Unerwarteter Rücktritt:Zidane schockt Madrid

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  • Der Rücktritt von Trainer Zinédine Zidane trifft Real Madrid unvorbereitet. Präsident Florentino Pérez versuchte ihn noch umzustimmen, hatte aber keinen Erfolg.
  • Mit drei Champions-League-Siegen in Serie hinterlässt Zidane ein kaum zu bewältigendes Erbe.
  • Bei der Suche nach einem Nachfolger könnte Real im eigenen Verein fündig werden.

Von Javier Cáceres, Madrid/Berlin

Am Donnerstagmittag sahen sich die Spanier unvermittelt vor einer schwierigen Entscheidung: Sollten sie live der Parlamentsdebatte über das Misstrauensvotum folgen, bei der es um das politische Schicksal des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ging? Oder sollten sie um 13 Uhr an ihren Radios oder Fernsehapparaten der Pressekonferenz folgen, die der Fußballklub Real Madrid kurz nach halb zwölf überraschend angesetzt hatte? Ein gutes Jahr nur ist es her, dass Zinédine Zidane seinen Vertrag als Trainer vorzeitig bis 2020 verlängert hatte, doch umgehend musste vermutet werden, dass Zidane nun seinen Rücktritt von Real Madrid erklären würde. Und so war es dann auch: "Ich habe die Entscheidung getroffen, im kommenden Jahr nicht mehr Trainer bei Real zu sein", sagte Zidane.

Erst fünf Tage zuvor wurde der Anlass für die spektakuläre Demission des französischen Welt- und Europameisters von 1998 und 2000 geschaffen. Am Samstag gewann Zidane, 45, in Kiew mit Real Madrid zum dritten Mal nacheinander die Champions League. Einen solchen Erfolg zu übertreffen, hieße, den Titel noch mal zu verteidigen - ein Unterfangen, das Zidane aus guten Gründen für unmöglich hält. Er ist der erste Trainer überhaupt, der den wichtigsten aller Vereinstitel des europäischen Fußballs drei Mal in Serie erobern konnte. Zudem hat er eine spanische Meisterschaft, zwei europäische Supercups, den spanischen Supercup und zwei Mal die Klub-WM gewonnen. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir noch einmal gewinnen können. Und ich bin ein Gewinnertyp. Ich liebe es zu gewinnen und ich hasse es zu verlieren", sagte Zidane. In letzter Zeit sei in ihm die Überzeugung gereift, dass die Mannschaft, um siegreich zu bleiben, "einen Wechsel, einen anderen Diskurs, eine andere Arbeitsmethodik braucht. Daher habe ich diese Entscheidung getroffen".

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Vereinsboss Florentino Pérez, der Zidane bei der Pressekonferenz in Real Madrids Sportstadt Valdebebas begleitete, war am Vorabend vom Coach unterrichtet worden - und völlig konsterniert: "Auf so eine Nachricht kann man sich nicht vorbereiten", erklärte Pérez, "es ist ein trauriger Tag für mich, für die Fans, für die Mitarbeiter dieses Vereins." Er habe versucht, Zidane umzustimmen; am Mittwochabend suchte er den Franzosen in dessen Domizil auf, und auch am Donnerstagvormittag hat er ihn noch einmal getroffen. Aber die Entscheidung Zidanes war irreversibel.

"Wenn ich eine Entscheidung treffe, treffe ich sie nicht einfach so. Und dann gibt es kein Zurück", sagte er. Es habe in der Vergangenheit schwierige Momente gegeben, die ihn zum Nachdenken gebracht hätten. Den genauen Tag, an dem er die Rücktrittsentscheidung traf, wollte er nicht verraten. Präsident Pérez äußerte die Hoffnung, dass es kein "Adieu", sondern ein "Auf bald" sei. Real Madrid werde "immer seine Familie" bleiben, erklärte Pérez, ehe er Zidane seiner Zuneigung und Dankbarkeit versicherte. "Ich werde diesem Klub immer verbunden bleiben, es kann ein 'Auf bald' sein", antwortete Zidane.

Der Trainer berichtete, dass er die Mannschaft am Donnerstag unterrichtet habe. Die meisten Spieler erreichte er per Textnachricht; mit einigen, darunter Kapitän Sergio Ramos, habe er kurz am Telefon gesprochen. Mit Ramos hatte Zidane noch aktiv zusammengespielt, von 2001 bis 2006 war Zizou mit der Rückennummer "5" im Bernabéu-Stadion aufgelaufen.

"Mister, als Spieler und nun als Trainer hast du entschieden, auf dem Höhepunkt zu gehen. Danke für zweieinhalb Jahre Fußball, Arbeit, Zuneigung und Freundschaft. Du gehst, aber dein Erbe ist jetzt schon nicht zu löschen", schrieb Ramos im Internet. Zidane habe "eines der erfolgreichsten Kapitel der Geschichte unseres geliebten Real Madrid" verfasst. "Ich fühle nur Stolz, dein Spieler gewesen zu sein. Danke für so viel", schrieb Cristiano Ronaldo. "Es war ein Vergnügen", ergänzte der deutsche Nationalspieler Toni Kroos.

Der Franzose hatte das Traineramt Anfang Januar 2016 übernommen, damals ersetzte er den glücklosen Spanier Rafael Benítez. Für Zidane war es die erste Station als Chef einer Erstligamannschaft. Zuvor hatte er bei Real Madrid als Assistent des späteren Bayern-Trainers Carlo Ancelotti sowie als Coach der zweiten Mannschaft des Vereins gewirkt. "Die schönste Erinnerung ist der Tag, an dem ich bei Real Madrid als Spieler anheuerte", sagte Zidane. Das habe ihm alle Türen geöffnet - unter anderem zum Trainerposten.

Wer auf Zidane folgt, ist unklar; Pérez verbat sich Fragen zum künftigen Trainer. Nachdem der Klubchef in den vergangenen Tagen mit Abwanderungsgedanken von Ausnahmespielern wie Cristiano Ronaldo und Gareth Bale zu kämpfen hatte, steht er nun vor einem veritablen Problem.

Die meisten Trainer, die in der Vergangenheit mit Real Madrid in Verbindung gebracht worden waren, sind gebunden. Das gilt vor allem für Bundestrainer Joachim Löw, den der Real-Präsident liebend gern nach Madrid geholt hätte. Löw aber will beim Deutschen Fußball-Bund bis 2022 bleiben. "Gut, dass der DFB vorher mit Jogi verlängert hat", sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff.

Ein weiterer Kandidat war zuletzt der Argentinier Mauricio Pochettino, doch auch er hat seinen Vertrag bei Tottenham Hotspur bis 2023 verlängert. Thomas Tuchel hat bei Paris Saint-Germain unterschrieben. Frei wäre Arsène Wenger, der seine Ära beim FC Arsenal beendet hat und von Pérez einst umworben wurde - allerdings vor vielen Jahren. Bei Real selbst sind zwei ehemalige Spieler des Klubs zu finden, die als große Trainertalente gelten: der Argentinier Santiago Solari, der die zweite Mannschaft betreut - sowie U19-Coach José María Gutiérrez alias "Guti".

Zidane selbst ließ seine eigene Zukunft offen. Er gilt als Kandidat für das Traineramt der französischen Nationalmannschaft, die bei der bevorstehenden Weltmeisterschaft in Russland von Didier Deschamps betreut wird. "Ich suche keine andere Mannschaft", sagte Zidane: "Aber ich bin nicht müde, als Trainer zu arbeiten."

© SZ vom 01.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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