Uefa und die Fankrawalle:Maulkörbe in Platinis Reich

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Was Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit dümpelt die Uefa unter Michel Platini irgendwo im Mittelalter herum. Das erklärt auch, warum sie kein Problem damit hat, Fragen zum heiklen Thema Ausschreitungen bei der EM zu verbieten.

Thomas Kistner

Für alle, die es noch gar nicht wussten: Wir schreiben das Jahr 2012. Ehrlich! Und nicht 1012, wie es der Kalender bei der Europäischen Fußballunion anzeigt. Diese Uefa, das war mal der modernste unter den großen Sportverbänden, geführt von professionellen Hauptamtlichen, die Maßstäbe setzten von der Betrugsbekämpfung bis zur Entwicklungshilfe.

Polizisten im Stadion beim Spiel Polen gegen Russland. Am Rande der Begegnung kam es zu schweren Ausschreitungen. (Foto: dapd)

Unter Michel Platini, Typ gelernter Fußballer, ist die Uefa ab 2007 sportpolitisch stark in Richtung seines Stimmvolks abgedriftet, sprich: in den wilden Osten. Was Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit angeht, dümpelt sie nun irgendwo im Mittelalter; das erklärt, warum sie kein Problem damit hat, Fragen zum heiklen Thema Fanrandale bei der EM zu verbieten. Einfach so.

Maulkörbe werden im Reich Platinis so ungeniert verteilt, dass sie sich schon als Wappensymbol aufdrängen. Die Liste reicht vom Redeverbot, das Platini dem DFB-Teamkapitän Lahm zum Themenkreis Ukraine empfohlen hatte, bis zu der skanda- lösen Art, in der die Uefa einen Funktionär mundtot machte, der ihr Belege für angebliche Korruption bei der Vergabe dieses EM-Turniers liefern wollte.

Dem Whistleblower wurde sogar der Besuch bei der Uefa verweigert, dann wurde er juristisch derart unter Druck gesetzt, dass er sich zurückzog - und bis heute niemand weiß, wie hart seine Belege waren für einen Verdacht, der ja alles andere als irreal ist im Fußballgeschäft.

Fan-Krawalle in Warschau
:Provokation und Prügelei

Die ganze Innenstadt eine einzige Hochsicherheitszone: Russischen und polnische Fans haben sich vor dem Duell ihrer Mannschaften eine Massenschlägerei geliefert. Auch während des Spiel kehrte keine Ruhe ein.

Platini, Zögling von Fifa-Chef Sepp Blatter, erteilt sich zuweilen auch gern selbst Redeverbot. Dass er im Weltverband für die Vergabe der WM 2022 nach Katar gestimmt hat, wo es im Sommer 50 Grad heiß wird, behielt er so lange für sich, bis aufflog, dass sein Sohn beim Großinvestor Qatar Sport Investment als Topmanager angeheuert hat. Der ökonomische Umgang mit harten sportlichen Wahrheiten hat also Tradition.

Oder ist alles nur eine Frage der Perspektive? Schauen wir auf die TV-Bilder von der EM, die der stillen Regie der Uefa unterliegen und konsequent ins Off schweifen, wenn Dinge zu sehen sind, die das Heile-Welt-Bild stören könnten. Dass die Uefa die Exzesse russischer Fans nun hart ahndet, entschuldigt ja nicht, dass sie die Realität unterschlägt. Kaum eine Sekunde sah man den Nackedei, der in Kiew über den Rasen flitzte.

Pyros, Spruchbänder und leere Ränge werden ausgeblendet wie manche Ehrentribüne, die aus bekannten Gründen nur mit regionalen Statthaltern besetzt ist, umrahmt von Platini und Co. Denen hier trotzdem gratuliert sei, mit ihrem eigenen Slogan: Respekt! Solange sich die Geldgeber dieser Kommerzsause die mittelalterliche Behandlung gefallen lassen, hat die Uefa alles richtig gemacht.

© SZ vom 14.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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