Dass der neue deutsche U-21-Nationaltrainer dem Zweitligisten SC Paderborn den Aufstieg in die Bundesliga wünscht, ist weder deplatzierte Schmeichelei noch unangemessene Parteinahme. Es ist nur menschlich. Antonio Di Salvo wurde vor 42 Jahren als Sohn sizilianischer Eltern in Paderborn geboren und hat in dieser Stadt seine Fußballerkarriere begonnen. Wenn er nun am Donnerstag erstmals in offizieller Mission nach Paderborn heimkehrt, mit der ältesten Junioren-Nationalelf des DFB für das EM-Qualifikationsspiel gegen Israel (18.15 Uhr), dann ist dieses Debüt als U-21-Cheftrainer für ihn: "Etwas ganz, ganz Besonderes."
Vor zwei Wochen erst hat Di Salvo das Amt von Erfolgscoach Stefan Kuntz übernommen, der als A-Nationaltrainer in die Türkei gewechselt ist. Sein erster Einsatz als Boss führt ihn nun just nach Paderborn, in die 150 000-Einwohner-Stadt in Ostwestfalen, südlich von Bielefeld. "Es ist schon eine kuriose Episode, dass mein erstes Spiel ausgerechnet in meiner Heimatstadt ist", sagt er, "ich bin sicher, dass ich große Unterstützung bekomme von meiner Familie und vielen Freunden."
Antonio Di Salvo kennt alle relevanten Trainer
Den Weg des SC Paderborn verfolgt Antonio Di Salvo ohnehin akribisch, aber neuerdings wohl noch ein bisschen intensiver, weil er zusammen mit dem neuen SC-Trainer Lukas Kwasniok vor drei Jahren sein Fußballlehrer-Diplom gemacht hat. "Ich freue mich riesig, dass Paderborn so super in die Saison gestartet ist", sagt Di Salvo, "sie haben mit Lukas einen hervorragenden Trainer verpflichtet. Ich hoffe, dass sie am Ende der Saison auf dem Marienplatz wieder etwas feiern können."
Manchmal hat man des Gefühl, Di Salvo habe in seinem ereignisreichen Fußballleben irgendwie alle relevanten Trainerkollegen schon einmal persönlich getroffen. Im März 2000 bestritt er unter Coach Ottmar Hitzfeld seinen einzigen Einsatz in der Champions League für den FC Bayern. Im September 2001 schoss er sein erstes Bundesliga-Tor für Hansa Rostock, Trainer war: Friedhelm Funkel. Die Vorlage zu seinem Debüt-Treffer gab ihm damals Steffen Baumgart, der vormalige Paderborner und heutige Kölner Trainer.
Als Di Salvo 2011 seine Trainerkarriere begann, war er in der B-Jugend von Bayern München Co-Trainer, erst bei Stephan Beckenbauer, dann bei Marcus Sorg und schließlich bei Heiko Herrlich. Als er 2013 zum Deutschen Fußball-Bund (DFB) wechselte, startete er als Assistent bei der U 19, erst von Marcus Sorg, dann von Guido Streichsbier und schließlich von Christian Ziege. 2016 wurde er Co-Trainer der U 21. Dort hat er fünf Jahre lang mit Kuntz zusammengearbeitet. Ein weiterer Co-Trainer war Daniel Niedzkowski, der Torwarttrainer hieß Klaus Thomforde. Beide bleiben bei der U 21 unter dem neuen Chef Di Salvo in ihren Ämtern. Neu hinzu kommt Hermann Gerland als Co-Trainer.
Falsche Nummer: Auch eine Spieler-Mama erhält eine Nominierung
In jeder Juniorenmannschaft des DFB gibt es im Trainerstab einen sogenannten "Altersexperten", einen Trainer "mit Erfahrung" und einen für "Innovation". Innovationsbeauftragter der U21 ist Niedzkowski, der zugleich Leiter des Fußballlehrer-Lehrgangs ist. Altersexperte ist Di Salvo, 42, als langjähriger Trainer im Nachwuchsbereich.
Und der neue Mann mit dem Etikett "Erfahrung" ist anstelle des vormaligen Chefs Kuntz jetzt Hermann Gerland mit seinen 67 Jahren. "Wir haben uns immer schon als Team verstanden", sagt Di Salvo über die Zusammenarbeit im Trainerstab unter dem Ex-Chef Kuntz, der die U 21 drei Mal nacheinander ins EM-Finale und zwei Mal zum Titel führte. "Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern", sagt Di Salvo zur Frage, was er anders machen wolle.
Diese Haltung kommt seinen Spielern zupass. "Mit großen Veränderungen rechne ich nicht, ich denke, dass er es so weiterführt", sagt Yannik Keitel vom SC Freiburg: "Wir haben mit Toni einen super Cheftrainer, den wir ja schon kennen. Er ist sehr diszipliniert, hat eine gute Ausstrahlung und kommt gut an." Das sind lobende Worte, die man so von jungen Spielern für den Trainer eher nicht kennt. Normalerweise loben umgekehrt Trainer mit solchen Worten ihre jungen Spieler.
"Ein sehr zielstrebiger Trainer", sei dieser Antonio Di Salvo
Auch Torwart Luca Philipp von der TSG Hoffenheim lobt Di Salvo: "Er ist ein sehr zielstrebiger Trainer, setzt viel auf Kommunikation und Offenheit und darauf, dass wir uns untereinander verstehen. Wir waren in den ersten beiden Spielen erfolgreich, daher gibt es keinen Grund, groß etwas zu ändern."
Am Donnerstag soll es im dritten EM-Qualifikationsspiel den dritten Sieg geben. Nach einem 6:0 in San Marino und einem 3:1 in Lettland kommt es gegen Israel zum Spitzenspiel der bislang ungeschlagenen Mannschaften. Ein Sieg wäre ein größerer Schritt Richtung EM-Endrunde 2023 in Rumänien und Georgien.
Di Salvo, bislang ausgewiesener Co-Trainer, war für zwei Spiele sogar schon mal Assistent im A-Nationalteam. Das war im Juni 2019, als Joachim Löw wegen Durchblutungsstörungen behandelt werden musste und zwei Länderspiele verpasste. Löws Assistent Marcus Sorg sprang als Interimstrainer ein und berief Di Salvo für EM-Qualifikationsspiele in Belarus und gegen Estland zu seinem Assistenten. Und was soll man sagen: Zwei Siege und 10:0 Tore gingen eindeutig mit auf Di Salvos Konto.
Einen Fauxpas hat sich der neue U-21- Chef allerdings auch schon erlaubt - aber einen netten. Davon berichtet der Freiburger Keitel: "Toni wollte mir per Whatsapp mitteilen, dass ich nominiert bin; weil er aber noch eine alte Nummer von mir hatte, ging die an meine Mutter." Von ihr habe er erfahren, dass er zur U 21 eingeladen sei. Für Keitel eine schöne Nominierung: "Ich fand's witzig."