Uefa:Die Elite sorgt sich um die Spannung im Fußball

Real Madrid - FC Bayern München

Stehen seit Jahren stets im Halbfinale der Champions League: Bayern München und Real Madrid.

(Foto: dpa)
  • Im Fußball gewinnen immer häufiger dieselben Vereine. Viele Verantwortliche bennen dieses Problem nun offen.
  • Uefa-Chef Aleksander Ceferin hat diesen Punkt nun offiziell auf seine Agenda gesetzt.
  • Ceferin hat auch den richtigen Ansatzpunkt entdeckt: Er liegt im Regelwerk - die Verbände müssen eingreifen.

Von Thomas Kistner

Kosten ließen sich auch beim Deutschen Fußball-Bund noch einsparen. Vorneweg böte sich an, die alljährliche Reise der Frankfurter Honoratioren nach München samt diesem Silberbesteck, der Meisterschale, zu stornieren. Braucht es dies aufwendige Reiseritual noch, sollte man die Schale nicht besser gleich im Münchner Trophäenschrank festdübeln? Das Jährlich-grüßt-das-Murmeltier-Zeremoniell samt Weißbierdusche und bald fernsehgebührenpflichtiger Balkonfete ist zur medialen Endlosschleife des Volkssports Nummer eins geworden. Zur Erbauung der Bayern-Fans, nur leider auch zum wachsenden Überdruss all jener Fußballfreunde, die sich mit Wehmut an frühere Zeiten erinnern: Da ging die Schale zwar auch meist nach München, aber fast immer stand das erst am vorletzten oder letzten Spieltag fest. Und nicht am ersten.

Gehalts-Obergrenzen oder ein Drafting-System? Der Uefa-Chef stellt ein paar Modelle zur Debatte

Allmählich darf das Unaussprechliche ja gesagt werden: Sie langweilt, diese alles erdrückende Übermacht des Superklubs im Süden. Da hilft auch die (ähnlich erschöpfende) Legitimitätsphrase nicht weiter: Dass es natürlich völlig okay ist, wenn ein Fußballkonzern seine enormen merkantilen Ressourcen auswringt, um noch mehr Spitzenkräfte zu heuern - und die Konkurrenz immer mehr zu düpieren. So funktioniert halt Marktwirtschaft, insbesondere eine so entfesselte, sich selbst kontrollierende wie die im Fußballbusiness.

Dummerweise lebt das Geschäft aber von der Spannung; von dem Unvorhersehbaren, das nur echter Wettbewerb kreieren kann. Ist der sportliche Wettkampf nicht mehr offen und der Ausgang vorhersehbar, steigt irgendwann jener Teil des Publikums aus, der nicht bedingungslos am Sieg eines immerselben Teams orientiert ist. Dieser Spannungsabfall ist nun so weit fortgeschritten, dass selbst wohlmeinende Spitzenmanager des Ballbetriebs ihre Besorgnis nicht mehr zurückhalten.

Den Anfang machte Christian Seifert. Mit Verweis auf die Münchner Übermacht rügte der Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL) jüngst alle anderen Erstligaklubs, dass sie den Titel schon vor Saisonstart abgeschrieben hätten. Im Kicker beklagte Seifert: "In England geben vor der Saison fünf Klubs den Titelgewinn als Ziel aus, in Italien drei und in Spanien zwei Vereine." Ganz anders in der Bundesliga, die ja lange die Wundertüte unter Europas Spitzenligen war: "In Deutschland erklären 17 Klubs: Von Verfolger kann keine Rede sein. Das muss sich irgendwann ändern."

Seifert ließ seiner begründeten Sorge - "sollte Bayern noch ein paar Mal hintereinander Meister werden, wäre das nicht gerade förderlich für die Wahrnehmung des Wettbewerbs" - nur den falschen Lösungsansatz folgen: Diese Schieflage zu beheben, obliege (natürlich) nicht den Bayern, sondern allen anderen Klubs. Ein frommer Wunsch - denn wie soll das funktionieren? Einfach am Computer eine Fuhre Klon-Spieler herstellen, mit den besten Zutaten von Messi, Ronaldo, Robben und Ribéry?

