Nachfolger des Financial Fair Play:Neue Regeln für den Wilden Westen

Nachfolger des Financial Fair Play: PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi (hier mit Lionel Messi) war an den Verhandlungen entscheidend beteiligt.

PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi (hier mit Lionel Messi) war an den Verhandlungen entscheidend beteiligt.

(Foto: Stephane de Sakutin/AFP)

Die Uefa stellt mit "Financial Sustainability" neue Richtlinien auf, um den Finanzflüssen im Fußball Herr zu werden. Künftig dürfen nur noch 70 Prozent der Einnahmen in den Kader fließen - Investoren dürfen aber auch mehr Geld zuschießen.

Von Martin Schneider

Man kann darüber diskutieren, wann das alte Financial Fair Play (FFP) der Uefa wirklich am Ende war. Erst mit der offiziellen Aussetzung zur Corona-Pandemie? Oder vielleicht doch schon an dem Tag, an dem der Internationale Sportgerichtshof Cas Manchester City freisprach? Einen Klub, der offensichtlich gegen die Regeln verstoßen hatte, vom europäischen Fußballverband Uefa auch für die Champions League gesperrt wurde, in letzter Konsequenz aber keine Konsequenzen tragen musste. Oder hat die berühmte Regel, wonach man als Klub grob gesagt nicht mehr Geld ausgeben darf als man einnimmt, in Wirklichkeit nie funktioniert?

Es gab im Prinzip immer zwei Meinungen. Die einen sagten, FFP sei ein Papiertiger, eine Scheingrenze, leicht zu umgehen und eh nicht durchsetzbar. Siehe Manchester City. Die anderen sagten: besser eine schwache Regel als gar keine Regel. Wenn sich im Straßenverkehr niemand an das "Tempo 50"-Schild hält und alle 70 fahren ist das immer noch besser, als das Schild abzubauen und dabei zuzugucken, wie mit 100 durchgebrettert wird.

Nun ist Financial Fair Play endgültig Geschichte, die Uefa hat es auf der Sitzung des Exekutivkomitees am Donnerstag offiziell ersetzt durch eine neue Regel, die sie "Financial Sustainability Regulations" (Finanzielle Nachhaltigkeitsregeln) nennt; vielleicht auch deswegen, weil Financial Fair Play 2 eine in Pandemiezeiten missverständliche Abkürzung hätte (FFP2). Es ist jedenfalls der nächste Versuch, den Wilden Westen namens Fußball-Markt irgendwie zu zähmen.

Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit der Klubs soll künftig vier Mal pro Jahr erfolgen

Die neuen Regeln gelten ab Juni 2022 und sollen über drei Jahre hinweg implementiert werden. Der wichtigste Punkt: Ab dem Jahr 2025 dürfen nur noch 70 Prozent der Einnahmen jedes Klubs in Spielergehälter, Beraterhonorare und Transfersummen gesteckt werden. Bisher waren zumindest in der Theorie 100 Prozent möglich, nun erfolgt in den kommenden drei Jahren eine gestaffelte Verschärfung (90-80-70 Prozent).

Über drei Jahre hinweg dürfen nun allerdings insgesamt 60 Millionen Euro Defizit von externen Geldgebern ausgeglichen werden, bisher waren 30 Millionen Euro erlaubt. Das Defizit kann sogar noch auf 90 Millionen steigen für Klubs mit "guter Finanzgrundlage". Verstöße sollen durch vorab definierte Geld- und auch sportliche Strafen geahndet werden. Denkbar wären Transferverbote, Punktabzüge oder Abstiege in einen tieferen europäischen Wettbewerb, also von der Champions League in die Europa League, doch die Uefa präzisiert den Punkt noch nicht. Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit der Klubs soll künftig vier Mal pro Jahr erfolgen, einmal durch nationale Lizenzkontrolleure, dreimal durch die Uefa-Finanzexperten.

Damit ist klar, dass es nur eine relative und keine absolute Ausgabendeckelung gibt - also keine fixe Gehaltsobergrenze, wie auch mal diskutiert wurde. Es gibt nun einen größeren, aber zumindest keinen unbegrenzten Zufluss von Geldern, wie ihn die Bundesliga zwischenzeitlich fürchtete. Auch die Existenz von sportlichen Sanktionen ist im Gesamtkontext wichtig, da Geldstrafen manche Klubs eher weniger abgeschreckt hätten.

An dem mächtigen Zusammenschluss von Fußball-Klubs ECA kann man gut die unterschiedlichen Positionen sehen

Mitentscheidend im neuen System wird sein, ob die Strafen diesmal auch durchgesetzt werden - und wie die Definition von "Einnahmen" lautet. Wenn Manchester City etwa Scheichs aus Abu Dhabi gehört und die staatliche Fluglinie der Emirate der Hauptsponsor ist, dann muss der Vertrag schon "marktüblich" sein, sonst verschwimmen die Grenzen zwischen Einnahmen und Investments.

"In diesem Prozess mussten sehr viele unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn vor ein paar Tagen bei einem Treffen der European Club Association (ECA). Die ECA ist ein mächtiger Zusammenschluss von Fußball-Klubs, an ihr kann man gut die unterschiedlichen Positionen sehen.

ECA-Vorsitzender ist Nasser Al-Khelaifi, Präsident von Paris Saint-Germain, einer seiner Stellvertreter ist Kahn. PSG, von Katar alimentiert, hat eigentlich überhaupt kein Interesse an irgendwelchen Finanz-Regeln. Kahn hat als Bayern-Boss zwar sehr viel Geld zur Verfügung, aber, solange er keine Ölquelle in Harlaching findet, keinen bodenlosen Geldspeicher - er hat also ein sehr großes Interesse an strengen Finanzregeln. Zwischen diesen beiden Polen galt es zu verhandeln.

Zumindest nach außen scheinen nun alle mit dem Ergebnis zufrieden. Kahn nannte die neuen Regeln "einen Meilenstein", Fernando Carro von Bayer Leverkusen sprach von einem Kompromiss, mit dem die Bundesliga leben könne. Al-Khelaifi freute sich dagegen, dass "Investitionen gefördert werden", und Uefa-Präsident Aleksandr Ceferin meinte, man wolle eine "nachhaltigere Zukunft des Fußballs" anstreben.

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