Süddeutsche Zeitung

DFL: Uli Hoeneß im Interview:"Um 2:39 Uhr stand meine Entscheidung"

Uli Hoeneß, Präsident und Aufsichtsratschef des FC Bayern, will nun doch nicht um den DFL-Vorsitz kandidieren. Ein Gespräch über seinen nächtlichen Sinneswandel.

Klaus Hoeltzenbein

SZ: Herr Hoeneß: Woher kommt der Sinneswandel über Nacht?

Hoeneß: Über Nacht ist richtig. Ich bin Montagfrüh um ein Uhr wach geworden, hab' anderthalb Stunden lang noch einmal alle Argumente geprüft, besonders jene, die die Familie vorgebracht hatte, und dann, ich hab' auf die Uhr geschaut, es war 2:39 Uhr, stand meine Entscheidung fest: Ich werde es nicht machen.

SZ: Das hätten Sie doch auch schon vorher ausloten können, zumal Sie Reinhard Rauball, den Amtsinhaber, vorige Woche telefonisch informiert hatten, dass Sie am 18. August in Berlin ins Duell mit ihm um den Vorsitz in der Deutschen Fußball Liga ziehen werden.

Hoeneß: Ich hatte ihn informiert, aber ich hatte meine Kandidatur offiziell bei der DFL noch nicht angemeldet. Die Unterlagen hätte ich bis zu diesem Dienstag einreichen müssen. Für mich ist so ein Vorgang erst abgeschlossen, wenn er offiziell eingegangen ist. Ich habe meine Entscheidung Herrn Rauball am Montag telefonisch mitgeteilt. Und nun wird der FC Bayern, nach dem Abschied von Karl-Heinz Rummenigge, vermutlich durch Karl Hopfner im Ligavorstand vertreten sein, da ich hoffe, dass er in Berlin in dieses Gremium gewählt wird. Für mich war die Kandidatur nach reiflicher Überlegung nicht mehr möglich, weil ich eines gemerkt habe: Ich würde in viel zu viele Interessenskonflikte geraten.

SZ: In welche?

Hoeneß: Es gibt hauptsächlich drei. Zunächst die Familie. Da hat der Familienrat getagt, und der war total dagegen. Dann die heftige Reaktion vieler Bayern-Mitglieder und Bayern-Fans, die befürchtet haben, ich könne in einer Tätigkeit für die gesamte Liga zu viel FC-Bayern-Knowhow weitergeben. Sie baten mich, die Identifikation mit dem Verein aufrecht zu erhalten. Punkt drei sind meine sozialen Ambitionen für Stiftungen oder andere Wohltätigkeits-Organisationen - das müsste ich alles aufgeben, und das war's mir am Ende nicht wert.

SZ: Und das alles hatten Sie vorher nicht gewusst?

Hoeneß: In dieser Intensität nicht. Das merkt man oft erst dann, wenn die Debatte läuft, wenn die Reaktionen kommen und wenn du merkst, dass du wahrscheinlich gewählt wirst ...

SZ: ... haben Sie die Pro- und Contra-Stimmen der 36 Erst- und Zweitligisten für Sie oder Reinhard Rauball mal in einer Art privaten Hochrechnung durchgezählt?

Hoeneß: Das nicht, aber ich habe viel Zuspruch bekommen. Und dann habe ich mal durchgerechnet, was das für ein zeitlicher Aufwand wäre, als DFL-Vorsitzender fünf Wochen mit zur Europameisterschaft, fünf Wochen repräsentieren bei der Weltmeisterschaft - und das habe ich dann der Familie gebeichtet.

SZ: Die Öffentlichkeit - außerhalb der Welt des FC Bayern - wird diesen Schlingerkurs nur schwer verstehen.

Hoeneß: Mag sein, dass da ein kleiner Makel bleibt. Aber lieber einmal im Leben Zickzackkurs, als später jahrelang unglücklich sein.

SZ: Aber die Gründe, die Sie überhaupt dazu bewogen haben, Ihre Kandidatur anzukündigen, die sind doch nicht aus der Welt, die bleiben doch.

Hoeneß: Ja, aber die Liga selbst ist jetzt nicht direkt in einem Notzustand.

SZ: Ein Grund, weshalb Sie nach stärkerem Einfluss in den Gremien von DFL und des Deutschen Fußball-Bundes DFB gestrebt haben, war ja der, dass Sie mit der Krisenmoderation in zentralen Fragen oft nicht einverstanden waren. Stichwort: Vertragsverlängerung für Bundestrainer Löw, Schiedsrichter-Affäre.

Hoeneß: Das stimmt, aber im Moment ist das nicht die Frage, ich möchte jetzt nicht als Schlaumeier auftreten. Wenn künftig jemand glaubt, mich zu brauchen, als Mittler, als Gesprächspartner, beispielsweise darüber, wie es bei der Entwicklung der Fernsehgelder für den Fußball weitergehen kann, dem werde ich mich nicht verweigern.

SZ: Wie heftig war das Veto der Fans, die Sie offenbar energisch daran erinnert haben, dass der FCBayern immer noch im sportlichen Konkurrenzkampf mit den 35 anderen deutschen Profiklubs steht, die sich unter dem Dach der DFL versammeln?

Hoeneß: Das war nicht zu unterschätzen. In der Nacht, in der ich mich entschieden habe, habe ich mir plötzlich vorgestellt, wie das denn sein würde: Der Ligapräsident überreicht ja am Saisonende die Meisterschale ... - und ich muss dann vielleicht nach Schalke. Nein, wie sollte das denn gehen?

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Quelle:
SZ vom 20.07.2010/leja
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