U-23-Mannschaften der Bundesligisten:Mal Sprungbrett, mal Ballast

Borussia Dortmund - VfL Wolfsburg

Robin Knoche (rechts) schaffte den Sprung über die U 23 und die Regionalliga (insgesamt 68 Spiele) zu den Profis des VFL Wolfsburg (bislang 43 Spiele).

(Foto: dpa)

Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt haben ihre U-23-Mannschaften schon abgeschafft. Andere deutsche Profiklubs sind sich unsicher, welchen Nutzen ihre zweiten Mannschaften noch haben. Skeptiker warnen vor negativen Folgen der Abmeldungen.

Von Tobias Schächter

Jüngst hat Andreas Rettig die Bundesligapartie der U 19-Junioren zwischen dem 1. FC Köln und Schalke 04 beobachtet. Ein Spiel auf unglaublich hohem Niveau sei das gewesen, erzählt der Geschäftsführer Sport der Deutschen Fußball Liga (DFL). Rettig kennt sich aus mit der Ausbildung von Talenten, er war lange Jahre an verantwortlicher Stelle bei Bayer Leverkusen im Nachwuchsbereich tätig.

Nun hat Rettigs alter Klub am Mittwoch seine U 23-Mannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet. Überrascht hat das niemanden mehr in der Branche, Leverkusen war schließlich in der Mitgliederversammlung des Ligaverbandes Ende März Initiator des mit großer Mehrheit angenommenen Antrags, nach dem es keine Pflicht mehr sein soll, ein U 23-Team zu unterhalten. "Wir unterstützen dies, weil den Klubs durch die Freiwilligkeit eine Erweiterung ihrer Möglichkeiten geboten wird", sagt Rettig.

Vor Bayer 04 hatte bereits Eintracht Frankfurt seine zweite Mannschaft vom Spielbetrieb in der Regionalliga abgemeldet, ebenso Zweitligist FSV Frankfurt; auch Zweitliga-Aufsteiger Heidenheim wagt wohl diesen Schritt. Bayers Sportchef Rudi Völler sagt: "Wir mussten erkennen, dass unseren Toptalenten der Sprung in die Bundesligamannschaft nicht über eine zweite Mannschaft in der vierten Liga gelingen kann." Stattdessen will sein Klub nun vermehrt auf Ausleihen setzen sowie U 19 und U 17 in den Fokus nehmen.

Rettig kann dieser Argumentation folgen. Seit der Einführung der Nachwuchsleistungszentren vor gut zehn Jahren hat die Ausbildung in den Bundesligavereinen ein neues Niveau erreicht. "Die Spieler sind heute mit 19 viel weiter als früher", sagt Rettig. Viel mehr Talente schaffen gleich den Sprung aus der U 19 in die Bundesligamannschaft. "Nicht für alle, die aus dem Jugendbereich kommen, ist die vierte Liga der beste Schritt", findet Rettig. Die meisten U 23-Teams der Bundesligisten spielen aber in dieser vierten Liga, die Erweiterung der Regionalligen von drei auf fünf Spielklassen vor drei Jahren sei aus DFL-Sicht im Sinne der Nachwuchsförderung nicht hilfreich gewesen, sagt Rettig.

"In der Regionalliga werden die Spieler nicht besser", sagte jüngst Bruno Hübner, Sportmanager von Eintracht Frankfurt. Bernhard Peters hingegen bezeichnet die vierte Liga als "ideale Plattform für die älteste Ausbildungsmannschaft eines Vereins". Peters ist Direktor Sport für Nachwuchsförderung der TSG 1899 Hoffenheim, er sagt: "Es wird immer die Top Performer geben, die gleich den Sprung in die erste Liga schaffen. Aber für die, die noch etwas Zeit zur Entwicklung brauchen, sind Begegnungen mit robusten, ambitionierten ersten Mannschaften wie Waldhof Mannheim oder TuS Koblenz wie in unseren Fall doch ideal für die Entwicklung."

Hoffenheim wird seine U 23 aus Überzeugung erhalten, alleine schon, um hoffnungsvolle Spieler, die nicht sofort erstligareif sind, "weiter nach unserer Idee auszubilden", wie Peters betont. Er findet: "Man kann nicht sagen, zwei schaffen es direkt, die anderen sind uns egal. Wir wollen unserer systematischen Ausbildungsarbeit gerecht werden." Aus Peters' Sicht wird mit dem Abmelden der ältesten Ausbildungsmannschaft die "hervorragende Arbeit der Nachwuchsleistungszentren ad absurdum geführt".

Verleihen statt U 23

Auch Jens Todt, Sportdirektor beim Karlsruher SC, ist dieser Meinung. "Bayer Leverkusens Strategie ist es, Toptalente aus ganz Deutschland wie Julian Brandt oder Levin Öztunali zu verpflichten und die zweite Kategorie zu verleihen. Solche Handlungsoptionen haben wir nicht", sagt er, die U 23 als Zwischenschritt für Jugendspieler auf dem Weg zum Profi ist für ihn unverzichtbar.

Todt vermutet, Vereine ohne eine zweite Mannschaft könnten im Buhlen um 14- bis 19-jährige Talente mittelfristig einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Außerdem, glaubt Todt, werden künftig Spieler, die nicht bei den Profis zum Einsatz kommen, aber auch nicht über adäquate Wettkampfpraxis in einer zweiten Mannschaft verfügen, "massiv und schnell an Form und Marktwert verlieren".

Todt weiß, dass Zweitligisten wie der KSC mit einem Lizenzspieleretat von rund 6,5 Millionen Euro interessant sein werden für Leihspieler von Klubs wie Leverkusen. "Aber ist es wirklich gut, fünf oder sechs Leihspieler in einer Mannschaft zu haben?", fragt er. Todt sieht die 500 000 Euro, die der KSC derzeit in seine Oberliga-Mannschaft investiert, sinnvoll angelegt. Ligakonkurrent FSV Frankfurt meldete hingehen seine U 23 ab, weil kaum ein Spieler von dort den Durchbruch in der ersten Mannschaft schaffte.

So wird die Angelegenheit nun komplex und wohl von Standort zu Standort anders betrachtet. "Es gibt eben nicht nur einen Weg", sagt Andreas Rettig von der DFL. Dass die Sache nun etwas überhastet ablief, gibt aber auch er zu. Die Lockerung der U 23-Reglung könnte nun dazu führen, dass Vereine das eingesparte Geld zum Stopfen von Finanzlöchern im Profi-Etat verwenden, vermuten Skeptiker. Und das in Zeiten, in denen die Bundesligisten in den kommenden Jahren rund 216 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Saison durch den neuen TV-Vertrag erwarten.

Das sei populistische schwarz-weiß-Malerei, sagt Rettig: Es werde immer Klubs geben, die mehr ausgeben als sie einnehmen, ob mit U 23 oder ohne. "Aber", so Rettig: "Wenn das eingesparte Geld dazu verwendet werden sollte, einen mittelmäßigen 28 Jahre alten Spieler aus einer mittelmäßigen ausländischen Liga zu verpflichten, wäre das nicht gut."

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