Süddeutsche Zeitung

Umworbener Angreifer Robert Lewandowski:Trotzige Blase aus dem Netz

Vom Gerücht zur Nachricht und zurück: Im Internet wird der Eindruck erweckt, der Wechsel von Robert Lewandowski zum FC Bayern sei längst beschlossen. Tatsächlich ist es eher unwahrscheinlich, dass Dortmund seinen Ausnahme-Stürmer im Sommer zur Konkurrenz ziehen lässt - viel eher könnte der Pole ganz woanders landen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Schwer zu sagen, ob es amüsante, verquatschte Zeiten sind oder ob man sich Sorgen machen muss: um den Zustand des Journalismus, der im Überschwang der Berufsgruppe einst als vierte Gewalt in demokratischen Gesellschaften galt. Da im Internet-Zeitalter viele bei Wikipedia nachlesen müssen, was noch mal die drei ersten Gewalten waren, ist das aber vielleicht nur ein Nebenaspekt. Wenn das Internet heute wie ein trotziges Kind darauf besteht, dass Robert Lewandowski zum FC Bayern München wechselt - was sind dann rechtsgültige Verträge, Fakten, Logik gegen die geballte Wucht des Gerüchts?

Bei Borussia Dortmund wird die Tatsachen-Meldung, Torjäger Robert Lewandowski sei sich "mit dem FC Bayern so gut wie einig", inhaltlich bewusst nicht kommentiert. In Dortmund geben sie sich gelassen, und vermutlich sind sie es, weil sie sich schon länger von der Illusion verabschiedet hatten, ihr Stürmer würde bei ihnen über 2014 hinaus verlängern. Vorstandsboss Hans-Joachim Watzke hält den aktuellsten Aufschrei der Medien für "eine einzige Spekulationsblase".

Es werde keine einzige "Primärquelle" zitiert, das ganze Palaver um einen angeblich bereits feststehenden Transfer des polnischen Stürmers sei substanzlos. Watzkes Sportdirektor Michael Zorc sagt: "Es gibt keinen neuen Stand. Wir wissen von nichts." Fest steht wohl: Weder Lewandowski, noch seine beiden Berater, noch der FC Bayern sind beim BVB wegen eines geplanten Wechsels vorstellig geworden. Das heißt nicht, dass sie es in Dortmund nicht für plausibel und sogar wahrscheinlich hielten, dass der FC Bayern den Torjäger nach München lotsen möchte. Manche in Dortmund halten es auch für denkbar, dass die Gerüchte bewusst aus München oder von den Beratern des Spielers lanciert wurden.

Schon vor einiger Zeit wurde in Dortmund kolportiert, dass Lewandowskis Berater von der Agentur Eurosportsmanagement, Cesary Kucharski und Maik Barthel, ihren besten Mann für eine Jahresgage von zehn Millionen Euro bei Manchester United, Manchester City und Bayern München angeboten hätten. Kann sein, dass nicht einmal der Spieler selbst weiß, ob es so war. Die Summe dürfte aber ins Gehaltsgefüge der drei Klubs passen.

Beim BVB wird Lewandowskis Jahresgehalt auf 1,5 Millionen Euro taxiert - jedenfalls, so lange er sich weigert, seinen Vertrag über die bisherige Marke von 2014 zu verlängern. Fest steht, dass ManU-Manager Alex Ferguson öffentlich mitgeteilt hat, dass er mit van Persie, Rooney und Hernandez auf der Mittelstürmer-Position so gut ausgerüstet sei, dass jetzt kein Lewandowski mehr gebraucht werde. Auch sonst soll die Roadshow seiner Berater bisher wenig Zählbares gebracht haben.

In München gibt es auch mehrere Mittelstürmer, aber, davon geht man in Dortmund schon länger aus: Fürs Selbstwertgefühl könnte dem FC Bayern ein Coup um Lewandowski sehr gut tun. Die Münchner waren in jüngster Zeit in ihrem Werben um Spieler wie Hummels, Götze und Reus abgeblitzt, hinzu kommt die Rühr-Story um die Rückkehr von Nuri Sahin in die vermeintliche Dortmunder Nestwärme, mit der der Meister und Pokalsieger Dortmund erneut Image-Punkte bei Publikum und Sponsoren eingeheimst hat.

Fest steht: Wenn der FC Bayern Lewandowski im Sommer verpflichten will, wäre da noch die Frage zu lösen, wie der Pole aus seinem bis 2014 geltenden Vertrag herauskäme. Bild spekuliert bereits mit 30 Millionen Euro Ablöse. Praktisch dürfte es aber so sein, dass Dortmund seinem Stürmer keine Freigabe für den größten direkten Liga-Konkurrenten erteilen dürfte. Nicht einmal für 30 Millionen. Fest steht auch: Wenn der FC Bayern Lewandowski tatsächlich aus seinem laufenden Vertrag in Dortmund kaufen will, wird er spätestens zum Saisonende aus der Deckung kommen und beim BVB eine Aufwartung machen müssen. Manchester hat das im letzten Jahr getan und ist mit seinem Gebot von 25 Millionen Pfund abgeblitzt. Alex Ferguson holte dann Robin van Persie vom FC Arsenal.

Für den FC Bayern könnte es eine weitere Demütigung werden, wenn Dortmund, wie es Insidern den Anschein macht, ein öffentliches Angebot ablehnen würde. Der BVB könnte stattdessen einem ausländischen Gebot zustimmen, etwa von Juventus Turin oder aus der englischen Premier League. Watzke hatte schon früher ernsthaft betont: "Es kann für uns unter Umständen viel mehr Sinn machen, mit Robert noch ein Jahr, also bis zum Vertragsende zu spielen und mit ihm viel Geld in der Champions League zu verdienen."

Der BVB hat in der jetzt laufenden Saison bereits jetzt um die 40 Millionen Euro eingenommen - Ende offen. Wenige Tage vor dem DFB-Pokalhit zwischen den Bayern und Dortmund wird die Borussia KG auf Aktien außerdem ihr Halbjahresergebnis bekannt geben. Wie man aus dem Umfeld hört, sollen dabei ähnliche Rekordgewinne publiziert werden, wie sie das börsennotierte Fußball-Unternehmen bereits im letzten Herbst mit einem 34-Millionen-Überschuss verkünden konnte. Fest steht also: Dortmund ist auf Ablöse-Millionen für Lewandowski nicht angewiesen und könnte trotzdem am Transfermarkt einen Starstürmer als Ersatz holen. Vielleicht erst 2014 - je nachdem.

Diese Situation eines zwar nicht ebenbürtigen, aber finanziell unabhängigen Kontrahenten im eigenen Land hat der FC Bayern bisher noch nicht kennengelernt. Lewandowski selbst versuchte sich am Mittwoch in beruhigenden Worten: Vor dem Sommer werde nichts entschieden. Er wolle sich auf Dortmund konzentrieren.

Gut möglich, dass den Zauberlehrlingen das Internet aus den Händen geglitten ist. Die juristischen und wirtschaftlichen Realitäten geben Dortmund einen langen Hebel in die Hand. Wenn der BVB es will, spielt Lewandowski bis Sommer 2014 in Schwarzgelb. Der ohnehin nur mäßigen Beliebtheit des Torjägers in der Mannschaft wird das Twittern im Karton nicht gerade nützen. Die Mehrzahl seiner Teamkameraden nimmt "Lewi" als Torjäger, mehr nicht. "Wenn er geht", sagt einer seiner Mitspieler, "macht eben ein anderer die Tore."

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SZ vom 07.02.2013/jbe
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