Demirals Wolfsgruß im EM-Achtelfinale:Uefa-Sanktion mit politischer Brisanz

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Merih Demiral jubelte gegen Österreich mit einer Geste, die ihm nun eine Sperre einbringt. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Der türkische Fußball-Nationalspieler Merih Demiral wird für zwei Spiele gesperrt, der türkische Präsident Erdoğan kündigt seinen Besuch im Berliner Stadion an: Die Kontroverse überschattet das Viertelfinale.

Von Ferdinand Schwarz

Der türkische Fußball-Nationalspieler Merih Demiral ist von der Uefa für das Zeigen des Wolfsgrußes für zwei Spiele gesperrt worden. Demiral wird somit das EM-Viertelfinale der Türkei gegen die Niederlande am Samstag verpassen. Die Kontroverse schwelt unterdessen weiter und zieht Kreise bis in die höchste Ebene der türkischen Politik – zumal der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seinen Besuch der Partie in Berlin angekündigt hat.

Der 26-jährige Demiral hatte im Achtelfinale gegen Österreich sein zweites Tor mit dem Wolfsgruß gefeiert, dem Symbol der rechtsextremen Ülkücü-Bewegung, deren Anhänger „Graue Wölfe“ genannt werden. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) wertet die Geste als einen Verstoß gegen „die Grundregeln des anständigen Verhaltens“, der Spieler habe „eine Sportveranstaltung für unsportliche Äußerungen genutzt“ und „den Fußballsport in Verruf gebracht“. Der türkische Sender TRT sieht in der Sperre einen „Skandal“. Laut türkischer Medienberichte erwog der Fußballverband eine Berufung gegen das Urteil beim internationalen Sportgerichtshof Cas, doch das ist nach den Uefa-Statuten bei Sperren bis zu zwei Spielen nicht möglich.

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Auch Präsident Erdoğan hält die Kritik an der Wolfsgruß-Geste offenbar für übertrieben. Demiral habe lediglich seine „Begeisterung“ gezeigt, sagte Erdoğan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. „Hoffentlich ist die ganze Sache am Samstag erledigt, wenn wir das Spielfeld als Sieger verlassen und in die nächste Runde aufsteigen“, wird der türkische Präsident zitiert.

Die Geste Demirals hatte bereits unter der Woche für Diskussionen gesorgt. Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, „die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen“. Daraufhin bestellte das türkische Außenministerium den deutschen Botschafter in Ankara ein und erklärte, die Untersuchung des Verbands sei „inakzeptabel“, die Reaktionen der deutschen Behörden „ausländerfeindlich“. Das Auswärtige Amt wiederum bestellte den türkischen Botschafter ein – „um die Sache zu besprechen“, wie das Ministerium mitteilte.

Vom Tisch ist die Sache nach der Zwei-Spiele-Sperre für Demiral allerdings keinesfalls, im Gegenteil: Eine Fan-Vereinigung forderte die türkischen Fans für Samstag auf, während der Nationalhymne den Wolfsgruß zu zeigen. Präsident Erdoğan reist offenbar kurz entschlossen nach Berlin und sagte dafür einen Besuch in Aserbaidschan ab. Vor dem Hintergrund der Debatte ist dieser Auftritt nicht ohne diplomatische Brisanz. So hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfBV) von der Bundesregierung bereits eine Reaktion gefordert für den hypothetischen Fall, dass Erdoğan ebenfalls den Wolfsgruß zeigen sollte – dies „wäre ein gezielter Affront, der nicht hingenommen werden darf“, sagte Kamal Sido, Nahostreferent der GfBV.

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Der Gruß der „Grauen Wölfe“ ist in Deutschland nicht verboten. Er gilt als Erkennungszeichen einer Bewegung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei entstand. Kerngedanke der Vereinigung ist es, alle Türk-Völker vom Balkan bis nach Westchina unter der Führung der Türkei zu vereinen. Dabei vertreten die Anhänger ein rassistisches und antisemitisches Weltbild. In Deutschland sollen den „Grauen Wölfen“ laut Verfassungsschutz rund 12 000 Personen angehören, was sie zur größten rechtsextremen Bewegung des Landes macht.

Innerhalb der Türkei sorgt die Gruppe samt Gruß für weniger Diskussionen: Die Bewegung steht der Partei MHP nahe, die zum Regierungsbündnis von Präsident Erdoğan gehört. Politiker der Mitte nutzen das Symbol im Wahlkampf, um Wähler aus dem nationalistischen Lager zu gewinnen.

Demiral selbst äußerte sich zum Urteil der Uefa bis Freitagnachmittag nicht, hatte aber unter der Woche versichert, dass keine „versteckte Botschaft“ hinter der Geste stehe. Sportlich wiegt der Ausfall Demirals für die Türkei schwer. Der Innenverteidiger von Al-Ahli absolvierte zwar nur zwei der vier Partien, wurde aber im Achtelfinale gegen Österreich wegen seiner zwei Treffer als „Man of the Match“ ausgezeichnet.

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