Uli Hoeneß auf Hauptversammlung des FC Bayern:"Bis ich nicht mehr atmen kann"

FC Bayern Muenchen AG - Annual General Meeting

Ein Mann des Volkes: Bayern-Präsident Uli Hoeneß

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Uli Hoeneß weint, das Volk jubelt: Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern München gerät zum identitätsstiftenden Familienfest. Der Präsident und sein Klub stellen ein für alle Mal klar, dass man die Steueraffäre zusammen durchstehen will.

Von Jonas Beckenkamp

Es ist nicht auszuschließen, dass Ulrich Hoeneß sich noch einen Muskelkater in den Fingern einhandelte, so viele Autogramme musste er schreiben. Da stand der Bayern-Präsident also auf der Bühne. Seiner Bühne. Und signierte auch wirklich jedem einen Fetzen Papier, der ihn darum bat. Als die Jahreshauptversammlung des Rekordmeisters zu Ende war, fügte sich alles zu einem Bild: Die Mitglieder huldigten ihrem Vereinsvater - und der nahm das Bad in der Menge gerne in Kauf.

Es war für beide Seiten ein durchaus schwärmerischer Abend gewesen. Hier der Präsident des FC Bayern München, der wegen seiner Steueraffäre um die Liebe des Volkes buhlte. Da die Fans, die ihrem Oberhaupt zur Seite standen und zu jeder Gelegenheit Ovationen spendeten. Hoeneß hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, damit es mit der Einigkeitsrevue auch klappt. Er zeigte Emotionen, er wetterte und weinte und schließlich sprach er jenen Satz, der seine Haltung ein für alle mal auf den Punkt brachte: "Ich werde diesem Verein dienen, bis ich nicht mehr atmen kann."

Damit war klar, was sich in den vergangenen Wochen schon verfestigt hatte: Eine vorrübergehende Amtsniederlegung oder gar ein Rücktritt von seinem Posten als Aufsichtsratschef der FC Bayern München AG kommt für Hoeneß nicht in Frage. Anklage wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe hin oder her - diese Krise will der Chef bis zum möglicherweise bitteren Ende aussitzen. Zur Legitimation ist ihm einzig das Vertrauen der Vereinsmitglieder heilig und das will er sich auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im neuen Jahr noch einmal offiziell bestätigen lassen.

Wie schon bei einigen öffentlichen Auftritten zuvor sprach der 61-Jährige davon, mit seinem Steuerbetrug "einen großen Fehler gemacht" zu haben. Das war's dann aber auch schon mit der Reue, schließlich habe er "wie viele andere Bürger in Deutschland eine Selbstanzeige anfertigen lassen", die er und seine Anwälte weiterhin für wirksam halten. In der Hoeneß'schen Wahrnehmung (und der vieler johlender Mitglieder) soll der Prozess gegen den Bayern-Boss vor allem fair - sprich: mit größtmöglicher Milde - geführt werden. Ob die Staatsanwaltschaft des Münchner Landgerichts II das auch so sieht?

Buhrufe werden von tosendem Beifall übertönt

Er hoffe, dass "die medialen Vorverurteilungen keinen Einfluss haben", sagte Hoeneß in seiner emotionalen, aber auch anpackenden Ansprache. "Meine Familie und ich haben keine leichte Zeit, seitdem die Sache bekannt geworden ist." Entscheidend sei für ihn, dass Rücktrittsforderungen nie aus dem Verein selbst kamen, sondern immer nur von außen. Dafür sei er den Vereinsangehörigen "unendlich dankbar. Ich bin stolz und werde Ihnen das nie vergessen." Falls es noch irgendwelche Zweifel gegeben hatte am Zusammenhalt der trotzigen Bayern-Familie, so war dies der knallig inszenierte Schulterschluss.

Von den Zuschauern war ohnehin kaum Kritik zu vernehmen. Die wenigen Buhrufe wurden einfach von tosendem Beifall übertönt. Die Gunst des Volkes hatte sich Hoeneß mit allen Mitteln erworben. Er lobte das Verhältnis zu den Ultras in der Südkurve ("Wir haben da jetzt eine Super-Stimmung"), gab den Pyrotechnik-Warner mit einem gewissen Verständnis ("Ich zünde auch mal gerne ein Feuerwerk an Silvester an"), schwärmte vom Rückhalt im Verein und spendierte Freibier, "aber erst nach der Veranstaltung". Und als Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ihn als "Freund seit 40 Jahren" und "Spiritus Rector" des FC Bayern bezeichnete, heulte Hoeneß einfach los.

Der Mann, der schon so viele verbale Kämpfe und Debatten geführt hat, der vor einigen Jahren an gleicher Stelle die eigenen Fans wüst beschimpfte ("Für die Scheißstimmung seid IHR doch verantwortlich"), dieser lebenspralle Patron sackte zusammen und schluchzte minutenlang vor sich hin. Es schien, als brauchte Hoeneß diese Gefühlsregung, um mit sich und den Seinen noch enger zusammenzurücken - und es fehlte nicht viel, dann hätten ihn ein paar Heißblüter aus der Menge einfach geknuddelt. So formte sich der versammelte FC Bayern an diesem Abend seine Vorstellung vom armen Uli H., dem es in dieser schweren Stunde doch zu helfen gelte.

Er habe "viel nachgedacht in letzter Zeit," erklärte der Gefeierte schließlich den wartenden Reportern, als alle Autogrammjäger bedient waren, "und ich habe schon mit Zustimmung gerechnet. Aber dass es so deutlich ausfällt, daran war nicht zu denken." Mit diesen Worten verabschiedete sich Ulrich Hoeneß in die Nacht. Der König war fort - und seine Untertanen blieben berauscht zurück.

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