Überraschungsteam SC Freiburg:Verlustangst im Talentschuppen

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Freiburg-Trainer Christian Streich: bangt um den Weggang von Talenten (Foto: Bongarts/Getty Images)

Dilemma der eigenen Stärke: Immer mehr Spieler des SC Freiburg geraten durch Top-Leistungen in den Fokus größerer Vereine. Für sie ist das gut, für den Verein weniger. Nicht nur Trainer Christian Streich fürchtet, dass der Kader am Saisonende auseinanderfällt.

Von Christoph Ruf, Freiburg

In Freiburg sind es immer die gleichen Journalisten, die sich an Spieltagen ein Stelldichein geben. Die freundlichen Männer am Eingang kontrollieren dennoch immer ausgesprochen genau die Zugangsberechtigungen. Das galt erst recht für den jungen Herrn, der Ende Januar vor der Tür zum Presseraum stand und vergebens Einlass begehrte. Sein nobler Ausweis wies ihn als Scout von Inter Mailand aus. Kaum hatte sich das herumgesprochen, wollte der Spion allerdings keine der gängigen europäischen Sprachen mehr verstehen, nicht mal italienisch. Dabei war er doch nur gefragt worden, ob er einen Freiburger Spieler interessant fände.

Neben dem gut angezogenen Herrn aus der Lombardei blockierten zuletzt viele Scouts aus dem In- und Ausland die besseren Plätze im Freiburger Stadion. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass zuletzt viele Spieler merkwürdig vage geantwortet haben, wenn sie gefragt wurden, ob sie ihre Verträge beim SC erfüllen werden. "Wir können die Marktmechanismen nicht ändern", sagt Trainer Christian Streich. "Aber ich hoffe sehr, dass wir in dieser Gruppe zusammenbleiben dürfen." Er klingt dabei nicht so, als halte er das für sehr wahrscheinlich.

Tatsächlich sind in dieser Elf, die überregional gerne als funktionierendes Kollektiv ohne erwähnenswerte Individualisten wahrgenommen wird, mehr als ein halbes Dutzend Akteure für renommiertere (und finanzkräftigere) Vereine interessant. Die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Oliver Baumann, Matthias Ginter, Oliver Sorg, Jonathan Schmid, Johannes Flum und Daniel Caligiuri haben nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Zugang Max Kruse (vom FC St. Pauli) und Innenverteidiger Fallou Diagne sowieso. Jan Rosenthal steht als erster Weggang bereits fest, er geht im Sommer nach Frankfurt.

Freiburgs Manager tut daher auch gar nicht erst so, als sei die Angst vor einer substanziellen Schwächung des Teams unbegründet. Er könne nicht ausschließen, dass weitere Spieler den Klub verlassen, sagt Dirk Dufner. "Wir sollten dann aber nicht in Wehklagen ausbrechen." Dass Spieler verkauft werden, um Platz für nachrückende Talente zu machen, sei "Teil der Philosophie, die die Durchlässigkeit nach oben vorsieht". Tatsächlich finanziert sich der Verein seit jeher durch den Verkauf von Profis, die in der ersten Mannschaft auf sich aufmerksam gemacht haben. "Im Idealfall", erklärt Dufner, "können wir mit dem Geld den nächsten Schritt machen."

Rosenthal ist der einzige Spieler, dessen Kontrakt im Sommer endete, für alle anderen wäre eine Ablöse fällig. Auch in den Verträgen von Caligiuri und Kruse, in denen Ausstiegsklauseln festgeschrieben sein sollen (was Dufner weder dementiert noch bestätigt), sind laut kicker Ablösesummen von über zwei Millionen Euro vorgesehen.

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Dass Oliver Baumann dem SC erhalten bleibt, kann hingegen als gesichert gelten. Der U21-Keeper kann in Ruhe noch eine Saison abwarten, ehe auch bei ambitionierteren Vereinen Arbeitsplätze zwischen den Pfosten frei werden. Auch Oliver Sorg dürfte wohl bleiben. Im Fall des 19-jährigen Matthias Ginter, der eine überragende Saison auf der Innenverteidigerposition spielt, sind die Verantwortlichen guter Dinge, dass die Loyalität zu seinem Entdecker Streich noch für ein wenig Geduld sorgt. Bei anderen Spielern sieht es anders aus, hier scheinen die Zeichen auf Abschied zu stehen. Drei, im schlimmsten Fall vier Stammspieler dürfte der SC am Saisonende verlieren, heißt es. Jan Rosenthal schon einberechnet. Der Offensivmann wurde am Samstag bei seiner Auswechslung angefeindet. Nur des Geldes wegen wechsle er, heißt das Lamento in den Fanforen.

Doch die Motive des nachdenklichen Rosenthal scheinen anders gelagert zu sein. Vergangenen Samstag, nach der Heimniederlage gegen Wolfsburg, sinnierte Rosenthal in der Mixed Zone laut über das Für und Wider des Wechsels. Einerseits fühle er sich in Freiburg rundum wohl, andererseits sei genau das das Problem. "Ich suche die Herausforderung in einem nicht ganz so einfachen Umfeld, in dem es nicht so viel Wärme und Harmonie gibt wie hier." Bei Hannover 96, seinem Heimatverein, hatte sich Rosenthal zuvor unter widrigen Umständen nicht behaupten können. Das scheint Narben geschlagen, aber auch Rosenthals Ehrgeiz geweckt zu haben.

Der Manager Dufner denkt derweil mittelfristig. Er hofft, dass der SC in vier, fünf Jahren in einem neuen Stadion mit entsprechenden Erlösen spielen kann; es gehe da schlicht um die Wettbewerbsfähigkeit. "Das obere Drittel werden wir nie erreichen. Unser Ziel ist es aber, die Differenz zum mittleren Drittel zu verringern." Auch, damit es ein paar weniger Klubs gibt, bei deren Angeboten Freiburgs Spieler schwach werden.

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© SZ vom 16.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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