Uefa und Fifa:Der Ukrainer in schusssicherer Weste, der Russe beim Kongress

Uefa und Fifa: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (links) und Fifa-Boss Gianni Infantino am Rande eines WM-Spiels in Sotschi 2018.

Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (links) und Fifa-Boss Gianni Infantino am Rande eines WM-Spiels in Sotschi 2018.

(Foto: Alexei Nikolsky/dpa)

Der Umgang der Fußballverbände mit Russlands Angriffskrieg ist unangemessen und erschreckend - insbesondere das Verhalten von Fifa-Boss Gianni Infantino.

Kommentar von Johannes Aumüller

Bedrückendere Reden als die von Andrij Pawelko hat es bei den Konventen der internationalen Fußballverbände wohl noch nie gegeben. Gleich zweimal hat sich der ukrainische Verbandschef in flehentlichen Botschaften an die versammelte Funktionärsschar gewandt. Zunächst Anfang April, als er von einem abgesperrten Platz in Kiew aus eine Videobotschaft für den Kongress des Weltverbandes Fifa schickte; und am Mittwoch erneut, als er sich aus dem ausgebombten Stadion von Tschernihiw im Norden seines Landes zur Zusammenkunft von Europas Fußball-Union Uefa zuschalten ließ.

Es waren jeweils eindringliche Appelle. Und sie untermalen, dass sich die Spitzenverbände des Fußballs rund um den russischen Angriffskrieg klar positionieren müssten. Doch ihr Umgang mit Russland ist weiterhin unangemessen.

Am krassesten ist das bei Fifa-Präsident Gianni Infantino zu sehen. Auf dem Uefa-Konvent in Wien war er zwar nur als Gastredner zugegen, aber auch fast drei Monate nach dem Beginn des Angriffskrieges schaffte es der Schweizer nicht, Wladimir Putin und Russland direkt zu kritisieren. Stattdessen wandte er sich nur allgemein-wolkig an politische Entscheidungsträger, die den Frieden wiederherstellen sollten. Es wäre interessant zu erfahren, warum genau Infantino sich so freundlich gegenüber einem verbrecherischen Regime gebart.

Warum darf Russlands Verbandschef weiter in der Uefa-Exekutive sein - und der russische Verband Mitglied der Uefa?

Ebenso wie der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, zählte Infantino schon in den vergangenen Jahren zu jenen Funktionären, die mit besonderer Putin- und Russland-Nähe auffielen. Nach dem russischen Überfall auf die Krim und der offenen Unterstützung der separatistischen Volksrepubliken in der Ostukraine bot Infantinos Fifa Putins Regime bei der WM 2018 die Bühne für ein rauschendes Sportfest - und die Möglichkeit zur Popularitätsmehrung im eigenen Land. Und hinterher säuselte Infantino gar, dass sich nun alle "in Russland verliebt" hätten.

Die Uefa wiederum positioniert sich zwar insgesamt eindeutiger, wie sich am Mittwoch auch in der Rede ihres Präsidenten Aleksander Čeferin zeigte. Die Tradition der "politischen Neutralität", also dieses Mantra, das IOC-Boss Bach und andere Sportfunktionäre selbst in den absurdesten Momenten hervorziehen, um sich nicht eindeutig gegen Diktatoren und Aggressoren zu stellen, sei angesichts des Kriegs und der Gräueltaten nicht mehr zu halten, sagte er. Doch auch von der Uefa könnte noch mehr kommen.

Zwar sind in der Tat einige Strafen ausgesprochen worden. Russlands Klub-Mannschaften dürfen auch in der kommenden Saison nicht am Europapokal teilnehmen, die EM-Bewerbung des Landes für 2028 oder 2032 wurde gestoppt; Russlands Fußball debattiert vor diesem Hintergrund sogar schon Planspiele über einen möglichen Wechsel in die asiatische Konföderation. Doch auf andere Sanktionen verzichtet man bisher.

So ist es unverständlich, warum der russische Verbandspräsident und Gazprom-Neft-Manager Alexander Djukow weiterhin Mitglied der Uefa-Exekutive sein darf - und der russische Verband als solcher Mitglied der Uefa. So entstehen dann bittere Momente wie der am Mittwoch, als der ukrainische Verbandschef in einer schusssicheren Weste und aus einem zerbombten Stadion seine bedrückende Rede hielt, während der russische Generalsekretär im Saal unter den Delegierten weilte wie ein guter Freund der Familie.

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