U21-Niederlage gegen die Niederlande:Nur eine gute Halbzeit für Holtby und die Grünschnäbel

Lewis Holtby erfrischt sich im EM-Gruppenspiel gegen die Niederlande

Lewis Holtby erfrischt sich im EM-Gruppenspiel gegen die Niederlande.

(Foto: Getty Images)

Die bittere 2:3-Auftaktpleite gegen Holland setzt Deutschlands U21-Auswahl bei der EM unter großen Druck. Die Mannschaft von Rainer Adrion wirkt in der ersten Halbzeit arg lethargisch. Der Trainer liefert dafür eine erstaunliche Erklärung, schöpft aber Mut aus der Aufholjagd. Nun muss gegen Spanien ein Sieg her.

Von Stephan Knieps, Tel Aviv

Es war kein leichtes Spiel am Donnerstagabend für die zahlenmäßig überlegenen Israelis im neu gebauten Stadion in Petah Tikva. Tendenziell hielten die meisten Zuschauer weder zu Deutschland noch zu den Niederlanden; sie wollten wohl einfach ein schönes Spiel sehen.

Aber dieses Spiel wogte nur so hin und her, dass man als unbeteiligter Zuschauer schon mal seine Sympathie wechseln konnte. Als Lewis Holtby in der 81. Minute mit einem Flachschuss ins lange Eck den 2:2-Ausgleich erzielte, da jubelten die 7664 Zuschauer so erlöst, als hätten sie die zwei holländischen Tore von Maher (24.) und Wijnaldum (38.) in der ersten Hälfte nicht ebenso begeistert beklatscht. Es war wohl das untrügliche Zeichen für den verdienten Ausgleich.

"Die Mannschaft lebt und sie fightet"

Aber weil das Publikum in der 90. Minute noch einmal jubelte, über den 3:2-Siegtreffer von Fer, konnten die Holländer drei Punkte mitnehmen. Für die Deutschen, die nun vorerst Gruppenletzter sind, blieb lediglich die Erkenntnis, die Trainer Rainer Adrion so zusammenfasste: "Die Mannschaft lebt und sie fightet."

Das hatte man nach der ersten Halbzeit nicht behaupten können. Die Holländer, mit zahlreichen A-Nationalspielern in der Startelf, konnten immer wieder durch geschicktes Positionsspiel in große Lücken vordringen. Vor allem Flügelspieler Ola John von Benfica Lissabon stellte mit seiner Schnelligkeit und Ballkontrolle seine deutschen Gegenspieler Oliver Sorg und Matthias Ginter vor erhebliche Probleme. Vor dem 0:1 tanzte er Sorg und Sebastian Rode aus, vor dem 0:2 spazierte Torschütze Wijnaldum 20 Meter durch die deutsche Abwehr hindurch, ehe er den Ball in Lenos Tor drosch. Die deutsche Mannschaft bekam keinen Zugriff auf dieses Spiel, sie schien seltsam gelähmt.

Trainer Adrion versuchte zu erklären: Man habe ja viele unerfahrene Spieler dabei, die nicht international spielen und deshalb von so einem Ereignis beeindruckt sein könnten. Das ist äußerst zurückhaltend formuliert angesichts der Tatsache, dass im EM-Kader einzig Kapitän Lewis Holtby schon Einsätze in der A-Mannschaft vorweisen kann. Andere U21-Leistungsträger wie Sebastian Jung (Eintracht Frankfurt) und Jan Kirchhoff (FSV Mainz 05) fehlen verletzt, Moritz Leitner von Borussia Dortmund wurde bewusst nicht für das Turnier in Israel nominiert. Selbst die A-Nationalspieler Mario Götze und Toni Kroos hätten aufgrund der Uefa-Regularien noch spielen dürfen.

"Die würde ich gerne mal gegen unsere A-Nationalmannschaft sehen"

Wegen dieses Ungleichgewichts und des knappen Ergebnisses rutschte Holtby hinterher der provokante Satz raus: "Die würde ich gerne mal gegen unsere A-Nationalmannschaft spielen sehen." Dann wollte er aber lieber nicht mehr von den schlechten Dingen sprechen. "Jetzt ist es wichtiger, über die zweite Halbzeit zu reden", sagte der Stürmer von Tottenham Hotspur, und das tat er dann auch: "Die war sehr, sehr positiv. Wie aggressiv wir waren, wie willig wir waren, das Spiel zu drehen." Adrion ergänzte, in seiner Halbzeitansprache lautete der Tenor: "Auf geht's, wir machen den Anschlusstreffer."

Offenbar muss dieser Appell kurz, aber sehr prägnant gewesen sein. Schon Minuten vor Wiederanpfiff standen die deutschen Spieler auf dem Feld und schossen sich unruhig die Bälle zu; keine 60 Sekunden nach der Pause verwandelte Sebastian Rudy einen Elfmeter. Die DFB-Elf war wieder dran. "Wir mussten in der Pause einen Rhythmuswechsel vornehmen", erklärte Tony Jantschke später. Und tatsächlich verlegte die deutsche Mannschaft nun ihre Angriffsreihe ein paar Meter nach vorne. Sie spielte auf einmal mit Mut, mit Wucht und präzisen Direktpässen gefährlich nach vorne, wie etwa beim perfekt choreografierten Angriff über Holtby, Herrmann und Lasogga (56.), beim Lattenschuss von Kevin Volland (63.) - und natürlich bei Holtbys Ausgleich.

Nächstes Spiel gegen Spanien

Der 3:2-Siegtreffer für die Holländer in letzter Minute, nach einer Standardsituation, versetzte dem Aufbäumen den K.-o.-Schlag. Dennoch lautete Adrions Fazit: "Wir haben in der zweiten Hälfte ein sehr begeisterndes Spiel abgeliefert, eine tolle Moral gezeigt und Dinge umgesetzt, die wir uns von Anfang an vorgenommen hatten." Das mache Mut für das Spiel gegen Spanien.

Nun ist das Teilnehmerfeld bei dieser EM-Endrunde mit acht Teams eher übersichtlich. So ein verkorkster Auftakt, wie ihn Deutschland sich geleistet hat, bringt da schnell Dynamik in die Gruppe: Falls die Deutschen im nächsten Spiel gegen die siegreichen Spanier nicht punkten, können sie praktisch schon den Heimflug buchen.

Die Frage lautete, wie sie das verhindern wollen. Rudy sagte leise: "Wir werden einen Plan haben am Sonntag." Es klang wie eine Drohung. Die nackte Wahrheit aber ist sehr unspektakulär: 90 Minuten lang so spielen wie gegen Holland in den zweiten 45 Minuten.

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