Überraschender Besuch des 1860-Investors:"Nur die Fans können alle Lügen aufdecken"

1860 Muenchen v Energie Cottbus - 2. Bundesliga

Sprach zu den Fans: Hasan Ismaik (Archivbild)

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Beer! Champagne! Whatever!" Hasan Ismaik lädt Anhänger des TSV 1860 ins Löwenstüberl ein, um sie vor der Mitgliederversammlung auf seine Seite zu bringen. Der Investor schimpft über Geschäftsführer Schäfer und ahmt eine Melk-Kuh nach - die Fans sind mal fassungslos, mal begeistert.

Von Philipp Schneider

Die Nacht umfängt mal wieder die Grünwalder Straße, als Hasan Ismaik dort am schweren Eingangstor parkt. Die Türen der dunklen Limousine fliegen auf, es entsteigen fünf Männer im feinen Zwirn, der Investor höchstselbst, sein Bruder Abdelrahman, sein Cousin Noor Basha, ein Übersetzer und Ismaiks Anwalt Michael Scheele. "Ich hab's doch auch heute erst erfahren, dass er kommt", versichert Christl, die innerlich bebende Wirtin vor dem Eingang ihres Löwenstüberls. Händeschütteln, teilweise Umarmungen. "Hello again, my friend", lange nicht gesehen. Dann rein in die gute Stube, "Beer! Champagne! Whatever!", ruft der erste arabische Investor im deutschen Profifußball den 40 handverlesenen Fans entgegen, die Rechnung gehe auf ihn. Das neue Konzept des von der 50-plus-1-Regel der Deutschen Fußball-Liga eingebremsten Investors lautet: 49 plus Fans. Vor der Mitgliederversammlung des TSV 1860 München will er die Anhänger für sich gewinnen.

"Christl, was kannst du mir anbieten?", fragt Ismaik. "Ein Wasser?", entgegnet Christl. "Wasser also!", ruft Ismaik. Und dann beginnt der Vortrag des Jordaniers, der natürlich angelegt ist als Rechtfertigung für zwei Jahre Dauerzoff mit der Vereinsführung eines Zweitligisten, in den er sich eingekauft hatte für insgesamt 27 Millionen Euro. Ismaik spricht: "Als erstes möchte ich mich entschuldigen für die Niederlage gegen Paderborn heute." - "Das sind wir inzwischen gewohnt!", ruft ein Fan. "Deshalb", sagt Ismaik, "bin ich heute hier. Wir müssen ehrlich sein. Nur die Fans können alle Lügen aufdecken. Und ihr kennt nicht die ganze Wahrheit!"

Zu erkennen, was Wahrheit und was Lüge ist, das ist ja seit Wochen das eigentliche Problem bei 1860. Bei seinem letzten Besuch Anfang April hatte der Investor auf einer Pressekonferenz getönt: "We need a new sportchef", ein neuer Sportdirektor müsse her, dies sei Teil einer Abmachung mit der Vereinsführung. Dann war die Situation eskaliert. Der Verein forderte Ismaik gemeinsam mit Geschäftsführer Robert Schäfer auf, 13 Millionen Euro zu überweisen, und als die Zahlung nicht einging, schloss Schäfer den Geschäftsmann von allen Entscheidungen aus und verlängerte die Verträge mit Sportdirektor und Trainer - woraufhin Ismaik die Rückzahlung seiner Darlehen in Höhe von neun Millionen Euro forderte. "Sie haben gesagt, komm', wir tauschen den Sportchef aus, dabei wollte ich an der Spitze beginnen und einen neuen Geschäftsführer", sagt Ismaik jetzt.

"Na, mit der Vereinskreditkarte"

Applaus, dann Jubel in der Runde. "Und dann schicken sie mir eine Mail und fordern neue Millionen!", dazu gibt Ismaik die Pantomime eines Melkers an den Eutern einer Kuh. Riesenlacher. "Wir waren in einer Sackgasse", erzählt er, also sei vorgeschlagen worden, "Schäfer noch ein Jahr arbeiten zu lassen, dann aber abzulösen". Bei seinem letzten Besuch in München habe ihm Schäfer dann einen Kompromiss vorgelegt, "und es stand da drin, dass er selbst noch für ein Jahr da bleibt". Also habe er den Vereinspräsidenten gefragt, was das solle, und der habe gemeint, dass er die Ablösung nicht schriftlich fixieren könne, wohl aber verspreche, dass Schäfer nach einem Jahr gehen werde. "Das hat uns der Otto Steiner (Aufsichtsratschef des e.V., d. Red.) anders erzählt", wirft einer der Kritischen ein, der Vorschlag sei von der Vereinsseite ergangen. "Ja, der Vorschlag kam von Steiner", präzisiert der Jordanier.

