Uli Hoeneß und die Steueraffäre:Muskeln zeigen - koste es, was es wolle

FC Bayern München - FC Barcelona

Uli Hoeneß bei der Choreografie vor dem Spiel gegen den FC Barcelona.

(Foto: dpa)

Dem größten Herausforderer den besten Mann abluchsen: Uli Hoeneß hat die Erfolgskultur des FC Bayern mit seiner Leidenschaft und seiner Strategie des großen Geldes geprägt. Das zeigt nicht zuletzt die Verpflichtung von Mario Götze. Nun wird sich möglicherweise herausstellen, ob der Verein auch ohne ihn funktioniert.

Von Klaus Hoeltzenbein

Die Reflexe stimmen immer noch. Wann immer den FC Bayern sportliche Probleme befielen, die sich nicht hausintern durch einen neuen Schweinsteiger, einen neuen Lahm lösen ließen, wenn also die eigene Talentschmiede nicht lieferte, versuchte der Klub, sich von seinen Problemen freizukaufen. Das glaubt er seinem Rekordmeisterstatus schuldig zu sein.

So war es 2007, als das französisch-italienische Offensivpaket Franck Ribéry/Luca Toni geschnürt wurde. So war es 2012, als die Herausforderer von Borussia Dortmund, die es gewagt hatten, zwei Meisterschaften in Serie zu gewinnen, mit einem 70-Millionen-Euro-Paket - also der geballten Kapitalkraft des Südens - ausgeknockt werden sollten.

In dieses Bild vom FC Bayern passt auch der Transfer, der am Dienstagmorgen als amtlich verkündet worden war: Mario Götze kommt. Schon im Sommer. Endlich ein Dortmunder, nicht irgendeiner, sondern für viele das größte Talent des deutschen Fußballs. Zwar hat Bayern die Dortmunder in der Liga-Tabelle derzeit wieder auf 20 Punkte distanziert, aber einen Spieler jener Mannschaft, die in den fünf Jahren unter Trainer Jürgen Klopp auf Augenhöhe herangekommen war, hatten sie trotz allen Bemühens bisher nicht ergattert.

Es passt ins Bild, dass das Auftauchen beider Nachrichten nur um Stunden auseinanderlag. Die von Götzes Transfer und jene vom Haftbefehl gegen Uli Hoeneß. Gegen jenen Mann, der wie kein Zweiter für die Kultur eines bedeutenden deutschen Wirtschaftsbetriebs - und nichts anderes ist die FC Bayern München AG - stand, der für das Geschäftsjahr 2011/2012 einen Umsatz von 373,4 Millionen Euro auswies. Jedes Dax-Unternehmen verdient ein Vielfaches, aber kein Vorstand, kein Aufsichtsrat ist weltbekannter als Uli Hoeneß, der das Einmaleins des Wirtschaftens in der elterlichen Metzgerei in Ulm erlernte.

Exemplarisch an der Personalie Götze zeigt sich die Hauskultur des FC Bayern, die in drei Jahrzehnten unter dem Klubmanager Uli Hoeneß entwickelt wurde: Muskeln zeigen, Kaufkraft demonstrieren - und dabei Polarisieren wie einst Franz Josef Strauß. Im Alltag entwickelte sich daraus die Strategie, dem größten Herausforderer den besten Mann abzuluchsen und mit den Sonnenstunden der Stadt München zu werben: So war es schon Mitte der Achtzigerjahre bei Lothar Matthäus (kam aus Mönchengladbach), Mitte der Neunziger beim Intermezzo des Trainers Otto Rehhagel (kam aus Bremen) oder im neuen Jahrtausend bei Michael Ballack (kam aus Leverkusen).

Die Spaltung im Fußballvolk ging deshalb schnell mitten durch die Republik. Manche lehnten dieses Geschäftsgebaren kategorisch ab; andere, die Roten, wie die Fans des FC Bayern heißen, vergötterten den Initiator; wieder andere entwickelten eine Sympathie dafür, wie sich da einer mit Leib und Seele für seinen Verein, seine Sache, seine Ziele einsetzt. Sie bewunderten Hoeneß für die Bayern-Erfolge. Und auch wenn sie in der Liga für Frankfurt oder Freiburg waren, viele hingen auch dem FC Bayern an, sobald es gegen Real Madrid oder Chelsea ging, die es auf dem Transfermarkt ja noch wilder trieben.

