Süddeutsche Zeitung

Drittligist:Theatertage in Uerdingen

Lesezeit: 3 min

Von Ludwig Haas

Dem KFC Uerdingen ist nicht abzusprechen, dass er von einer großen Zukunft träumt, und diese rosigen Aussichten haben ein konkretes nächstes Etappenziel: den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Die hohen Ambitionen des Fußballklubs haben vor allem mit Michail Ponomarev zu tun. Seit der 43-jährige Russe beim KFC 2016 als Sponsor und Präsident einstieg, ging es bergauf - der ehemalige Bundesligist stieg in nur zwei Jahren von der fünften in die dritte Liga auf. Langfristig ist der Durchmarsch in die erste Liga das Ziel - dank der Finanzkraft von Ponomarev, der auch beim Eishockey-Klub Krefelder Pinguine aktiv ist.

Doch in den vergangenen Wochen zogen plötzlich dunkle Wolken auf im Krefelder Stadtteil Uerdingen. Obwohl sich die sportliche Lage - der KFC liegt momentan in Liga drei auf Platz vier - auch in dieser Saison bisher durchaus positiv darstellt, wurde überraschend die Trennung von Trainer Stefan Krämer verkündet. Für Krämers Abschied alleine zwei Niederlagen hintereinander verantwortlich zu machen, hätte überhastet gewirkt. Doch Ponomarev ergänzte vielsagend, man habe "zuletzt leider zu oft unterschiedliche Vorstellung und Sichtweisen" gehabt. Dem Vernehmen nach hatten Präsident und Trainer abweichende Grundansichten zur Zukunft und Ausrichtung des KFC.

Nach Krämers Entlassung attestierte die Rheinische Post Ponomarev einen "unternehmensorientierten Führungsstil". Erst eine Woche später präsentierte Uerdingen den neuen Trainer: den erstliga-erfahrenen Norbert Meier, 60. Zuvor allerdings wurde heiß über große Namen diskutiert, über Felix Magath und vor allem: über Stefan Effenberg.

Für den 50-Jährigen wäre es nach seiner mäßig erfolgreichen Zeit beim SC Paderborn die zweite Trainerstation gewesen. Da Effenberg das letzte KFC-Spiel mit Krämer (0:3 gegen Würzburg) auf der Tribüne neben Ponomarev und Geschäftsführer Weinhart angeschaut hatte, galt er tagelang als Favorit aufs Traineramt - bis die Wahl auf Norbert Meier fiel, der zwar auch schon viel erlebt hat im deutschen Profifußball, dessen Verpflichtung aber weniger hohe Wellen schlägt als ein Effenberg-Engagement.

Im Januar wurde das Team in größerem Ausmaß verändert

Der Kader, mit dem Meier nun den Aufstieg realisieren soll, bildet die hohen Ambitionen des KFC ab: Spieler wie Weltmeister Kevin Großkreutz, Dominik Maroh, Stefan Aigner und Maximilian Beister besitzen reichlich Bundesliga-Erfahrung, auch Winterzugang Assani Lukimya und Adam Matuzczyk kennt Meier bereits aus gemeinsamen Zeiten in Düsseldorf. Diese Fortuna-Connection beim KFC ist aber nicht der einzige Faktor, warum sich Meier schnell heimisch fühlen sollte. Das Stadion des MSV Duisburg, nur etwa 12 Kilometer Luftlinie entfernt, dient Uerdingen in dieser Saison vorübergehend als Heimstätte, und genau in dieser Arena sorgte Meier als MSV-Trainer 2005 für einen denkwürdigen Moment der Bundesliga-Historie: Nach einem Disput am Seitenrand mit dem Kölner Spieler Albert Streit ging Meier zu Boden, als habe ihm Streit einen Kopfstoß verpasst. TV-Bilder entlarvten dies als theatralisches Hinfallen.

Die Uerdinger Mannschaft wurde im Transfermonat Januar teils unvermittelt in größerem Ausmaß verändert: Neben Lukimya wurden für viel Geld neue Spieler geholt. So kam nach längerer Transferposse der Angreifer Adriano Grimaldi vom Ligakonkurrenten 1860 München, dazu Osayamen Osawe vom FC Ingolstadt und Mittelfeldspieler Roberto Rodriguez aus Zürich. Für Aufsehen sorgte aber auch der Abschied von zwei Leistungsträgern: Christopher Schorch und Tanju Öztürk wurden aus disziplinarischen Gründen freigestellt. Beide genossen hohes Ansehen im Uerdinger Team, Schorch war stellvertretender Kapitän, Öztürk Mitglied des Mannschaftsrates. Laut Medienberichten soll sich hinter dem Doppel-Rauswurf ein Vorfall im Wintertrainingslager in Belek verbergen, den der alte Trainer Krämer nicht sanktioniert hatte.

Wie groß die Unruhe im Klub nach all diesen Ereignissen war, zeigte zuletzt auch die Einladung zu einer Pressekonferenz, bei der es den Journalisten untersagt wurde, Fragen zu Themen zu stellen, die nichts mit dem nächsten Spiel zu tun hätten. Am Vorwochenende folgte dann auch noch unter Interimscoach Stefan Reisinger ein bitteres 2:3 in Meppen - bis zur 84. Minute hatte der KFC gegen den Abstiegskandidaten 2:0 geführt.

Meier hat nun die Aufgabe, den Nebel zu lichten und mit dem Team den Ambitionen des Präsidenten gerecht zu werden. Als erstes hielt der neue Trainer ein Plädoyer für Zusammenhalt: "Die dritte Liga ist sehr speziell, da geht viel über Teamgeist. Uns muss es gelingen, die individuelle Qualität mit Teamgeist zu paaren, dazu gehören die Mannschaft, der ganze Staff und der Schulterschluss mit den Fans." Die erste Prüfung für Meier ist an diesem Samstag die Liga-Partie gegen 1860 München.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4317829
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.02.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.