Fußball-Fans:Support für Krankenhaus und Supermarkt

Lesezeit: 3 Min.

Dortmunder Ultras fordern Unterstützung für die Pflegekräfte. (Foto: imago images/Friedrich Stark)
  • In der Coronakrise organisieren viele Ultra-Gruppen Hilfe für karitative und soziale Organisationen oder machen selbst Besorgungen für Risikopatienten.
  • In vielen Städten zeigen die Fußball-Fans auch Plakate, um Supermarkt- oder Krankenhauspersonal zu unterstützen.

Von Sebastian Fischer

Wer am Samstag mit dem Auto durch Dortmund fuhr, was ja noch nicht verboten ist, kam mit großer Wahrscheinlichkeit an einem von fünf Spruchbändern mit eindringlichen Botschaften vorbei. "Egal ob Pflegekraft oder Verkäuferin - Euer Einsatz gehört belohnt!", stand etwa an der Brücke vor der Autobahnausfahrt zum Stadtteil Barop, in schwarzen Buchstaben auf gelbem Grund. Auf einem Plakat also, wie es sonst an Bundesliga-Spieltagen auf der Südtribüne im Westfalenstadion gezeigt wird.

Es mutet in Tagen des Ausnahmezustands wegen der Corona-Pandemie ziemlich kurios an, aber es ist erst drei Wochen her, da wurde in Deutschland aufgeregt darüber diskutiert, ob der Fußball ein Problem mit seinen Fans hat. Dietmar Hopp, Mäzen der TSG Hoffenheim, war von Ultras im ganzen Land geschmacklos beleidigt worden, als Ausdruck des Protests gegen die Kommerzialisierung des Sports und die Politik des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Nun sind es vielerorts dieselben Ultras, die mit sozialem Engagement und Solidarität auffallen.

Ein Plakat der Fans von Union Berlin. (Foto: Matthias Koch/imago)

Die Ersten, glaube er, seien die Ultras des VfB Stuttgart gewesen, sagt Oliver Ricken, der für die Dortmunder Fans vom "Bündnis Südtribüne" spricht. "Wir müssen was machen", dieses Gewissen sei innerhalb des Fan-Bündnisses schnell gewachsen; etwas, das der Malocher-Mentalität im Ruhrgebiet entspreche. Sie riefen untereinander zur Mithilfe auf, verteilten die Rollen, entwarfen Schichtpläne, verteilten Flyer in Arztpraxen und Apotheken.

Und so sind seit Beginn dieser Woche BVB-Anhänger, unter anderem von drei Ultra-Gruppierungen, in der Stadt unterwegs, um Einkäufe und Medikamente an Menschen aus der Risikogruppe zu liefern, die sich telefonisch mit dem Wunsch nach Unterstützung melden können. Ähnliche Initiativen gibt es in zahlreichen Szenen der anderen Profiklubs, bis hinunter in die Regionalligen. Der Journalist Felix Tamsut hat auf seinem Twitter-Account eine Liste der Initiativen zusammengestellt.

Fans in Gelsenkirchen packen mit Hilfe des FC Schalke 04 "Kumpelkisten", beim 1. FC Nürnberg unterstützen die Ultras eine vom Verein initiierte Einkaufshilfe, andere sammeln für die Tafeln, rufen zum Blut spenden auf, tun sich mit lokalen Hilfsorganisationen zusammen. Hinzu kommen die Plakate. "Ihr rackert, um die Regale für uns zu füllen, sitzt mit Handschuhen an der Kasse, um den Betrieb für uns aufrecht zu erhalten" schrieben die Ultras von Darmstadt 98 in Briefen, die sie an rund 70 Supermärkte klebten: "Seid stark und haltet durch - jetzt kitzeln wir die letzten fünf Prozent aus Euch raus!" Fans des VfL Osnabrück reimten auf einem Banner vor einem Krankenhaus: "Dankbarkeit und Zuversicht - Das schafft Ihr mit jeder Schicht."

