Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Verbrannte Erde in der Grotenburg

Stadionmiete in Düsseldorf nicht bezahlt - und der Investor auf dem Absprung: Der KFC Uerdingen steht mal wieder vor einer ungewissen Zukunft.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Die "dringende Bitte an Fans und Medien, Ruhe zu bewahren", wurde am Donnerstag in Krefeld nicht über Lautsprecher aus langsam fahrenden Autos heraus verbreitet. Das hätte zwar dramatischer gewirkt, aber der Stadtteilklub KFC Uerdingen hat sich stattdessen mit einer gleichlautenden Mitteilung auf seiner Internetseite begnügt. Diese Fans! Und erst recht diese Medien! Letztere hat der Investor des Fußball-Drittligisten - Michail Ponomarew, 46, Russe mit Wahlheimat Meerbusch - sowieso gefressen. Nicht zu vergessen die Lokalpolitiker, die ihm und seinem Klub am Mittwoch die umfängliche Finanzierung einer Profifußball-gerechten Renovierung der örtlichen Stadionruine namens Grotenburg verweigert haben.

Aus diesem Grund müssen die Krefelder Fußballer schon seit eineinhalb Jahren zu jedem Heimspiel im benachbarten Düsseldorf antreten, wo teure Mieten für die Nutzung der Arena anfallen, die zuletzt vom KFC nicht pünktlich bezahlt worden sein sollen. Mit dem Arena-Betreiber sei eine Vereinbarung getroffen worden, erklärte der Verein. Das angeblich gefährdete Ligaspiel gegen Türkgücü München am Samstag finde wie geplant statt, hieß es. Bereits am Montag soll dann allerdings laut Medienberichten eine Zahlung fällig werden: ausstehende Mieten über insgesamt knapp eine Viertelmillion Euro.

Investor Ponomarew will spätestens nächsten Sommer wieder aussteigen

Ponomarew, der vor fünf Jahren relevante Anteile der Uerdinger Fußball-GmbH übernommen hatte und sich ein Jahr später auch noch zum Präsidenten des letztlich entscheidungsbefugten Vereins wählen ließ, will beim KFC spätestens im nächsten Sommer wieder aussteigen. Die Gründe für seinen geplanten Rückzug liegen auf der Hand: kein Stadion, Corona-bedingt keine Fans, momentan kaum sportlicher Erfolg - und trotz all dieser Defizite laufende Kosten, die nicht zuletzt bei den Spielergehältern eher auf Zweitliganiveau liegen. Als der gefeuerte 2014-Weltmeister Kevin Großkreutz kürzlich ausstehende Gehälter plus eine Abfindung in der Gesamthöhe von 442 500 Euro einklagte, erfuhr man, dass er beim KFC monatlich etwa 50 000 Euro verdient hat.

Der Knackpunkt der finanziellen Schieflage des Klubs ist: In der zweiten Liga, in die Ponomarew den KFC eigentlich mit aller Macht führen wollte, bekäme man auf der Einnahmenseite relevant höhere Fernsehgelder - in der dritten Liga nicht. Was aber machen sie bloß mit Ponomarews Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Krefeld anlässlich des Drittliga-Aufstiegs 2018, wenn sich der Russe tatsächlich zurückzieht? Kann da Tipp-Ex verwendet werden?

KFC hat mitgeteilt, es gebe derzeit "konstruktive Gespräche mit potenziellen Investoren"

Ponomarew droht jedenfalls verbrannte Erde zu hinterlassen. In diversen Medien werden bereits Nachrufe verfasst auf diesen Verein, der zu seinen besten Zeiten als Bundesligist Bayer 05 Uerdingen sogar im Europapokal mitspielte, nach dem Ausstieg des Namenssponsors aber bis in die fünfte Liga abstürzte und 2003, 2005 und 2007 insgesamt drei Insolvenzen erlitt. Stiege Ponomarew ohne Nachfolgelösung aus, wäre womöglich die vierte Insolvenz fällig. Und das wäre vielleicht die letzte.

Unvergessen ist, wie im Oktober 2019 der damalige Spieler Manuel Konrad einen Kabinen-Ausraster Pomomarews nach einem verlorenen Spiel anschaulich schilderte: "Er schmiss Tische durch die Gegend und schlug mit der Faust gegen den Kühlschrank, geisteskrank, ein Monster in der Kabine. Hätte der ein Messer gehabt, der hätte uns gemetzelt." Im selben Monat heuerte Stefan Effenberg als Manager beim KFC an, blieb aber nur bis Mai 2020. Seit Ponomarew 2015 als Eigentümer angetreten war, hatte die Mannschaft 15 Trainer. Das ergibt im Schnitt drei pro Kalenderjahr. Im März 2019, mal als Beispiel, entließ Ponomarew nach nur 40 Tagen Norbert Meier und bezeichnete ihn hinterher als "schlechtesten Trainer der KFC-Geschichte".

Der Verein hat soeben mitgeteilt, es gebe derzeit "konstruktive Gespräche mit potenziellen Investoren". Noch ist der KFC Uerdingen also nicht Geschichte

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