Unfall beim Hongkong-Marathon:Böse Selfies

Unfall beim Hongkong-Marathon: Selbstportraits mit dem Handy, sogenannte Selfies.

Selbstportraits mit dem Handy, sogenannte Selfies.

(Foto: Imago Stock&People)

Sportler und ihre Handys, eine seltsame Beziehung. Beim Hongkong-Marathon bleibt eine Läuferin kurz nach dem Start für ein Selbstportrait stehen - es kommt zu einem Massensturz. Der Sport präsentiert sich ausnahmsweise so fortschrittlich wie Papst Franziskus.

Eine Glosse von Boris Herrmann

Der italienische Fußballer Mario Balotelli hat neulich ein Selbstporträt mit seinem Hausschwein veröffentlicht. Das Handy-Foto ist wirklich schön geworden. Zwar ist Balotellis Kopf nicht zu erkennen, wohl aber seine mit Golduhr geschmückte linke Hand, die dem zufriedenen schlummernden Ferkelchen zärtlich den Nacken krault. Balotelli, der hierzulande vor allem als gnadenloser EM-Traum-Zerstörer bekannt ist, hat also doch ein Herz für die kleinen Schwachen. Wieder was gelernt.

Ob das mit dem Hausschwein unter Spitzensportlern ein Trend wird, kann gegenwärtig noch nicht seriös bewertet werden. Auszuschließen ist es nicht, das mit den Selbstporträts ist schließlich auch ein Trend geworden. Schnappschüsse vom eigenen Privatleben, sogenannte Selfies, sind in regelmäßigen Abständen von Fußballern wie Mario Götze oder Mesut Özil zu bestaunen, von Leichtathleten wie Usain Bolt oder von Abenteuersportlern wie Wladimir Putin.

Früher brauchte man für diese Form der Imagepflege einen Hofmaler, heutigen Narzissten-Generationen genügt ein auf Armlänge ausgefahrenes Smartphone sowie ein Twitter-Account. Der Sport präsentiert sich in diesem Zusammenhang ausnahmsweise mal so fortschrittlich wie Papst Franziskus, dessen erstes Selfie vor zwei Wochen um die Welt ging.

Manchmal steht sich der Fortschritt allerdings auch selbst im Weg. Beim diesjährigen Hongkong-Marathon blieb beispielsweise eine Läuferin kurz nach dem Start für ein Selbstporträt stehen, dabei ließ sie ihr Telefon fallen und löste einen Massensturz mit mehreren Verletzten aus. Die Organisatoren haben deshalb für das Rennen im kommenden Jahr eine sogenannte "Anti-Selfie-Kampagne" ins Leben gerufen.

Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, sollen die Teilnehmer mittels Fernseh- und Radiospots über die Gefahren der Handynutzung beim laufendem Sportbetrieb aufgeklärt werden. Am Streckenrand werden außerdem zahlreiche Helfer postiert, die entsprechende Warnschilder in die Luft halten. Von einem generellen Handyverbot sehen die Organisatoren aber ab. Das sei nicht praktikabel, heißt es.

Das wirft die Frage auf, ob eigentlich auch Athleten anderer Disziplinen ein Telefon dabei haben, wenn sie Sport treiben? Auch hier muss dringend eine Aufklärungskampagne her, sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis Usain Bolt auf halber Strecke mit einem Smartphone am Ohr gegen einen Laternenpfahl sprintet. Andererseits: Vielleicht wären die deutschen Fußballer 2012 ja Europameister geworden, wenn Balotelli damals zum Halbfinale sein Telefon und sein Schweinchen mitgebracht hätte, um ab und zu ein paar schöne Fotos zu machen.

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