U21-EMDas Alternativprogramm zur Klub-WM

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Gut, dass er da ist: Nach dem DFB-Pokalfinale und der Nations League tritt Nick Woltemade nun bei der U21-EM an.
Gut, dass er da ist: Nach dem DFB-Pokalfinale und der Nations League tritt Nick Woltemade nun bei der U21-EM an. (Foto: Marco Steinbrenner/DeFodi Images/Imago)

Die deutsche U21 muss wegen des Turniers in den USA auf Spieler und Aufmerksamkeit verzichten. Trainer Antonio Di Salvo reist mit einem vielversprechenden Kader in die Slowakei.

Von Ulrich Hartmann

Nick Woltemade hatte jüngst im Nations-League-Finalturnier vier Torchancen: zwei im Halbfinale gegen Portugal und zwei im Spiel um Platz drei gegen Frankreich. Er hat keine davon genutzt, Deutschland hat beide Spiele verloren. Aber glücklicherweise muss Woltemade nun nicht auf eine paradiesische Urlaubsinsel fliegen, um dort jede Nacht von den verpassten Gelegenheiten zu träumen.

Der 23 Jahre alte Mittelstürmer ist gleich weitergereist zur U21, die von diesem Donnerstag an bei der Europameisterschaft in der Slowakei mitspielt. Warum Woltemade diese Odyssee auf sich nimmt? „Ich will die Chancen, die ich in der Nationalmannschaft hatte, bei der U21 verwandeln“, sagt er grinsend. Gut, wenn einem das Leben Gelegenheiten zur schnellen Wiedergutmachung bietet.

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Tom Bischof, 19, gilt als großes Talent und reist jetzt mit dem FC Bayern zur Klub-WM in die USA. Dabei steht er stellvertretend für all die jungen Spieler, an denen die unterschiedlichsten Kräfte ziehen und zerren.

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Woltemade hat bis Mitte Mai mit dem VfB Stuttgart in der Bundesliga gespielt, danach das Pokalfinale gegen Bielefeld gewonnen, dann mit der A-Nationalmannschaft die Nations-League-Endrunde bestritten. Und jetzt absolviert er auch noch die U21-EM. „Ja, das ist tough“, sagt er, „aber ich habe richtig Bock drauf.“ Dürfte Stuttgart bei der Klub-WM in den USA mitspielen, würde Woltemade vermutlich zwischen den Spielen in den USA und der Slowakei hin- und herfliegen.

Apropos Klub-WM: So ganz persönlich, als Fußballfan, würde der U21-Trainer Antonio Di Salvo gar nicht ausschließen wollen, dass dieser auf 32 Vereine und eine Milliarde Dollar Preisgeld aufgeblasene Wettbewerb „interessant“ werden und „für eine gewisse Begeisterung“ sorgen könnte. Als U21-Trainer, der zur selben Zeit sein Nachwuchsteam durch die EM führt, fällt der 46-Jährige aber ein subjektives Urteil über das Fifa-Event: „Da wurde ein Wettbewerb reingedrückt, der den Spielern nicht guttut.“ Und ihm als U21-Trainer schon dreimal nicht.

Vier Bayern- und BVB-Profis spielen bei der Klub-WM statt bei der U21

Fände nämlich nicht parallel zur U21-EM diesmal vier Wochen lang die Klub-WM statt, dann stünden Di Salvo für seinen EM-Kader vier zusätzliche Topspieler zur Verfügung: Torwart Jonas Urbig und Tom Bischof vom FC Bayern sowie die Stürmer Karim Adeyemi und Maximilian Beier von Borussia Dortmund. Es gab aber zwischen Di Salvo und den Verantwortlichen Max Eberl (Bayern) und Sebastian Kehl (BVB) keine großen Debatten darüber, dass diese vier Spieler mit ihren Klubs in die USA reisen statt zur U21. Di Salvo sagt: „Bei der Klub-WM geht es um viel Geld. Ich jammere nicht. Ich bin mit diesen Entscheidungen fein.“

Immerhin ein Spieler, der auch für die Bayern bei der Klub-WM hätte antreten können, hat sich für die U21-EM entschieden: Paul Wanner. Der zuletzt an Heidenheim verliehene Mittelfeldmann hat bei den Bayern um Freigabe für die EM gebeten, und der Verein zugestimmt.

Di Salvos Vertragsverlängerung ist ein Vertrauensvorschuss des DFB

Di Salvo hat seinen 23er-Kader für die EM beisammen – und siehe: Es ist ein guter Kader. Die mögliche Stammelf für das Auftaktspiel gegen Slowenien an diesem Donnerstag (21 Uhr, Sat1) könnte so aussehen: im Tor Noah Atubolu (Freiburg), als Außenverteidiger Nnamdi Collins und Nathaniel Brown (beide Frankfurt), Innenverteidiger Max Rosenfelder (Freiburg) und Bright Arrey-Mbi (Braga), ein defensives Mittelfeld mit Eric Martel (Köln) und Rocco Reitz (Gladbach) sowie ein Angriff mit Brajan Gruda (Brighton), Paul Nebel (Mainz), Ansgar Knauff (Frankfurt). Und eben Woltemade (Stuttgart) ganz vorn.

Die weiteren Gruppengegner der DFB-Auswahl sind Tschechien und Titelverteidiger England. Die U21 hat ihr Quartier im Westen der Slowakei aufgeschlagen, 35 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bratislava in dem Städtchen Modra, laut Wikipedia die „Perle der Kleinen Karpaten“.

Antonio Di Salvo bei der Vorbereitung auf das Turnier.
Antonio Di Salvo bei der Vorbereitung auf das Turnier. (Foto: Branislav Racko/Imago)

Vor zwei Jahren bei der EM in Georgien, als England Europameister wurde, war Di Salvos damaliges Team nicht über die Gruppenphase hinausgekommen. Es war ein enttäuschendes Turnier, umso mehr will der Coach diesmal zeigen, dass er vor knapp vier Jahren zurecht vom Co-Trainer zum Nachfolger des ausgeschiedenen U21-Erfolgstrainers Stefan Kuntz aufgestiegen war. Der Deutsche Fußball-Bund hat ihm den Vertrag kürzlich bis 2027 verlängert. „Das ist ein Vertrauensvorschuss“, sagt Di Salvo.

Es ist gar nicht so einfach für ihn, in stets komplexen Gemengelagen immer aufs Neue eine zuverlässig abliefernde Mannschaft zusammenzustellen. Klub-WM, Nationalitätswechsel und Verletzungen erschweren die Angelegenheit. Auch Spieler wie Youssoufa Moukoko (BVB, zuletzt ausgeliehen an Nizza), die Salzburger Leandro Morgalla und Hendry Blank sowie der von Kiel nach Bochum wechselnde Colin Kleine-Bekel gehören nach schwierigen Monaten nicht zum EM-Kader.

Di Salvo ist trotzdem zuversichtlich: „Der Kern der Mannschaft hat viele Minuten auf dem Buckel“, sagt er über die Einsatzdichte. Spielpraxis und Wettkampferfahrung schon in jungen Jahren sind hier die wichtigsten Parameter. Und für Unterhaltung zwischen den EM-Spielen ist diesmal auch gesorgt: Dann können die U21-Fußballer im Fernsehen nämlich Klub-WM schauen.

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