EM-Titel für Basketball-Nachwuchs:„Immer noch surreal, dass wir es wirklich geschafft haben“

Lesezeit: 4 Min.

Ivan Kharchenkov gewann mit dem DBB-Nachwuchs die Europameisterschaft - jetzt steht für ihn erst einmal Urlaub an, ehe demnächst die neue Saison beginnt. (Foto: Aleksandar Djorovic/Imago)

Das gab’s noch nie: Die deutsche U18 ist erstmals Basketball-Europameister. Großen Anteil daran haben die Ausnahmetalente Hannes Steinbach aus Würzburg und Ivan Kharchenkov vom FC Bayern – ihren Weg prägen interessante Parallelen.

Von Katalina Farkas

Während der eine oder andere Basketballer der deutschen Männer-Nationalmannschaft dieser Tage noch einen geplatzten Medaillentraum verarbeiten muss, können es die Mitglieder einer anderen deutschen Auswahl nach wie vor kaum fassen, dass nun eine Medaille – und dann auch noch eine goldene – ihre Zimmer schmückt. Hannes Steinbach zumindest ist weiterhin völlig hin und weg von der Auszeichnung, die jetzt in seinem WG-Zimmer in Würzburg im Regal liegt.

„Das ist echt immer noch surreal, dass wir es wirklich geschafft haben“, sagt Steinbach, 18. Ivan Kharchenkov, dessen Medaille mit ihm nach München gereist ist, gibt sich etwas abgeklärter. Aber auch der 17-Jährige findet es „ziemlich cool“, sich jetzt Europameister nennen zu dürfen: „Wir hatten immer das Ziel, die EM zu gewinnen“, erzählt er. „Wir sind solide gestartet, sind von Spiel zu Spiel gegangen. Und dann hat einfach alles gepasst.“

„Eines der größten Talente seines Jahrgangs in Europa“: Hannes Steinbach. (Foto: Heiko Becker/HMB-Media/Imago)

Kharchenkov betreibt höfliches Understatement: Es ist schon eine kleine Sensation, die das Team in diesem Sommer im finnischen Tampere hingelegt hat: Erstmals haben die U18-Junioren eine Europameisterschaft gewonnen – es ist der erste Titel überhaupt für ein deutsches männliches Juniorennationalteam –, nachdem sie im vergangenen Jahr in ähnlicher Besetzung den dritten Platz erreicht hatten. In diesem Jahr aber ist das Team um Trainer Alan Ibrahimagic ungeschlagen durch das Turnier im finnischen Tampere marschiert, hat nicht nur die Gruppenphase souverän gemeistert, sondern auch die darauffolgenden Spiele mehr als deutlich gewonnen.

Nur das Viertelfinale war eine kleine Zitterpartie, die Deutschland mit nur einem Punkt Vorsprung – und durch einen beherzten Block von Kharchenkov – für sich entscheiden konnte. Während Kharchenkov im Turnier-Schnitt auf 17,5 Punkte kam, erzielte Hannes Steinbach durchschnittlich 15,4 Punkte und dazu 12,5 Rebounds – ein statistisches Double-Double. Nicht ganz überraschend also, dass Steinbach nach Abschluss der EM ins All-Star-Team gewählt wurde; Kharchenkov war diese Ehre im Vorjahr, nach dem Bronzegewinn, zuteilgeworden.

Kharchenkov und Steinbach zählen derzeit wohl zu den wichtigsten deutschen Basketball-Nachwuchsspielern, in der kommenden Saison werden sie sich erstmals auf bayerischem Profi-Parkett begegnen, als Konkurrenten: Während Steinbach seinen ersten Profivertrag für die Saison 2024/25 bei den FIT/One Würzburg Baskets unterschrieben hat, hat Ivan Kharchenkov bereits im Mai 2024 einen Dreijahresvertrag beim FC Bayern München erhalten.

