Uefa-Cup, Halbfinale:Ein großer kleiner Aussetzer

Das Eigentor des lange herausragenden Lúcio beschert Zenit St. Petersburg im ersten Uefa-Cup-Halbfinale ein 1:1 beim FC Bayern.

Andreas Burkert

Der Ball rollte auf das vereinsamte Tor der Münchner zu, im nächsten Moment würden ihre Aussichten auf das Finale des Uefa-Pokals in Manchester nicht mehr sonderlich groß sein, so sah es aus. Der schnelle Fayzulin, an diesem Abend einfach nicht zu fassen für die Bayern, hatte sich nicht von Lúcio, nicht von Lell und auch nicht von Torwart Rensing aufhalten lassen, und nun kullerte sein letzter Versuch in der 80. Spielminute dem Siegtor für Zenit St. Petersburg entgegen. Zé Roberto hat es dann allerdings doch verhindert mit einer beherzten Grätsche, knapp vor der Linie stoppte er die Kugel und schlug sie ziemlich unbrasilianisch weg. Weil in den turbulenten Schlussminuten auch die Münchner nochmals knapp am Torerfolg scheiterten, blieb es beim 1:1 (1:0) - ein Ergebnis, das dem FC Bayern noch alle Chancen auf den Finaleinzug lässt. So sieht das auch Trainer Ottmar Hitzfeld, "alles ist offen, auswärts sind wir immer für ein, zwei Tore gut - und Luca Toni ist dann wieder da". Kommenden Donnerstag (18.30 Uhr/MEZ), wenn im kleinen und zugigen Petrowskij-Stadion das Rückspiel steigt. Der diesmal gesperrte Italiener könnte dann Miroslav Klose ersetzen - der Sturmkollege erlitt am Donnerstagabend einen Nasenbeinbruch.

Uefa-Cup, Halbfinale: Oh Schreck! Lúcio befördert den Ball ins eigene Netz.

Oh Schreck! Lúcio befördert den Ball ins eigene Netz.

(Foto: Foto: ddp)

Klose und Kahn verletzt

Es herrschte vor Spielbeginn Festtagsstimmung in der ausverkauften Arena, die Aussicht auf ein Endspiel verlieh an diesem Abend sogar dem angeblich piefigen Uefa-Cup großen Glanz. Und dass sich dieser Wettbewerb nun allmählich dem Ende nähert, hatte offenbar auch Hitzfeld zu höchster Konzentration herausgefordert, denn er kreierte für das erste Duell mit dem russischen Titelträger doch einmal die logischste aller Aufstellungen. So kam Philipp Lahm mal wieder auf der von ihm bevorzugten rechten Abwehrseite zum Zuge - für den dort zuletzt gesetzten Christian Lell -, was oben auf der Tribüne sicher auch die Späher des FC Barcelona interessierte; sie möchten ihn ja genau für diese Position verpflichten. Auf links verteidigte stattdessen Marcell Jansen, womit die mutmaßlich bei der EM von Bundestrainer Löw gesetzten Außenbahnen gemeinsam einem internationalen Härtetest unterzogen wurden. Er fiel alles in allem durchschnittlich aus.

Jansen indes dürfte zumindest in der Startphase Gefallen an seinem Job gefunden haben, denn vor ihm spielte ja Franck Ribéry. Offensichtlich beseelt von den innigen Umarmungen vom Wochenende mit dem DFB-Pokal, wirbelte und zwirbelte der Franzose die linke Seitenlinie entlang, dass seinen Kontrahenten Ricksen und Denisow zu Beginn ein Schleudertrauma drohte.

Ein wenig von seinem Feuer und seiner Standfestigkeit hätte gegenüber Bastian Schweinsteiger gut gebrauchen können, die Rolle des Helden wäre ihm dann sicher gewesen. Nach nur 61 Sekunden hatten ihm Jansen und der Zufall in eine traumhafte Schussposition an der Strafraumlinie gebracht, doch Schweinsteiger traf den Ball nur unwesentlich; vier Minuten später kam er, diesmal von Lahm bedient, sogar im Strafraum an den Ball - der Ertrag fiel erneut unbefriedigend aus. Als Schweinsteiger dann kurz vor der Pause bei einem Überzahlspiel abermals zauderte, vernahm er dafür sogar Pfiffe.

