in Misano/Italien zu Sturz; zwei Kollegen konnten nicht mehr ausweichen und überfuhren den 19-Jährigen. Auf ganz ähnliche Weise kam der Italiener Marco Simoncelli 2011 beim Rennen in Sepang/Malaysia um.

Warum Luis Salom nun ohne direkten Zweikampf so schwer verunglückte? "Wir haben keine Erklärung", sagt Carmelo Ezpeleta, der Chef des WM-Vermarkters Dorna. Irgendetwas sei passiert, aber: "Wir wissen nicht genau was", so Ezpeleta. Salom sei deutlich neben der Ideallinie zu Fall gekommen. Die Datenauswertung hätte ergeben, dass er an einer ungewöhnlichen Stelle gebremst habe. Warum aber das? Filmaufnahmen würden darüber keine Aufschlüsse geben, so die FIM.

"Es sieht nach irgendeinem Defekt am Motorrad aus, sonst ist der Hergang schwer zu verstehen", meint Routinier Valentino Rossi, 37. Offenbar wurde Salom seine Maschine zum Verhängnis. Weil die Kurve Nummer zwölf nicht besonders viel Sturzraum bietet, stehen an den nahen Wänden sogenannte "Airfences" - Luftkissen, die im Falle eines Sturzes den Aufprall der Fahrer dämpfen sollen.

Bei Saloms Sturz flog aber nicht der Fahrer als erstes in das Kissen, sondern das Motorrad. "Die Airfences haben das Motorrad von Luis zurückgeschleudert, er ist dann nicht in die Luftkissen gekracht, sondern gegen sein Fahrzeug", erklärte der ehemalige italienische Motorrad-Weltmeister Franco Uncini, der inzwischen als FIM-Sicherheitschef firmiert: "Es war ein fataler Unfall."

Die Auslaufzone an der Unfallstelle ist asphaltiert

Nach Saloms Unglück hielten die Veranstalter Rücksprache mit zehn Fahrern. Anschließend entschlossen sie sich, die Streckenführung zu ändern. An der Unfall- stelle wurde eine Schikane installiert, wie sie auch zum Einsatz kommt, wenn die Formel 1 auf dem Kurs gastiert. Die Passage, in der Salom stürzte, wurde so umfahren. Nach einem Sturz des Italieners Niccolo Antonelli an der gleichen Stelle war vor zwei Jahren schon einmal mit diesem Streckenverlauf experimentiert worden. Anschließend war die Schikanen-Idee aber wieder verworfen worden. Offizielle Begründung: Eine solche Streckenführung sei nicht attraktiv und fordernd genug.

Hätte Saloms Tod verhindert werden können? Die Auslaufzone an der Unfallstelle ist asphaltiert, weil dies für das Formel-1-Rennen vom Automobil-Weltverband FIA so vorgeschrieben ist. Marco Melandri, der Weltmeister des Jahres 2002, kritisiert das: "Ich glaube immer, dass Motorräder Kies am Auslauf der Strecke brauchen und nicht Asphalt", schrieb der 33 Jahre alte Italiener beim Kurznachrichtendienst Twitter.

FIM-Sicherheitschef Uncini aber widerspricht: "Wenn man geradeaus fährt, kann man auf Asphalt bremsen. Wenn man im Kiesbett bremst, stürzt man auf jeden Fall", sagt er. Welche Streckenvariante künftig genutzt werden soll, ist noch offen.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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