Ivan Kharchenkov spielt mit den Bayern in der kommenden Saison auch in der Euroleague. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

„Es war für mich klar, dass ich hierbleibe“, erzählt Kharchenkov, der mit seinen 1,98 Metern in der kommenden Saison als Guard für den FC Bayern auflaufen wird. „Hier bin ich aufgewachsen, mir gefällt es hier.“ Kharchenkov ist gerade auf dem Sprung, am darauffolgenden Tag geht es in den Urlaub, danach startet die Saisonvorbereitung. Seit 2017 spielt er im Nachwuchs des FC Bayern, ist dafür eigens auf den eigentlich den Fußballern vorbehaltenen FC Bayern Campus gezogen. Jetzt, nach seinem Realschulabschluss und mit einem Vertrag in der Tasche, will er sich voll auf den Profisport konzentrieren: „Ich kann werfen, ich kann viel Energie mit aufs Feld bringen, ich kann all das liefern, was der Coach von mir einfordert.“ Im vergangenen Jahr habe er hart an sich gearbeitet, um noch vielseitiger zu werden. Der langjährige FCBB-Sportdirektor Daniele Baiesi bezeichnete ihn vor seinem Weggang als „einen der vielversprechendsten Guards überhaupt auf der gesamten europäischen Landkarte“.

Kharchenkov ist ein Talent, das familiär vorbelastet ist: Vater Alexander wurde in den Siebzigerjahren mit der Sowjetunion Basketball-Weltmeister, Mutter Elena spielte ebenfalls erfolgreich in der ersten russischen Liga, bevor die Familie nach Deutschland zog. Eines aber will er klarstellen: „Ja, es mag sein, dass mir einiges in die Wiege gelegt wurde, aber meine Eltern stehen nicht für mich auf dem Feld. Ich lerne viel von ihnen, sie unterstützen mich immer, aber die Arbeit auf dem Spielfeld übernehme ich selbst.“

Steinbachs Vater Burkhard gilt bei den Würzburg Baskets als Legende

Auch der gebürtige Würzburger Steinbach ist vor allem so früh in den Sport gestolpert, weil sein Vater Burkhard, ebenfalls einstiger Profispieler, ihn oft mit in die Halle genommen hat. Bei den Würzburg Baskets gilt er als Legende. Er spielte in den Neunzigern mit dem berühmtesten Basketballsohn der Stadt, Dirk Nowitzki, zusammen und ist als besonders stabiler Centerspieler in die Geschichte des Vereins eingegangen. Sein eigener Sohn will die Geschichte nun fortschreiben – als Power Forward, als ein etwas schnellerer und wendigerer Center, wenn man so will. „Ich wurde nie dazu gedrängt, Basketball zu spielen“, betont Steinbach, angesprochen auf seinen Vater, „aber ich habe auch früh gemerkt, dass es irgendwie ganz gut läuft.“

Als 2,03-Meter-Talent, das vor allem unter dem Korb punkten und rebounden kann, durchlief Steinbach zunächst die Würzburger Basketball-Akademie, stieg in der vergangenen Saison aus der Regionalliga in die ProB-Liga auf und wurde zum MVP, zum wertvollsten Spieler der Nachwuchs-Basketball-Bundesliga NBBL, gekürt. Und jetzt auch noch der EM-Titel, samt Berufung ins All-Star-Team. „Dass ich es ins All-Star-Team geschafft habe, hat gezeigt, dass sich meine Arbeit in den letzten Jahren ausgezahlt hat“, sagt Steinbach. Laut Würzburgs Geschäftsführer Steffen Liebler habe es für Steinbach, „eines der größten Talente seines Jahrgangs in Europa“, einige Angebote aus dem Ausland gegeben. Aber Steinbach hat sich für die Heimat entschieden – zumindest für eine Saison: „Es bedeutet mir schon einiges, dass ich jetzt hier auch mein erstes Profijahr spiele. Es war die absolut richtige Entscheidung, mich hier weiterzuentwickeln.“

Während das Spieljahr für Steinbach erst am 28. September beginnt, startet Kharchenkov bereits am 20. September in die Saison – an seinem 18. Geburtstag. Die Vorfreude auf den Tag ist ziemlich groß: „Ich werde mein erstes Saisonspiel machen und zum ersten Mal alleine mit dem Auto zur Halle fahren. Das wird schon richtig nice.“

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