In die Halbzeit gingen die Bayern dennoch mit einer Führung, Ribéry hatte sie erzielt, natürlich er, sollte man meinen. Doch diesmal hatte ihm nur das Glück zugelächelt, sein schwach geschossener Strafstoß hätte eigentlich nicht mit einem erfolgreichen Nachsetzen belohnt werden dürfen (18.). Verschuldet hatte den Elfmeter Verteidiger Ricksen: Zé Roberto erreichte eine Lahm-Hereingabe Sekundenbruchteile vor ihm mit der Stiefelspitze, der Holländer kam zu spät und streckte den Brasilianer mit einem sauberen Kung-fu-Tritt nieder; eine vertretbare Entscheidung gegen Ricksen, übrigens ein alter Sportschulfreund des Münchner Kampfathleten Mark van Bommel.

Ein großer kleiner Aussetzer

Die Russen tauchten bis zur Pause nur sporadisch in der Münchner Gefahrenzone auf. Einige Male ließen sie ihre gute Technik erkennen, auch Spielführer Timoschtschuk beeindruckte auf der Sechs als umsichtiger Nothelfer. Oliver Kahn musste jedoch nur bei Zyrjanows Manöver gegen Lahm und dem folgenden Distanzschuss eingreifen (23.). Die Bayern waren dem 2:0 näher, vor allem Zé Roberto, den Klose wunderbar eingesetzt hatte, doch er verzog freistehend vor Keeper Malafejew um einen guten Meter (28.).

Diejenigen, die sich mit dem Torschuss besser auskennen - Klose und Lukas Podolski -, kamen zunächst gar nicht zum Zuge. Zu undurchsichtig gerieten bisweilen ihre Laufwege, auch in der Ballbehauptung offenbarten sie einige Mängel. Ein dezentes Vorrücken der Russen brachte Zenit nach Wiederbeginn bald ein Übergewicht ein. Und nachdem Schweinsteiger (49.) und Podolski (59.) erneut nicht hatten erhöhen können, traf dann wenigstens Lúcio - allerdings ins Münchner Tor. Fayzulin, von Zé Roberto aus den Augen verloren, hatte scharf hereingegeben und der brasilianische Innenverteidiger darauf zur Unzeit seinen Charakterkopf hingehalten - ein Eigentor, das an die ganz persönliche Katastrophe des Liverpool-Profis John Arne Riise vom Dienstagabend gegen Chelsea (1:1) erinnerte. Lúcio wird den Abend ebenfalls als Desaster empfunden haben, denn ansonsten hatte er mit Martin Demichelis ein erstklassiges Verteidigergespann gegeben gegen Zenits Sturm um Pogrebnajak und Arschawin.

Der Ausgleich brachte dem Spiel eine verdiente Wende, St.Petersburg startete weitere überfallartige Angriffe, nicht nur Timoschtschuk stand dicht vor dem 1:2 (62.). Kurz darauf musste zudem Oliver Kahn wegen eines eingeklemmten Nervs passen, unter dem Beifall der 69.000 beendete er sein letztes Europacup-Heimspiel vorzeitig; sein Nachfolger Michael Rensing ersetzte ihn.

Doch die große Linie war nun dahin gegen das nun stürmische Zenit, und Hitzfeld bemühte sich mit der Einwechslung von Lell erst gar nicht mehr um sie. Die Rückwärtsbewegung auf der starken linken Außenbahn der Russen war ihm nun offenbar wichtiger als der Impuls zum Siegtor. Das wäre trotzdem fast dem tragischen Helden Lúcio gelungen mit seinem Vollspannstoß, den Ribéry ermöglicht hatte - doch Malafejew parierte vorzüglich (79.). Nach einem weiteren Fehlschuss von Podolski und einer letzten Rettungstat vor dem Zenit-Tor rissen die Gäste die Arme hoch; sie feierten das 1:1 wie einen Sieg.

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