U-21-Nationalmannschaft:Die Spitze fehlt

Portugal v Germany - UEFA Under21 European Championship 2015

Eine fürchterliche Demontage: Max Meyer beim 0:5 gegen Portugal.

(Foto: Getty Images)

Die fürchterliche Demontage im EM-Halbfinale zeigt: Auf diese U 21 kann sich Bundestrainer Löw noch nicht verlassen. Es gibt viele Talente, aber wo ist der Spieler, dessen Weg ins A-Team vorgezeichnet ist?

Kommentar von Ulrich Hartmann, Prag

Horst Hrubesch hat kürzlich mitgeteilt, er liebe seine Fußballer und würde sie am liebsten adoptieren. Er nennt seine Mannschaft gern "Familie". Der 64-Jährige genießt als Trainer des Junioren-Nationalteams ein väterliches Image und seit seinem Titelgewinn mit der U21 bei der Europameisterschaft 2009 ein hohes Ansehen im Verband und in der Öffentlichkeit.

Hrubesch hat die aktuelle U21 bei der EM in Tschechien ins Halbfinale geführt, dadurch erstmals seit 1988 eine deutsche Fußballmannschaft für Olympische Spiele qualifiziert und in Prag mit Karel Gott zusammen "Babicka" gesungen. So weit die idyllische Komponente der ambitionierten Nachwuchsförderung im Deutschen Fußball-Bund.

Wo ist der Spieler, dessen Weg ins A-Team vorgezeichnet ist?

Hrubeschs Mannschaft hat ihr EM-Halbfinale dann 0:5 gegen Portugal verloren. Es war eine fürchterliche Demontage. Die größten deutschen Talente haben einen heftigen Nasenstüber erhalten und sich nachher gegenseitig mangelnder Professionalität bezichtigt. Das schürt insofern Skepsis, weil die U21 traditionell als der bedeutendste Zulieferbetrieb für die A-Mannschaft gilt; aus ihr sollen jene Spieler kommen, die Bundestrainer Joachim Löw am liebsten schon bald in seine Turnierkader für EM 2016 und WM 2018 integrieren würde.

Technik und Taktik beherrschen deutsche Nachwuchsspieler zur Genüge - doch mit der Mentalität tun sie sich bisweilen schwer. Im Jahr 2015 haben sich deutsche Junioren-Nationalteams für sämtliche EM- und WM-Endrunden in der ganzen Welt qualifiziert, das ist durchaus ein Wert an sich - allerdings hat die U17 ihr EM-Finale 1:4 gegen Frankreich verloren, die U20 ist im WM-Viertelfinale gegen Mali ausgeschieden, und die U21 wurde gerade von Portugal nach Hause gejagt.

Hrubesch sagt, man dürfe nicht so vermessen sein zu glauben, dass alle DFB-Jugendteams immer alle Titel gewinnen müssten - aber es ist auch kein Zufall, dass sechs Weltmeisterfußballer von 2014 als U21-Spieler 2009 Europameister geworden sind. Sie haben damals ihre mentale Stärke unter Beweis gestellt - jene Qualität, die den aktuellen Junioren zu fehlen scheint.

Löw monierte zuletzt, ihm fehle es momentan im Sturm sowie in der Außenverteidigung an aussichtsreichen Spielern. Und der Sportdirektor Hansi Flick beklagt zurzeit gern, die primär aufs Mannschaftsspiel ausgerichtete Ausbildung in den DFB-Juniorenteams vernachlässige mitunter die Stärkung individueller Fähigkeiten und den Mut zu gewinnbringenden Einzelaktionen. Beide Thesen wurden soeben in Tschechien bestätigt.

Löw und Flick arbeiten im Jahr eins nach dem WM-Triumph an einer sukzessiven Neuaufstellung der Nationalelf, aber sie finden trotz eines gewaltigen Reservoirs an Talenten bislang noch nicht jene Spieler, deren Weg in die A-Elf zwingend vorgezeichnet ist. Sie finden eine exzellente Breite vor, aber noch keine erkennbare Spitze. Dieses Defizit vermochte Horst Hrubesch mit seiner väterlichen Zuneigung nicht wettzumachen. Väterliche Zuneigung kann den Blick auf einzelne Defizite vielleicht auch mal trüben.

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