Süddeutsche Zeitung

Deutschland bei der U21-EM:Den Ausgleich eingewechselt

Lesezeit: 3 min

Beim 1:1 gegen die Niederlande wirkt die deutsche Mannschaft lange unterlegen und gerät durch einen Torwartfehler in Rückstand - bis ein junger Mainzer einen wichtigen Treffer vorbereitet.

Von Ulrich Hartman

Eigentlich hätte der Mainzer Angreifer Jonathan Burkardt am Samstagabend gegen die Niederlande gar nicht unbedingt mitspielen sollen. Die Leiste bereitete ihm Beschwerden. Adduktorenprobleme, heißt das im medizinischen Bulletin. In der 82. Minute wurde Burkardt trotzdem verzweifelt ins zweite deutsche Gruppenspiel bei der U21-Europameisterschaft eingewechselt, weil Deutschland nämlich mit 0:1 zurücklag, ausgerechnet durch einen kapitalen Fehler seines Mainzer Klubkollegen, dem Torwart Finn Dahmen. Der hatte an diesem Tag auch noch Geburtstag. Er wurde 23.

Ehrensache, dass Burkardt versuchte, diesen Karren mit aus dem Dreck zu ziehen. Und wie! 140 Sekunden nach seiner Einwechslung setzte er sich auf der rechten Seite durch und passte einen Ball ins Zentrum, wo Lukas Nmecha (RSC Anderlecht) den Ausgleich zum 1:1 (0:0)-Endstand erzielte. Es war ein extrem wichtiges Tor. So nämlich genügt der deutschen Mannschaft im finalen Gruppenspiel am Dienstag (18 Uhr) gegen Rumänien ein Unentschieden zum Einzug in jenes Viertelfinale, das erst am 31. Mai ausgetragen wird.

"Für Finn war es sehr unglücklich, deshalb haben wir gerne dieses Tor für ihn gemacht", sagte der Abwehrspieler Nico Schlotterbeck von Union Berlin hinterher. "Wir trinken ein, zwei Gläschen mit ihm, dann passt das schon wieder." Bereits kurz nach dem Abpfiff trösteten die Feldspieler ihren Torwart reihenweise. Der Bundestrainer Stefan Kuntz hatte sich erst kurz vor der EM für Dahmen anstatt des Leverkuseners Lennart Grill entschieden mit der prägnanten Begründung: "Bauchgefühl". Nun hätte Dahmen beinahe für Bauchweh gesorgt.

Als "eine der berühmtesten Rivalitäten des Fußballs" war das Duell Deutschland-Niederlande auf der Internetseite des europäischen Verbands Uefa angekündigt worden, weshalb Kuntz vorher auch nicht mehr groß das Gefühl hatte, seine Spieler noch explizit heiß machen zu müssen. "Man darf auch nicht overpacen", hatte er gewarnt. Bloß nicht übertreiben! Leider war seine Mannschaft bis zum 0:1 dann offensiv recht passiv. Als sie schließlich zunehmend auf den Ausgleich drängte, wäre es beinahe zu spät gewesen. Bis Burkardt eingewechselt wurde.

3-4-2-1 lautete diesmal der deutsche Code. Links vor der Dreierabwehrkette stand der Kölner Ismail Jakobs neu in der Startelf. Im zentral-offensiven Mittelfeld feierte dessen Klubkollege Salih Özcan sein U21-EM-Startelf-Debüt. Bei den Niederländern wurden die Deutschland-Legionäre Deyovaisio Zeefuik (Hertha BSC Berlin) und Ludovit Reis (VfL Osnabrück) herausrotiert. Bondscoach Erwin van de Looi (im Jahr 2000 acht Mal für die Stuttgarter Kickers in der zweiten Liga im Einsatz) brachte den Mario-Götze-Klubkollegen Cody Gakpo aus Eindhoven in die Startelf und hatte das Pech, dass Stürmer Noa Lang (Brügge) nach einem Zusammenprall mit seinem Mitspieler Teun Koopmeiners (Alkmaar) nach nur 22 Minuten durch Ferdi Kadioglu (Fenerbahce) ersetzt werden musste.

Nach ihrem mauen 1:1 im ersten Spiel gegen Rumänien übernahmen die Niederländer die Initiative. Die Deutschen ließen sie kommen. Nach einer Gakpo-Flanke drückte Dani de Wit den Ball in der 36. Minute per Kopf an den Pfosten. Drei Minuten später vergab Justin Kluivert (RB Leipzig) die zweite Chance für Oranje zur Führung.

Ein Gegentreffer hatte sich zwar angedeutet, so, wie er in der 48. Minute dann fiel, war er allerdings komplett überflüssig. Josha Vagnoman (Hamburger SV) warf einen Einwurf zum eigenen Torwart Dahmen, dieser wollte den Ball eigentlich auch bloß weit wegschlagen, traf ihn allerdings nicht richtig und legte ihn dem heranstürmenden Kluivert zum allzu leichten Einschuss vor.

Zwei Minuten später gerieten Jakobs und der Niederländer Jordan Teze, von Salih Özcan gefoult, aneinander und sahen Gelb. Die Erregung hatte eine Vorgeschichte. Im Oktober 2018, nach einem U20-Spiel zwischen Deutschland und den Niederlanden in Meppen, hatte Teze Özcan ins Gesicht gespuckt und war von seinem Verband gesperrt worden.

Die beste Chance zum Ausgleich hatte zunächst der Bielefelder Amos Pieper mit einem Schuss aus spitzestem Winkel in der 81. Minute. Der Torwart Kjell Scherpen (Ajax) parierte jedoch stark. Als Nmecha drei Minuten später aus kürzester Distanz zum 1:1 einschoss, war Scherpen machtlos. "Johnny hat ihn super vorbereitet", lobte Nmecha. Der Rest des Abends stand unter dem Motto: Mainz wie es singt und lacht.

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