U21:"Sehr gut" ist zu wenig

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Die deutsche U21-Nationalmannschaft vor dem Qualifikationsspiel gegen Finnland. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sané, Dahoud, Tah, Süle: Die deutsche U21-Nationalmannschaft quillt über vor Talenten. Trotzdem kommen bei der WM 2018 nur wenige Spieler für Joachim Löw in Frage.

Von Martin Schneider

Matthias Ginter ist im Fußball eine Die-gibt-es-ja-auch-noch-Person. Solche Personen zeichnen sich dadurch aus, dass sie stets Leistung bringen und dadurch wichtig genug sind, um nicht vergessen zu werden, aber nicht wichtig - oder besser - spektakulär genug spielen, als dass die ganze Fußball-Republik darüber diskutieren müsste. Matthias Ginter ist dennoch eine bisschen speziellere Die-gibt-es-ja-auch-noch-Person, denn er ist Weltmeister. Wenn auch ohne Einsatz, aber eben Weltmeister.

Der Grund, warum man Ginter dennoch in diese Kategorie stecken muss, ist die EM in Frankreich. Da hat ihn Joachim Löw nicht mehr nominiert. Für die anstehenden beiden Länderspiele auch nicht, obwohl sein Vereinstrainer Thomas Tuchel ihn zum Beispiel für fähig genug hält, mit Borussia Dortmund 90 Minuten in der Champions League gegen Real Madrid zu bestehen.

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Die Situation von Ginter steht stellvertretend für sehr viele Spieler der deutschen U21-Nationalmannschaft. Eigentlich ist er viel zu gut für eine Junioren-Mannschaft. Aber ob es für einen Platz in der Mannschaft von Joachim Löw dauerhaft reichen wird, das ist unsicher.

Am Freitagabend um 18 Uhr spielt das Team von Neu-Trainer Stefan Kuntz gegen Russland und kann sich vorzeitig für die EM qualifizieren. Im Falle eines Sieges hätte die U21 dann neun von neun Gruppen-Spiele gewonnen. Das gab es noch nie. Man muss einen kurzen Kader-Rundgang durch diese erstaunliche Talente-Sammlung machen und wenn man den Fußball ein bisschen verfolgt, dann versteht man schon, warum eine Mannschaft, in der Leroy Sané, Mahmoud Dahoud, Jonathan Tah, Niklas Süle, Timo Werner, Davie Selke, Maximilian Arnold, Yannick Gerhardt oder Serge Gnabry spielen, ohne Punktverlust durch eine Qualifikation kommt.

Und obwohl alle diese Spieler schon bewiesen haben, dass sie wenigstens in der Bundesliga auffallen können, ist ihre Perspektive sehr unterschiedlich.

Am eindeutigsten ist sie vielleicht bei Sané. Der mit 50 Millionen Euro teuerste deutsche Transfer ist aktuell bei der U21, weil er unter Pep Guardiola bei Manchester City noch nicht regelmäßig spielt und Einsatzzeiten bekommen soll. "Ich freue mich sehr, dass ich hier Spielpraxis sammeln kann. Nicht zuletzt nach der Verletzungspause tut mir das gut", sagte Sané auf der Verbandshomepage. Über kurz oder lang wird sein Weg aber konstant in die A-Nationalmannschaft führen. Auch, weil Joachim Löw wenige Spieler hat, die in Eins-gegen-Eins-Situationen den Unterschied machen.

Die Konkurrenz ist bei den beiden Innenverteidigern Jonathan Tah und Niklas Süle mit Jérôme Boateng, Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Shkodran Mustafi und Antonio Rüdiger schon sehr viel größer und keiner der fünf Platzhirsche ist über 30 und wird vor der Weltmeisterschaft in Russland in Rente gehen. Ob es einer in den WM-Kader schafft? Fraglich. Jonathan Tah scheint im internen Ranking des Trainerteams vorne zu liegen, er wurde vor der Europameisterschaft für den verletzten Rüdiger nachnominiert.

Ähnlich sieht es beim hochveranlagten Mahmoud Dahoud aus, der auch unter die Kategorie "Sehr-gut-reicht-halt-nicht" fällt. Der Balleroberer aus Mönchengladbach hat im zentralen Mittelfeld neben den etablierten Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Sami Khedira auch noch Joshua Kimmich und Julian Weigl vor der Nase, die beide selbst noch U21 spielen könnten. Im zentralen Mittelfeld spielen übrigens auch Matthias Ginter, Maximilian Arnold und der von Löw oft gelobte aber derzeit verletzte Leon Goretzka.

Es gibt zwei Positionen beim DFB, auf denen man wenig bis sogar gar keine Konkurrenz hat: Auf den Außenverteidigerpositionen (Links: Jonas Hector. Rechts: Joshua Kimmich) und im Sturmzentrum (der derzeit verletzte Mario Gomez). Aber just da hat auch die U21 ihre Schwächen.

Linksverteidiger Jeremy Toljan spielt nicht mal bei Hoffenheim regelmäßig und Yannick Gerhardt ist in Wolfsburg eigentlich Mittelfeldspieler. Der 19-jährige Benjamin Henrichs von Bayer Leverkusen hat erst ein paar Bundesliga-Spiele gemacht, scheint sich aber immerhin im starkbesetzten Bayer-Kader als Außenverteidiger durchgesetzt zu haben. Lukas Klostermann von RB Leipzig, der bei Olympia die Außenlinie mit erstaunlichem Tempo entlang flitzte, hat sich das Kreuzband gerissen.

Im Sturm könnte Davie Selke also qua Anwesenheit befördert werden. Er ist Strafraumstürmer. Er ist Deutscher. Sonst ist keiner da. Allerdings muss man trotz allem erstmal ein paar Bundesliga-Tore geschossen haben, um sich Nationalstürmer nennen zu dürfen. Falls ihm das in Leipzig gelingt, steht die Tür offen. Vereinskollege Timo Werner ist kein Strafraumstürmer, er kommt eher über außen.

Natürlich muss sich jede U21-Nationalmannschaft mit dem Team von 2009 vergleichen lassen. Damals wurden in Schweden unter anderem Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Sami Khedira und Mesut Özil in einer Mannschaft Europameister. Allerdings spielten sie in einer Zeit, in der Joachim Löw die Ballacks und Frings' dieser Welt gegen eine neue Fußballgeneration tauschte.

Der aktuelle Jahrgang hat das Pech, dass die Weltmeister-Generation noch nicht reif für die Ablösung ist. Für den deutschen Fußball ist es aber fast die beste Nachricht überhaupt. Eine U21 gewinnt alle Spiele und trotzdem kommen nur ein oder zwei Spieler für die A-Nationalmannschaft in Frage.

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