Süddeutsche Zeitung

U-21-Trainer:Alle Augen auf Kuntz

Bei der U-21-EM dürfte Trainer Stefan Kuntz so sehr im Fokus stehen wie nie zuvor: Seine Entwicklung wird beim DFB gelobt - manche trauen ihm auch das Amt des Bundestrainers zu.

Von Sebastian Fischer

Eine seiner bewährten Stärken wird Stefan Kuntz diesmal eher nicht einbringen können. Während der U-21-Europameisterschaft in Italien vor zwei Jahren hat Markus Schubert, damals wie heute einer der deutschen Torhüter, über die Eigenschaften seines Trainers gesprochen. Kuntz schaffe es, erzählte Schubert, jedem Spieler im Kader das Gefühl zu geben, wichtig zu sein - und sei es durch ein lockeres Gespräch beim Essen.

Wenn für Kuntz, 58, von diesem Mittwoch an seine dritte Europameisterschaft als Trainer der deutschen U 21 beginnt, dann ist vieles anders. Die EM in Ungarn und Slowenien ist pandemiebedingt in zwei Phasen aufgeteilt, die Vorrunde mit drei Spielen pro Team wird bis zum 31. März ausgetragen, die K.-o.-Phase beginnt mit dem Viertelfinale am 31. Mai. Die Vorbereitung auf das Auftaktspiel gegen Ungarn (21 Uhr/ProSieben) ist deutlich verkürzt, nur ein paar Tage statt des üblichen Trainingslagers. Und gegessen wird als Corona-Schutzmaßnahme an Einzeltischen. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Stärken und Schwächen des Trainers Kuntz gerade im deutschen Fußball viel Beachtung finden.

"Wir haben auch DFB-intern gute Lösungen. Das lässt einen ruhiger sein", hat DFB-Direktor Oliver Bierhoff zu Beginn dieser Woche zur Frage nach der Suche eines Nachfolgers von Joachim Löw gesagt. Kuntz nannte er dabei zwar nicht explizit, und vielleicht wollte er auch einfach nur betonen, sich nicht stressen zu lassen. Er lobte den U-21-Coach aber als "starken Kommunikator". Und Kuntz selbst betont zwar, sich gerade nur auf die anstehenden Aufgaben zu konzentrieren. Der Bild sagte er aber auch, es mache ihn "stolz", dass er für den "wichtigsten Trainer-Posten in Deutschland" gehandelt werde: "Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mir das alles egal ist."

Die Laufbahn des früheren Stürmers und Europameisters von 1996 beim DFB ist durchaus erstaunlich. 2016, als er die U 21 übernahm, waren die Reaktionen noch etwas verwundert. Schließlich hatte Kuntz zuvor 13 Jahre lang nicht mehr als Trainer gearbeitet und stattdessen eine mittelmäßig erfolgreiche Karriere als Funktionär hingelegt. Ausgewählt hatte ihn damals überraschend jener Mann, der ebenfalls weiterhin als einer der Kandidaten für die Löw-Nachfolge gilt: FC-Bayern-Trainer Hansi Flick, von Sommer 2014 bis Januar 2017 DFB-Sportdirektor.

Mehr als ein Kumpeltyp

Kuntz, einst Bundesligaprofi und gleichzeitig Polizist, war schon immer bekannt für seine freundliche Art. Er ist auch heute noch nicht berühmt dafür, mit Vorliebe über asymmetrische Linksverteidiger zu referieren. Aber er ist der Trainer, der 2017 die U-21-EM gewann und 2019 das Finale erreichte. "Er hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt", sagt Meikel Schönweitz, seit 2018 Cheftrainer der U-Mannschaften beim DFB.

Wenn Schönweitz über Kuntz' Vorzüge spricht, dann nennt er die emotionale Ansprache und seinen Draht zu den Spielern, sein integratives Wesen. Außerdem sagt er: "Seine besondere Fähigkeit ist, dass er die Stärken anderer sehr gut aktivieren kann." Damit sind auch die Stärken seiner Assistenten gemeint, Daniel Niedzkowski und Antonio Di Salvo. Die drei gelten als exemplarisches Trio für ein DFB-Trainerteam im Nachwuchsbereich; Niedzkowski ist als Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung der Typ Wissenschaft, Di Salvo als langjähriger Jugendcoach ein Spezialist für die Altersklasse. Kuntz verkörpert die Profi-Erfahrung.

Doch auf die Rolle des kumpelhaften Trainers mit feuriger Ansprache will Schönweitz ihn nicht reduziert wissen. Kuntz habe "auch eine innovative Ader, von der nur die wenigsten wissen". Und er macht sich um die Entwicklung von Spielern verdient. Das jüngste Beispiel sei Arne Maier, 22, der die U 21 bei der EM als Kapitän anführt. Der von Hertha BSC an Arminia Bielefeld ausgeliehene Mittelfeldspieler hatte in den vergangenen Monaten selten gespielt, ist erst nach einem Trainerwechsel in Bielefeld wieder erste Wahl. Kuntz, sagt Schönweitz, "hat an ihn geglaubt und ihn mehrmals besucht".

Der Kader der U 21 ist im Vergleich zu den Vorjahren einer, dem man anmerkt, was auch Kuntz schon länger mit mahnenden Worten über den deutschen Nachwuchs sagt: Es fehlen diesmal mit wenigen Ausnahmen die ganz großen Talente, die sich schon einen Namen gemacht haben. Florian Wirtz, 17, von Bayer Leverkusen wurde bereits zur A-Nationalmannschaft hochgezogen, Ridle Baku, 22, ist der einzige Spieler mit einem Einsatz in der A-Elf. Der hochtalentierte Youssoufa Moukoko, 16, von Borussia Dortmund, erstmals und als jüngster Spieler für die U 21 berufen, zählt wohl noch nicht zu den Kandidaten für die Startelf. Deutschland gehört auch eher nicht zu den Titel-Favoriten. Erst mal ist das Viertelfinale das Minimalziel.

Kuntz, der im Sommer auch die Olympia-Auswahl verantwortet, kann sich als Turniercoach unter erschwerten Bedingungen bewähren. Seine Arbeit werde aber nicht abhängig von den nächsten drei Ergebnissen bewertet, sagt Schönweitz. Wenn man ihn fragt, ob er Kuntz den Bundestrainerjob zutraue, sagt er übrigens: "Ja."

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