Die zukunftsweisende Problemstellung "Übermacht einer Handvoll Spitzenklubs in Europa" hat nun Aleksander Ceferin auf die Agenda gesetzt, und spätestens damit ist sie offiziell. Auch dem Präsidenten der Europäischen Fußball-Union (Uefa) missfällt diese Entwicklung, dass wenige Vereine mit enormen Geldmassen im Kreuz den Sportbetrieb zur Farce machen. Und wie Seifert seine Kritik mit begründeter Sorge um künftige Vermarktungsszenarien äußerte, hat auch Ceferin das Wetterleuchten der neuen Zeit im Blick. Wie laut jubelten seine Sponsoren zuletzt über ihre sechsteilige Champions-League-Gruppenphase, in der Kantersiege zwischen 3:0 und 5:0 zu den moderateren Ergebnissen zählen?

Ceferin hat auch den richtigen Ansatzpunkt entdeckt: Er liegt im Regelwerk - die Verbände müssen eingreifen. Vergangene Woche stellte der Uefa-Chef ein paar Maßnahmen zur Debatte; vor allem gegen die Auswüchse auf dem Transfermarkt. Also dort, wo die Reichen leichtes Spiel haben - wegen ihrer monetären Verfügungsmasse; und weil Talente naturgemäß lieber zu Klubs mit Namen wie Donnerhall streben, statt sich irgendwo auf mittlerem Betriebsniveau in die Berufswelt einzuleben.

Begrenzung ist das Zauberwort

"Wir sollten nicht zulassen", sagte Ceferin bei einer Tagung in Estoril, "dass die großen Klubs alle talentierten Spieler verpflichten und die kleinen Vereine dadurch erdrücken. Wir brauchen keine Angst zu haben, die Marktregeln zu ändern und Mechanismen wie eine Art Luxussteuer oder eine Begrenzung von Kadergrößen einzuführen." Eine veritable Ansage. Gegen das Horten von Talenten (die dann ja oft ohne Spielpraxis ein, zwei Jahre vor sich hin dämmern) - und gegen den Trend, dass die Kader der Spitzenklubs überquellen vor lauter Starspielern. Einige internationale Topklubs könnten zwei Teams aufbieten, die den Titel unter sich ausfechten.

Begrenzung ist das Zauberwort. Wie es die US-Sportarten vormachen: Eine Gehaltsobergrenze würde dazu führen, dass sich Topspieler nicht nur am Primat der dicken Schecks orientieren, sondern auch an solchen Klubs, die ihnen attraktive berufliche oder persönliche Perspektiven versprechen. Zudem empfiehlt sich ein Drafting-System, damit auch die Klubs aus den Niederungen eine Zugriffschance auf das Spitzenpersonal von morgen erhalten.

Das Problem des Fußballs am Übergang von der Dominanz zur Penetranz ist erkannt, es treibt auch Oliver Bierhoff um. Der DFB-Manager vergleicht die Situation jetzt in der FAS mit dem Vorabend der Bankenkrise; er sorgt sich um die Zukunft, "weil man merkt, dass immer mehr starke Player da sind, und immer mehr nur an Profitmaximierung denken. Darin besteht ein Risiko, irgendwann knallt es dann."

Eine Übersättigung der Fans sei bei Länderspielen bereits da, ausverkaufte Heimspiele seien anders als von 2005 bis 2014 "keine Selbstläufer" mehr, sagt Bierhoff. Die Merchandising-Erlöse auch bei der DFB-Elf "stagnieren oder sinken". Und bei Sponsoren spüre er, dass "da nicht mehr blind hinter dem Fußball hergerannt" werde. Sein Plädoyer: Das ewige Gewinnstreben stoppen und das sportliche Gut verknappen, statt es immer weiter aufzublasen. Es dürfte aber noch eine Weile dauern, bis die Kultklubs in Barcelona, München oder Madrid feststellen: Ein Geschäftsmodell ohne sportive Herausforderung funktioniert auf Dauer nur, wenn sich die Fans anhaltend an sich selbst berauschen können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: