Eine "sehr hohe Qualität" bescheinigt der künftige Sportdirektor Hansi Flick dem 95/96er-Jahrgang, zumindest jenem Teil des Jahrgangs, der Deutschland gerade in Ungarn vertritt; eine sehr, sehr, sehr hohe Qualität ließe sich dem Jahrgang bescheinigen, wenn auch noch Max Meyer, Leon Goretzka (beide Schalke), Timo Werner (Stuttgart), Serge Gnabry (FC Arsenal) und Niklas Süle (Hoffenheim) dabei wären, die aus unterschiedlichen Gründen in Ungarn fehlen.
Goretzka muss verletzt passen, aber bei Meyer und Werner haben die Klubs ihr Veto eingelegt. Auch das wird künftig zu Flicks zentralen Aufgaben zählen: die Bundesligisten zu überzeugen, dass ihre Talente von den Erfahrungen einer solchen Veranstaltung womöglich mehr profitieren als von den Trainingseinheiten im Klub. "Es kann später allen nur helfen, wenn Spieler Turnier-Situationen schon mal erlebt haben", sagt Flick.
Flick weiß, dass ihm das Turnier in Ungarn jetzt praktische Argumente liefert. Zweifelnden Vereinsfunktionären kann er künftig das Selke-Prinzip erläutern, jene Win-win-win-Situation, von der - im Idealfall - alle Beteiligten etwas haben. Der Bremer Stürmer Davie Selke hat in den drei Vorrundenspielen bisher fünfmal getroffen, in den internationalen Medien wird er als die Entdeckung der EM gefeiert, was a) der DFB-Elf hilft, b) dem Spieler selbst und c) dem Verein Werder Bremen, der ein zuletzt etwas stagnierendes Talent als euphorisches Talent zurückbekommt.
Wie sehr sich Spanien, Niederlande, Frankreich, Italien und all die anderen jetzt wegen Selke Sorgen machen müssen, ist aber noch nicht entschieden. Ob Selke zum Sukuta-Pasu wird oder zu einem Anwärter auf den Klose-Job, ist aufgrund seines eigenwilligen Spielstils auch für Experten schwer einzuschätzen. "Er hat sicher das gewisse Etwas, das es im Strafraum braucht", sagt Flick. Selke hat interessante Stürmerbewegungen, er ist schneller, als man es 1,90-Meter-Menschen zutraut, aber seine Ballbehandlung wirkt mitunter etwas, nun ja, hünenhaft. Im nächsten Moment aber wirkt sie fast wieder elegant.
In Bremen werden sie nun zeigen müssen, dass sie die Förderung junger Spieler nicht verlernt haben, Sportchef Thomas Eichin überlegt gerade, wie er Selke am ehesten gerecht wird. Er erwägt offenbar, ihn in die zweite Liga zu verleihen, aber er weiß, dass er vorher den Vertrag verlängern sollte. Der Vertrag seines neuen EM-Helden läuft 2015 aus.