Deutsche U21 im EM-Finale:"Er hat uns hart angepackt, das hat uns gutgetan"

  • Nachdem sie gegen Rumänien das erste Mal bei der U-21-Europameisterschaft hinten liegen, spielen sich die Deutschen noch rechtzeitig zurück und damit ins Finale.
  • Beim 4:2-Sieg der DFB-Junioren erzielen Waldschmidt und Amiri die entscheidenden Tore per Freistoß in letzter Minute.
  • Trainer Stefan Kuntz soll die Mannschaft neben taktischen Umstellungen auch mit seiner Kabinenansprache zum Sieg gebracht haben.

Von Sebastian Fischer, Bologna

Es gibt im deutschen Fußball schon eine reiche Historie berühmter Kabinenansprachen, aber sie ist nun noch ein kleines bisschen reicher. Den genauen Wortlaut hat Stefan Kuntz am Donnerstabend nicht verraten, als er schwitzend über das 4:2 der deutschen U 21 gegen Rumänien im Halbfinale der Junioren-Europameisterschaft sprach, es war ja immer noch fast 40 Grad warm in Bologna. Aber der Trainer erzählte, dass er beim Stand von 1:2 zur Halbzeit einige der talentiertesten Fußballer einer ganzen Generation gefragt hatte, ob sie sich wirklich so verabschieden wollen von der größten Bühne, die der Sport ihnen alleine bereiten kann. Und sie hatten mit Nein geantwortet.

Die deutsche U 21 ist zwei Jahre nach dem EM-Titelgewinn in Polen nur noch einen Sieg davon entfernt, in Italien wieder Europameister zu werden. Wie 2017 trifft die DFB-Elf am Sonntag im Finale auf Spanien. Es war einerseits individueller Klasse zu verdanken, dass die Spieler noch in der Nacht feiernd im Bus nach Udine fuhren, wo das letzte Spiel des Turniers wieder stattfindet. Aber die Mannschaft gewann auch mit etwas, das wie ein Wort aus der Mottenkiste des Fußballs klingt, das sie beim DFB aber gerne wieder kultivieren möchten: Mentalität.

Zunächst zur individuellen Klasse: Stürmer Luca Waldschmidt hat nun sieben Turniertore erzielt, eines mehr als der letzte deutsche U21-EM-Torschützenkönig Pierre Littbarski 1982. Gegen Rumänien schoss er in der 90. Minute nach einem Freistoß das wegweisende 3:2, an der Mauer vorbei und einem Rumänen durch die Beine, nachdem er mit einem Elfmeter schon das 2:2 erzielt hatte. Waldschmidt, 23, musste selbst ein wenig lachen, als er danach zum wiederholten Male erzählte, was er bei diesem Turnier einem großen Publikum gezeigt hat, größer als beim SC Freiburg in der Bundesliga: "Ich glaub, ich hab mich gut entwickelt."

Der Abend beginnt mit Pfiffen gegen die Deutschen

Auch Flügelstürmer Nadiem Amiri von der TSG Hoffenheim, ebenfalls bald 23 und damit nach dem Finale kein U21-Nationalspieler mehr, hat sich entwickelt. Schon 2017 spielte er bei der U21-EM mit, war aber in der Bundesliga-Rückrunde verletzt und deshalb in den ersten drei Spielen nur Einwechselspieler, am Donnerstag lief er erstmals von Beginn an auf. Es war auffällig, wie sehr ihn seine Mitspieler mit ihren Pässen suchten. Amiri schoss das 1:0 nach einem Konter und das 4:2 in der Nachspielzeit mit dem zweiten Freistoßtor binnen weniger Minuten. Danach sprintete er jubelnd zur deutschen Bank. "Ich war eigentlich tot, aber dann hatte ich Kraft", sagte er.

Der Abend in Bologna hatte für die deutsche Elf damit begonnen, dass sie ausgepfiffen wurde, schon beim Warmmachen, wobei das natürlich ein irrwitziger Begriff ist, wenn man im Sitzen schwitzt. Die Hitze war ein Gegner für beide Teams, es war auch der Schatten im Stadion, der in der zweiten Halbzeit das Spiel beeinflusste, der guttat, wie Amiri sagte. Doch elf Rumänen mit der Unterstützung von rund 10 000 Fans, die pausenlos sangen, die trommelnden Schlägen auf Schreibpulten zufolge auch auf der Pressetribüne saßen - sie waren ein Gegner, der für die deutschen Junioren zu groß zu werden schien.

Kuntz' Mannschaft hatte bislang im Turnier noch nie zurückgelegen. Die Spiele in der Vorrunde waren manchmal begeisternd gewesen wie das 6:1 gegen Serbien, doch sie waren ob der Schwäche der Gegner in ihrer Aussagekraft begrenzt. Rumänien jedoch war die Überraschungsmannschaft des Turniers, hatte England geschlagen und Frankreich in der Gruppe hinter sich gelassen. Über Ianis Hagi hatten alle gesprochen vor der Partie, über den Spielmacher, den Sohn des großen Gheorghe Hagi. Es war dann aber der Stürmer George Puscas, der mit einem Elfmeter, dem vierten gegen die deutsche Elf im vierten Spiel, und einem Kopfballtor ein 0:1 in ein 2:1 verwandelte. Torwart Alexander Nübel hielt noch einen Kopfball von Puscas, den nur sehr gute Torhüter halten. Dann war Pause. Und die deutschen Spieler schienen sich nicht nur von den Temperaturen erholen zu müssen.

"Es war eine sehr, sehr emotionale Ansprache vom Trainer."

Meikel Schönweitz ist als Junioren-Cheftrainer beim DFB derjenige, der das große Ganze im Blick haben muss, Nachwuchsprobleme zum Beispiel, die im Verband in diesem Sommer ein derart großes Thema sind wie lange nicht mehr. Er ist derjenige, der das Wort Mentalität wieder auf den Plan geschrieben hat, für "die letzten fünf Prozent", die deutschen Nachwuchsfußballern in jüngeren Jahrgängen gerade zur Weltspitze fehlen. Er umschreibt damit solch schwierig zu erlernende Fähigkeiten wie "Widerstandsfähigkeit" oder "Abgezocktheit", er hat dafür Ex-Profis wie Heiko Westermann oder Christian Wörns als Trainer eingestellt. Auch Kuntz gilt als Spezialist. Als Schönweitz am Donnerstag das Stadion verließ, sah er sehr zufrieden aus. "Die zweite Halbzeit war ein Beispiel dafür, was du mit Mentalität rausholen kannst", sagte er.

"Es war eine sehr, sehr emotionale Ansprache vom Trainer. Er hat uns sehr hart angepackt, aber das hat uns gutgetan", erzählte Amiri später. Schon vor der Pause hatte Deutschland bei gegnerischem Ballbesitz von einem 4-2-3-1 auf ein 4-4-2-System umgestellt, was dabei half, die wie wild vorgetragenen rumänischen Angriffe früher zu stoppen. Außerdem habe er "eine Form von Überheblichkeit" bei seinen Spielern beobachtet, sagte Kuntz. Umso länger das Spiel dauerte, desto mehr kontrollierten es dann aber die Deutschen. Waldschmidt und der eingewechselte Lukas Nmecha hätten das 3:2 schon früher schießen müssen. Und vielleicht war es für die Mentalität, fürs Finale, ja sogar gut, dass die Tore erst spät fielen. "Die ganze Mannschaft", sagte der zurückhaltende Stürmer Levin Öztunali, "ist explodiert."

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