Seit November 2009 ist Hoeneß, 61, offiziell nicht mehr der Darsteller dieser Politik. Damals gab er das Manageramt ab, wurde Präsident und ließ sich in den Aufsichtsrat der FC Bayern München AG wählen. Ein repräsentatives Amt eigentlich, das mehr Zeit ließ für soziale Ambitionen, für Wohltätigkeit wie Stiftungsarbeit. Nur gab es immer wieder Momente, in denen nicht ganz klar war, in welcher Rolle Hoeneß gerade auftritt, um sein Lebenswerk wieder auf Kurs zu bringen.

Pep Guardiola wollte mit dem Präsidenten sprechen

Nach der Niederlage im Champions-League-Finale 2012 gegen Chelsea floh er aus der präsidialen Rolle und mischte in der Vorstandsarbeit mit, die von Karl-Heinz Rummenigge geleitet wird. Der erste Klubrepräsentant war plötzlich wieder operativ tätig. Er forcierte die Trennung von Manager Christian Nerlinger, den er einst für die Nachfolge auserwählt hatte. Er warb über stille Drähte den ehemaligen Nationalspieler Matthias Sammer als Nachfolger Nerlingers an. Der Vorstand wurde informiert, als alles nahezu fest verabredet war.

Ähnlich lief es kurz vor Weihnachten in New York. Pep Guardiola hatte den Präsidenten sprechen wollen. Wenn nun die Frage gestellt wird, ob und wie der FC Bayern ohne Hoeneß funktionieren kann, kommt dem Spanier eine Hauptrolle zu - neben Rummenigge, neben Sammer. Guardiola wird das Verdienst zugeschrieben, den FC Barcelona zu einem Weltklasseteam geformt zu haben.

Mit Barcelona spielte er so, wie Bayern künftig auftreten will: modern, gruppendynamisch, technisch hochversiert. Das ist heute notwendig, denn das alte Bayern-Prinzip (Stärke dich selbst, indem du den anderen schwächst) genügt längst nicht mehr. Guardiola hatte in New York eine einjährige Schaffenspause eingelegt, er konnte sich das Angebot aussuchen, und er entschied sich für den FC Bayern.

Auch Guardiola erlag der Überzeugungskraft des Uli Hoeneß, zumal dessen Klub als Musterbeispiel für seriöses Wirtschaften galt. Dies Urteil überprüfen jetzt Staatsanwälte und die Gerichte. Sie müssen sich ein Bild machen von dem Mann, dem der FC Bayern im Frühjahr 1979 anvertraut worden war, unmittelbar nachdem er seine Profikarriere wegen einer Knieverletzung mit nur 27 Jahren beenden musste. Und gleich nachdem er die Ära mit Müller, Maier, Beckenbauer, Breitner, Schwarzenbeck mitgeprägt hatte, in der die sportliche Basis des FC Bayern geschaffen wurde.

Ist Hoeneß' Präsidentschaft gesellschaftspolitisch durchzuhalten?

Festzuhalten ist, dass Steuerbetrug alles andere als ein Kavaliersdelikt ist. Darüber entscheidet die Justiz. Richtig ist nur auch, dass Uli Hoeneß durch sein nimmermüdes, streitbares Auftreten, durch seine Wirkung und Nebenwirkung im Fußball und anderswo, einen (Steuer-) Ertrag für die Allgemeinheit geschaffen hat, der den Wert der Steuerschuld wohl um ein Vielfaches übersteigt. Auch wenn daraus nie mildernde Umstände erwachsen werden.

Hoeneß ist jedoch klug genug, selbst darüber entscheiden zu können, ob und in welcher Rolle er künftig den FC Bayern begleiten, ob er ihm noch nützlich sein kann. Die Nachlassverwaltung ist mit Rummenigge, Sammer, Guardiola prominent besetzt. Bislang will Hoeneß nicht zurücktreten. Ob er Präsident bleiben kann? Gewählt ist er bis 2015 - bleibt die Frage, ob dieses Votum gesellschaftspolitisch durchzuhalten ist.

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