Nur, warum eigentlich soll Schäfer überhaupt gehen? "Weil er mir nie ehrlich und loyal berichtet hat", sagt Ismaik, "weil er seit Jahren ein Spiel treibt mit beiden Gesellschaftern. Weil er meinen Wunschtrainer Sven-Göran Eriksson Angst gemacht hat damit, dass er nur als Assistent von Alexander Schmidt arbeiten darf. Weil er zuständig war für die Spieler, die verpflichtet wurden für zwölf Millionen Euro und uns nicht weitergebracht haben. Finden Sie nicht, dass er versagt hat?" Ismaiks Zeigefinger fährt in die Höhe, der nächste Punkt ist wichtig: "Er hat meinem Cousin Noor Basha gesagt, wenn er mir nicht das berichte, was Schäfer ihm sage, dann könne er Basha aus Deutschland werfen.

Sein Dasein sei abhängig von Schäfers Unterschrift." Schweigen im Stüberl. Einige blicken fassungslos auf die Schnittchen mit Salami und Gurke, die Christl zu später Stunde geschmiert hat. Hatte Schäfer Ismaiks in München postiertem Statthalter angedroht, die für sein Visum wohl nötige Unterschrift zu verweigern? Basha nickt, dann nimmt er einen Schluck Bier. Neben ihm spricht der Cousin: "Schäfer führt einen Krieg, um zu bleiben. Ich frage euch: Was ist mein Krieg?!" Schäfer entgegnete am Montag in der AZ: "Die Falschaussagen haben nun so ein Ausmaß erreicht, dass wir juristisch dagegen vorgehen werden."

Lachen und Buhrufe im Stüberl

Es ist kurz vor halb zwölf in der Nacht, als Ismaik jene Geschichte vorträgt, die "nicht finanziell, sondern emotional" zu verstehen sei. Es geht ihm jetzt um mehr als all die Millionen, die er schon reingepumpt hat in einen Verein, den er gerne in der Champions League spielen sehen würde ("Madrid, Barcelona, Bayern München, in jedem Klub muss einer sein, der vom Fach ist"). Es geht um Vertrauen und ein denkwürdiges Abendessen. Bevor sie nur noch über Anwälte kommunizierten, hatten Ismaik und die Vereinsvertreter ein letztes Mal im feinen Mandarin Oriental gespeist, dem Lieblingshotel des Jordaniers in München. Schäfer sei aufgestanden, um die Rechnung zu zahlen. "Ich hab gesagt, Robert, ihr seid meine Gäste, ich zahle." Woraufhin Schäfer erwidert habe: "Keine Sorge, ich zahle das ja nicht privat." Da habe er also Otto Steiner gefragt: "Otto, womit wird das bezahlt?" Und Steiner habe gesagt: "Na, mit der Vereinskreditkarte." Lachen und Buhrufe im Stüberl.

Dies war also der Moment, in dem die einst so heile Fußballwelt Ismaiks vollends zu kollabieren begann. "Deswegen will ich überall involviert sein. Weil ich nicht weiß, wo das Geld landet. Sie machen Trainingscamps, sie gehen in die besten Restaurants der Stadt, trinken die teuersten Getränke! Glaubt ihr mir?" Viele nicken, einige murmeln Zustimmung. "Dann übermittelt das den anderen Fans! Wenn sie hier vor den Toren stehen und sagen: Wir müssen was ändern, dann wird sich was ändern!"

Das Stüberl kocht nun über, in einer Ecke sitzt ein Mann mit Designerbrille, den niemand kennt. "Bin nicht so involviert bei Sechzig", sagt er, "aber ich habe viele Seminare auf der ganzen Welt gehalten. Ich geb' dann immer ein Beispiel: Eine Hummel, wenn sie sich betrachtet, die könnte nie fliegen, wenn sie sich die kleinen Flügel anschaut und den großen Körper. Aber sie fliegt wie der Teufel!" Einwurf von hinten rechts: "Also rufen Sie zum organisierten Widerstand auf?!" Und der Mann mit der Brille spricht: "Absolut."

Am liebsten sei es ihm, in der kommenden Woche 5000 Fans in eine Halle zu laden, "damit ich endlich die Gelegenheit habe, ihnen die Wahrheit zu sagen", kündigt Ismaik noch an, es ist inzwischen halb eins in der Nacht, "lasst uns diesen Zeitpunkt feiern, heute ist Sechzig aufgewacht!" Die Menschen erheben sich von ihren Sitzen. "Das ist Zeitgeschichte", säuselt einer mit sanfter Stimme. Und dann ist Hasan Ismaik wieder fort. Sein Flieger geht sechs Stunden später. Robert Schäfer hat er nicht gesprochen.

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