Unfälle bei Rallye Dakar:Tot neben dem Motorrad

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Eric Palante: zehnter Dakar-Todesfall seit 2009. (Foto: AFP)

Seit 2009 sind bei der Rallye Dakar zehn Teilnehmer umgekommen. Nachdem zuletzt der belgische Motorradfahrer Eric Palante leblos aufgefunden wurde, gibt es wieder Trauer, Zweifel, Kritik. Die Jagd aber geht weiter.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Die Landschaften dieser Rallye sind immer noch ein Traum. Man kann, wie nun diese Dakar, auch zum fünften Mal durch den Süden Südamerikas rasen und über diese Ebenen und Berge staunen. Im Jahr fünf seit dem Abzug aus Afrika begann die Reise diesmal in Rosario am Fluss Paraná, der Heimat des Guerilleros Che Guevara und des Fußballers Lionel Messi. Von dort hastete der Tross westwärts Richtung Argentiniens Anden und an der schroffen Gebirgskette Richtung Norden, durch verzückende Gegenden, deren Schotter und Steine selbst langsam fahrenden Touristen gerne die Reifen zerfetzen.

Der Belgier mit der Startnummer 122 verehrte das Rennen und seit dem Umzug auch das Terrain im Exil, dies war seine elfte Teilnahme. Jetzt ist Eric Palante tot, und die menschenfressende Dakar hat ihren nächsten Trauerfall.

Der Motorradfahrer Palante starb bereits am Donnerstag bei Kilometer 143 zwischen Chilecito und Tucumán, einsam und verlassen. Erst der Besenwagen, der nach einer Etappe das Feld sondiert und Verlorene einzusammeln versucht, fand seine Leiche am Freitagmorgen um 8.30 Uhr Ortszeit neben seiner Honda. Palante hatte keinen Notruf abgesetzt, wahrscheinlich kam er einfach nicht mehr dazu. Kurz vor seinem 51. Geburtstag kam er um.

Gerichtsmediziner untersuchen den Körper, die argentinische Staatsanwaltschaft ermittelt. Eine Antwort gibt es jetzt schon, sie begleitet die Dakar so selbstverständlich wie das Geröll am Boden: Dies ist eine wahnwitzig gefährliche Veranstaltung.

Mindestens 63 Tote säumen ihren Weg seit der Gründung 1978/79, damals zwischen Paris und der Hauptstadt Senegals. 23 davon waren Piloten oder Beifahrer, wie die Zeitung La Nación aus Buenos Aires hinter einer schwarzen Titelseite der Sportbeilage ("Die traurige Dakar") auflistete. Jedes Jahr aufs Neue gibt es Anlass für Nachrufe und Zweifel an der selbstmörderischen Tortur. Die übrigen Opfer sind Begleiter jeder Art, oft erfährt man nicht mal ihre Namen. Am Tag von Palantes Tod waren außerdem zwei Journalisten aus Argentinien in einer Schlucht zerschellt. Auch nach ihrer Flucht vor afrikanischen Extremisten ist diese grenzwertige Materialschlacht in der Natur nicht sicherer geworden.

Seit 2009 verließen zehn Dakar-Mitstreiter die Odyssee im Sarg, darunter vier Motorsportler: Pascal Terry aus Frankreich 2009, der Argentinier Jorge Martínez 2012, der Franzose Thomas Bourgain 2013 und 2014 Eric Palante aus Belgien.

Der kahlköpfige Familienvater hinterlässt eine Frau und fünf Kinder. "Adieu l'ami", steht in einer Botschaft auf seiner Website. Tags zuvor war auch sein Chronist ratlos gewesen, weil niemand wusste, wo sich der Vermisste befand: "Immer noch keine Neuigkeiten von unserem Helden. Die Unruhe nimmt zu." Schaurig liest sich das, seit die Gewissheit da ist.

Zehn Versuche zuvor hatte Eric Palante überlebt, aber sechsmal aufgegeben. Seine beste Platzierung war Rang 66 vor zwei Jahren. Er habe den Wettbewerb geliebt, berichtete Etienne Lavigne, der Renndirektor. "Er war schon Teil dieser großen Familie Dakar." Sein Sportchef David Castera verwies auf die ungewöhnliche Hitze auf den ersten Etappen, denn zuletzt war es im nördlichen Argentinien noch heißer als gewöhnlich im Hochsommermonat Januar. Allein 26 Motorradfahrer schieden an Palantes Todestag dehydriert oder mit kaputten Maschinen aus, Motoren brannten. Man werde am Ende zweifellos Selbstkritik betreiben, versprach Castera. Das sagen sie an der Spitze der großen Familie Dakar so ähnlich nach jedem Unglück.

Natürlich geht es immer weiter. Nach der Horrornachricht und dem Ruhetag in Salta, genannt La Linda, die Schöne, machten sich nur die Teilnehmer auf Motorrädern und Quads über die Hochebene auf den Weg nach Uyuni in Bolivien, am größten Salzsee der Welt. Der Abstecher ist die neueste Errungenschaft des Unternehmens, zur Feier des Tages kam auch der bolivianische Präsident Evo Morales vorbei, obwohl er eher Fußball mag. Umweltschützer waren entsetzt von der Vorstellung, dass die Karawane mit ihren Abgasen und Breitreifen dieses Meer aus Salz heimsuchen könnte. Doch nach starken Unwettern verwarfen die Organisatoren immerhin den Gedanken, das weiße Riesenareal zu durchpflügen.

Bei den Autos führte bis zuletzt der Franzose Stephane Peterhansel vor Katars Nasser al-Attiyah, beide im Mini, auf zwei Rädern lag Marc Coma aus Spanien vorne. Auch ungläubige Lamas standen an der Strecke, ab Montag durchquert das gesamte Restaufgebot Chiles Atacama-Wüste. Eric Palante wird daheim in Europa beerdigt.

© SZ vom 13.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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