Nada-Aufsichtsrat:Ullrichs Vergangenheit disqualifiziert ihn

Nada-Aufsichtsrat: Der SPD-Politiker Frank Ullrich war zu DDR-Zeiten ein erfolgreicher Biathlet und Trainer. Dass er in dieser Zeit in das Staatsdopingsystem verwickelt gewesen sei, bestreitet er seit Jahren.

Der SPD-Politiker Frank Ullrich war zu DDR-Zeiten ein erfolgreicher Biathlet und Trainer. Dass er in dieser Zeit in das Staatsdopingsystem verwickelt gewesen sei, bestreitet er seit Jahren.

(Foto: Thomas Trutschel/photothek/Imago)

Der frühere DDR-Biathlet Frank Ullrich zieht in den Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada ein - eine unvereinbare Kombination. An dem Gremium zeigt sich, dass der vorbildliche deutsche Anti-Doping-Kampf eher ein Märchen ist.

Kommentar von Johannes Aumüller

Also, man nehme den Vorstandsvorsitzenden des Nationalen Olympischen Komitees; außerdem einen langjährigen führenden Vertreter des NOK und einen der einflussreichsten Fachverbandspräsidenten; dazu den Chef der Organisation, die sich um die Förderung der Spitzenathleten kümmert, und eine aktive Sportlerin; eine Vertreterin des Sportministeriums sowie zwei Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Und als Krönung einen Sportpolitiker, der seine Athleten- und ersten Trainerjahre in einem Staatsdopingsystem verbracht hat. Fertig ist der Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur von - Russland? Iwo, weit gefehlt. Willkommen beim Kontrollorgan der Nada Deutschlands.

Deutschland rühmt sich gerne damit, im Anti-Doping-Kampf besonders toll, glaubwürdig und ergiebig aufgestellt zu sein. Doch das ist eher ein Märchen. Tatsächlich gibt es viele Schwachstellen, wie nicht nur die geringe Zahl an Positivtests und sanktionierten Athleten belegt. Zu den grundsätzlichen Aufstellungsproblemen gehört auch die Besetzung des Nada-Aufsichtsrates.

In dieser Woche ist es endlich einmal zu einer größeren Diskussion über das Gremium gekommen. Der Anlass ist der Einzug des früheren Biathleten und jetzigen SPD-Politikers Frank Ullrich in die Nada-Prüfrunde. Ullrich ist seit Dezember der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, dem aufgrund der Statuten automatisch ein Platz im Aufsichtsrat zusteht. Doch seine Vergangenheit disqualifiziert ihn für diesen Job.

Ullrich, 64, war über viele Jahre ein herausragender Biathlon-Repräsentant der DDR: erst als Athlet - unter anderem neun WM-Titel und ein Olympia-Gold -, später als Trainer. Aber mit Blick auf das damals praktizierte Staatsdopingsystem gab er stets den Ahnungs- und Schuldlosen. Auch aktuell beteuert er gegenüber der SZ, dass er sich weder etwas vorzuwerfen habe noch zu DDR-Zeiten in irgendwelche Doping-Verstrickungen verwickelt gewesen sei. Doch frühere Athleten werfen ihm genau das vor. Eine Kommission des Deutschen Skiverbandes, für den er nach der Wiedervereinigung als Biathlon- und Langlauf-Trainer tätig war attestierte ihm in den Nullerjahren aber einen "unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus", wenn er die berüchtigten blauen Pillen weiter für legale Mittel halte.

Warum sitzen der DOSB-Vorstandschef und der Sprecher der Spitzenverbände im Aufsichtsrat der Nada?

Diese Biografie lässt sich jedenfalls nicht vereinbaren mit einem Posten bei der Nada. Das sollte Ullrich am besten von sich aus rasch einsehen. Aber es wäre auch an anderen Beteiligten, klar Position zu beziehen, insbesondere im Bundesinnenministerium, das zirka zwei Drittel des zehn Millionen Euro umfassenden Nada-Etats stemmt. Doch das Ministerium mit Ullrichs SPD-Parteifreundin Nancy Faeser an der Spitze hält sich fatalerweise zurück.

In der Debatte um die Besetzung des Aufsichtsrates sollte es aber nicht bei einer Fokussierung auf die Personalie Ullrich bleiben. Auch mancher Interessenskonflikt muss gelöst werden. Da geht es nicht darum, jedes Mitglied mit Sporterfahrung oder Sportbezug zu bannen. Aber Torsten Burmester als Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbundes sollte dort ebenso wenig zu finden sein wie Ingo Weiss, der Präsident des Basketballverbandes und Sprecher aller Spitzenverbände.

Für eine angemessene Zusammenstellung lohnt ein Blick in die USA, deren nationale Anti-Doping-Agentur (Usada) wohl die effektivste des Globus ist und unter anderem das System des Radfahrers und Superdopers Lance Armstrong überführte. Das Kontrollorgan der Usada ist um Längen unabhängiger besetzt. Sportverbände sollen einen Teil zur Finanzierung des Anti-Doping-Kampfes beitragen, aber sich ansonsten von den maßgeblichen Nada-Gremien fernhalten.

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