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Nun ist es nicht neu, dass Ultras die Unterstützung ihres Vereins auch als soziales Engagement verstehen, sich etwa gegen Rechtsextremismus engagieren. Doch die Sichtbarkeit ihrer Aktionen ist gerade so außergewöhnlich, dass Sig Zelt, Sprecher des Bündnisses ProFans, der Deutschen Presse-Agentur sagte: "Ich hoffe, dass das auch den Ruf der Ultras etwas verbessert." Noch vor drei Wochen hatte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, die Aktivitäten der Münchner Fans im Auswärtsblock der TSG Hoffenheim, als Hopp-Schmähungen beinahe zum Spielabbruch führten, "das ganz hässliche Gesicht des FC Bayern" genannt. Am Samstag teilte der FC Bayern auf einem seiner Kanäle in den sozialen Netzwerken das Foto eines von Fans an einer Autobahnbrücke aufgehängten Plakats: "Bleibt's dahoam, seid's solidarisch", steht darauf.

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Der BVB-Fan Oliver Ricken kann nicht genau sagen, ob die Menschen in Dortmund von der Hilfe der Fans überrascht sind - die Gespräche an der Türe sollen ja knappgehalten werden, um keine Infektionen zu riskieren. Ja, sagt er, Zustimmung sei natürlich schön. Doch er glaubt eher nicht, dass sich die öffentliche Meinung über Fußballfans und Ultras in diesen Tagen grundlegend ändert. Und er sagt auch: "Das ist für uns total irrelevant." Es gehe ja nicht um eine PR-Show, sondern um Hilfe für Bedürftige.

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Ricken, an Spieltagen einer von fünf Vorsängern auf der Dortmunder Südtribüne, ist übrigens gerade auch der Sport recht unwichtig, dem er sonst so viel Zeit widmet. "Ich habe in den letzten zwei Wochen so wenig über Fußball geredet wie noch nie", sagt er. Und so habe er sich auch noch gar nicht viele Gedanken gemacht, wie es beim BVB weitergehen kann; was etwa seine Meinung ist zu den Wünschen aus der Branche, die Bundesligasaison irgendwie mit Geisterspielen ohne Publikum zu Ende spielen zu wollen, um das Überleben der Liga zu sichern.

An anderen Standorten richtet sich das Engagement der Fans auch ganz konkret daran, dem eigenen Klub zu helfen. Fans des Drittligisten Hansa Rostock riefen etwa dazu auf, den Fan-Shop leer zu kaufen. In Dortmund ist so etwas eher nicht nötig, im Gegenteil: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke musste sich Kritik gefallen lassen, als er vor einer Woche Solidarität mit wirtschaftlich schwächeren Bundesligisten im Sportschau-Interview hintanstellte.

Wenn es um die Solidarität geht, die der Fußball leisten kann, sagt Ricken, dass er sich als Fan mehr solcher Hilfs-Initiativen erhofft wie jene der Bayern-Profis Leon Goretzka und Joshua Kimmich, der sich am Freitag auch Dortmunds Abwehrspieler Mats Hummels anschloss. Die beiden Nationalspieler gründeten eine Spendeninitiative und gaben selbst eine Million Euro. Ricken sagt: "Es gibt wenige solcher Lichtblicke."

Doch derzeit, wie gesagt, haben für ihn ohnehin eher andere Dinge Priorität. Rund 80 Fans, erzählt er, würden in Dortmund inzwischen mithelfen, sie treffen sich zur Organisation in kleinen Gruppen im "Schmackes", dem derzeit geschlossenen Restaurant des früheren Dortmunders und derzeitigem Uerdinger Drittliga-Profis Kevin Großkreutz. Auch der Verein hat den Fans seine Hilfe angeboten. Bislang, sagt Ricken, haben sie die noch nicht benötigt.

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