Unai Emery bei Aston Villa:Ein Bayern-Schreck in Birmingham

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Die Kurve geht steil nach oben: Aston Villas Cheftrainer Unai Emery gestikuliert an der Seitenlinie während des Premier-League-Spiels zwischen Aston Villa und Newcastle in Birmingham. (Foto: Geoff Cadick/AFP)

2022 kegelte Unai Emery mit Villareal sensationell die Münchner aus der Champions League. Nun formt er aus dem einstigen Abstiegskandidaten Aston Villa ein Premier-League-Spitzenteam.

Von Sven Haist, London

Vor anderthalb Jahren wäre Unai Emery beinahe Trainer beim Fußballklub Newcastle United geworden. Nachdem sich die saudi-arabische Herrscherfamilie die Klubanteile gesichert hatte, verständigten sich die Entscheidungsträger quasi auf ein sofortiges Engagement mit Emery, der zu dieser Zeit beim FC Villarreal angestellt war. Allerdings ließen die Eigentümer die Information voreilig am Spieltag eines für Villarreal bedeutenden Champions-League-Matches an die Öffentlichkeit durchsickern, was den eher medienscheuen Emery verschreckte. Prompt überlegte es sich der Coach anders und lehnte das Angebot ab - was sich rückblickend für alle Seiten als glücklicher Umstand erwies.

Anstelle des Basken verpflichtete Newcastle den Engländer Eddie Howe, der die Mannschaft mithilfe der saudischen Finanzhilfen aus der Abstiegszone der Premier League befreite und momentan in der Spitzengruppe zu etablieren versucht. Und Emery selbst schaltete mit Villarreal im weiteren Saisonverlauf sensationell den FC Bayern in der Champions League aus und erreichte das Halbfinale des Wettbewerbs. Im November 2022, genau ein Jahr nach der Newcastle-Offerte, wechselte Emery für die festgeschriebene Ablöse von sechs Millionen Euro von Villarreal zum ambitionierten, von den Milliardären Wes Edens und Nassef Sawiri 2018 über ihr Investmentunternehmen V Sports aufgekauften Premier-League-Mittelklasseverein Aston Villa - als Nachfolger des entlassenen Steven Gerrard.

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Von Sven Haist

Vor dem ersten Aufeinandertreffen an diesem Wochenende mit ihren jeweils neuen Klubs Aston Villa und Newcastle sprachen beide, Emery und Howe, bemerkenswert offen über die einst kuriose Situation. Howe gab zu, über Emerys Absage "sehr dankbar" gewesen zu sein. Dieser wiederum hieß im Stadionheft die Newcastle-Chefs aufs Herzlichste willkommen und drückte seinen Stolz über ihr Interesse aus. Es sei "ganz normal" gewesen, Newcastle als Option für sich "in Erwägung zu ziehen", aber er sei halt gleichzeitig auch bei Villarreal im Wort gestanden, sagte Emery diplomatisch.

Vermutlich passt der in England zuletzt wenig thematisierte Vorstadtklub Villa aus Birmingham sowieso viel besser zu ihm als gewissenhaften Arbeiter als der Leidenschaftsklub Newcastle. Seine größten Siege hat Emery bislang mit Außenseitern wie dem FC Sevilla und dem FC Villarreal gefeiert, die er beide zum Europa-League-Titel führte, ersteren sogar dreimal hintereinander. Wohingegen seine Anstrengungen bei den etablierten Spitzenvereinen Paris Saint-Germain und dem FC Arsenal mehr Verstimmungen als Erfolge auslösten. Und nun ist Emery, 51, mit Villa erneut auf bestem Weg, zu überraschen und sogar die Großklubs der Premier League zu düpieren.

3:0 gegen Newcastle - und plötzlich ist Champions-League-Fußball in Birmingham denkbar

Durch das beeindruckende 3:0 (1:0) über Champions-League-Anwärter Newcastle am Samstag gehört Villa nun plötzlich selbst zu einem Kandidaten für die Qualifikation zur Königsklasse. Der Verein ist seit acht Ligaspielen ungeschlagen, hat sieben davon gewonnen und mittlerweile fünf hintereinander. Eine solche Siegesserie legte der Klub in der ersten Liga zuletzt unter einem gewissen John Gregory im April 1998 hin - am Ende qualifizierten sich die Villans für den Europapokal. An dieses Ziel dürfe sein Team zwar denken, sagte Emery, aber nicht "jetzt", denn eine solche Endplatzierung sei "sehr, sehr schwierig". Schon jetzt ist Villa auf den sechsten Platz vorgerückt, der Rückstand auf Newcastle beträgt noch sechs Punkte.

Dabei stand der Klub bei der Emery-Übernahme im Herbst gerade mal einen Zähler vor den Abstiegsplätzen - und das, obwohl der Kader über Substanz verfügte, nachdem die Eigentümer 2019 und 2020 zusammen eine Viertelmilliarde Euro Ablöse in neue Spieler gesteckt hatten.

Der Aufschwung des Traditionsklubs, der seine beste Zeit vor rund einem Jahrhundert erlebte und mit jeweils sieben Meisterschaften und Pokalsiegen weiterhin zu den erfolgreichsten Vereinen in England zählt, lässt sich (neben Emery) an zwei Profis festmachen: Torwart Emiliano Martínez und Torjäger Ollie Watkins. Martínez machte bei der WM 2022 auf sich aufmerksam, als er Argentinien vor allem in zwei Elfmeterschießen mit famosen Paraden und seinem extrovertierten Torwartspiel maßgeblich zum Titel verhalf, darunter im Finale gegen Frankreich. Bei Villa hat er zuletzt nur zwei Gegentore in acht Partien kassiert. Die starke Defensivleistung um Abwehrchef Tyrone Mings drückt Emerys Einfluss aus, der seit jeher großen Wert aufs Kollektiv legt. Gerade bei gegnerischem Ballbesitz wirkt das Verhalten der Spieler so genau aufeinander abgestimmt, als würden sie einer Choreographie folgen.

Und vorne trifft der vor drei Jahren für 34 Millionen Euro vom FC Brentford geholte Stürmer Watkins derzeit sogar noch zuverlässiger als Manchester Citys Tormaschine Erling Haaland (der am Samstag beim 3:1 über Leicester zwei Tore erzielte): In zehn der vergangenen zwölf Ligaspiele netzte der Engländer ein, gegen Newcastle sogar doppelt (64. und 83. Minute), nachdem Jacob Ramsey die Führung für Villa in Minute elf markiert hatte.

In den ausstehenden Saisonspielen geht es für Aston Villa vorwiegend gegen Europapokal-Konkurrenten. Sollte Unai Emery mit seinem Team tatsächlich noch Newcastle United abfangen, wäre das wohl die passende Pointe.

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