Süddeutsche Zeitung

U21:Doppelter Schmerz

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Trotz Finalniederlage bleibt der U21 ein Verdienst. Sie zeigt, dass auch ein strenges System individuelle Fußballer hervorbringen kann.

Kommentar von Sebastian Fischer

Stefan Kuntz hat in den letzten Tagen der U 21-EM von Abschiedsschmerz gesprochen, weil die Generation des Jahrgangs 1996 - die erste, die er zwei volle Jahre lang beim DFB betreut hat - die Nachwuchsabteilung des Verbandes nun hinter sich lässt. Er meinte das persönlich, Kuntz lebt als Trainer von seiner Nähe zu den jungen Profis (was ihn, ganz nebenbei, zu einem sehr geeigneten Trainer für solche jungen Profis macht, aber deshalb noch nicht direkt zum Erfolgstrainer für ältere Profis, den manche nun schon in ihm sehen). Kuntz' Abschiedsschmerz könnte aber auch die Erfolgsaussichten des deutschen Fußballs betreffen. Denn es spricht vieles dafür, dass es in Zukunft für die wichtigste Nachwuchs-Auswahl des Landes schwieriger wird, Titel zu gewinnen.

Junioren-Cheftrainer Meikel Schönweitz hat während des Turniers gesagt, die Jahrgänge, die der aktuellen U 21 nachfolgen, würden "darunter leiden", dass die Nachwuchsarbeit "überprofessionalisiert" sei. Aus dem Ausbildungssystem gingen zu viele gleichförmige Profis hervor, jüngeren Fußballern fehle der Freiraum, auch mal ganz normale junge Menschen zu sein und sich individuell zu entfalten: "Ein 16-jähriges Toptalent hat 30 Leute um sich herum, die ihm sagen, was es zu machen hat!" Von der U 17 bis zur U 20 seien "andere Nationen individuell einfach weiter, technisch, unter Druck" - alles Zitate des obersten Nachwuchsbeauftragen beim DFB. Reformen im Kinderfußball und in der Trainerausbildung sollen dem entgegenwirken.

Einige Protagonisten waren jahrelang keine Juniorennationalspieler gewesen

Die U21 wurde schon vor dem Turnier als der Jahrgang beschrieben, der mit gutem Beispiel vorangehen soll. Die Mannschaft hatte bei der EM Losglück und eine vergleichsweise einfache Vorrunde, sie hat sowohl Teamgeist als auch taktische Disziplin gezeigt. Damit werden, so Schönweitz, individuelle Nachteile manchmal kompensiert. Aber die U 21 hat gegen Dänemark (3:1) und Serbien (6:1) und - nach einem zittrigen 1:1 gegen Österreich - auch im Halbfinale gegen Rumänien (4:2) auch spielerisch überzeugt. Der Auswahl war kein Systemzwang anzusehen. Einige Protagonisten dieses Fußballs, wie Marco Richter vom FC Augsburg oder Florian Neuhaus aus Mönchengladbach, waren jahrelang keine Junioren-Nationalspieler.

Wie man Talente ausbildet in einem Markt, der sie immer wertvoller werden lässt, wie man sie dabei weder überfrachtet noch vernachlässigt, das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Vermutlich kommen aus dieser U 21 zunächst eher wenige in der A-Elf an, der Generationswechsel ist dort schon ohne sie vollzogen, und die Finalniederlage gegen Spanien zeigte auch Grenzen auf. Dennoch hat das Team bewiesen, dass sich Geduld mit talentierten Spielern lohnt. Und weil das in den nächsten Jahren noch wichtiger werden könnte, ist es schon mal ein Verdienst.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2019
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