Süddeutsche Zeitung

U 21:Der Abend der Lachbananen

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Von Leon Wohlleben, Ingolstadt

Da lag Cedric Teuchert nun. Das Gesicht auf den Rasen gerichtet, die Arme und Beine von sich gestreckt, regungslos. Gerade war er am norwegischen Torwart Sondre Rossbach gescheitert, nun ärgerte er sich neben dem Tor im Ingolstädter Stadion. Es war nicht seine erste und auch nicht seine letzte vergebene Chance an diesem Abend. Jedes Mal hatte der Stürmer von Schalke 04 den norwegischen Abwehrspielern seine Schnelligkeit demonstriert, sie liefen ihm nur hinterher. Allerdings, so sagte Teuchert: "Es ist das Schlimmste für einen Stürmer, wenn man so lange auf das Tor zuläuft."

Im Spiel sind es nur ein paar Sekunden, im Kopf eines Stürmers ist es aber genug Zeit, um Myriaden an möglichen Szenen zu durchdenken, wie man den Ball nun im Tor unterbekommen könnte. Umso mehr freute er sich, "dass es beim vierten Mal dann geklappt hat". In der 21.Minute war das, wieder mal war Teuchert den Verteidigern enteilt, da schoss er schließlich das 1:0.

Acht Spiele, acht Tore - das ist Teucherts Bilanz in der U-21-Nationalmannschaft, und sie passte zur allgemeinen Stimmung an diesem Freitagabend: Ziemlich festlich fiel die aus, weil auch Luca Waldschmidt getroffen hatte und es am Ende 2:1 (2:0) stand (für Norwegen traf Birk Risa). Das DFB-Team hat sich damit vorzeitig für die U-21-Europameisterschaft 2019 in Italien und San Marino qualifiziert.

Hinterher ging von der Mannschaft aus viel Lob ans Trainerteam und umgekehrt. Fast ungläubig betonten sie dabei immer wieder, wie diese Mannschaft innerhalb eines Jahres zusammengewachsen sei. "Es ist selbstverständlich, man kennt es ja aus den Bundesligavereinen, wenn du mehrere neue Spieler immer integrieren musst, dass es eigentlich eine Zeit lang dauert", sagte Trainer Stefan Kuntz. Einem Juniorentrainer entwachsen ja regelmäßig die Spieler, fortwährend muss er das ausgleichen. Kuntz ging dabei in der Mannschaft aber offensichtlich nicht die Moral nach der großen Veränderung im Anschluss an die gewonnene EM 2017 verloren, und so scheint dieses Team gerade für manch einen jene Wellness-Oase zu sein, als die einst die A-Elf galt.

Auch die Innenverteidiger Tah und Baumgartl überzeugen

Gerade muss sich das für Cedric Teuchert so anfühlen, der am Samstag wie der Nürnberger Eduard Löwen angeschlagen abreiste. Denn Selbstvertrauen kann Teuchert sich derzeit nur in der U 21 holen. In der Bundesliga kommt er gerade mal auf 93 Spielminuten - drei Kurzeinsätze ohne Tor oder Vorlage. Seinem Sturmpartner Luca Waldschmidt geht es ähnlich, auch wenn er beim SC Freiburg zumindest regelmäßiger mitwirken darf. Die Reise mit der U 21 ist für ihn trotzdem bedeutsam. "Jeder will spielen. Der Trainer gibt einem das Gefühl, dass man kommen kann, wenn einem etwas auf dem Herzen liegt," sagte Waldschmidt, der beim letzten U-21-Spiel nur auf der Tribüne saß. Dann sprach er mit Kuntz, fragte, was denn in seinem Spiel fehle und wie sein Trainer über ihn denke. Gegen Norwegen war Waldschmidt von Beginn an auf dem Platz und rechtfertigte direkt seinen Einsatz: In der 31. Minute traf er sehenswert mit einem Schuss von der Sechzehner-Linie, Florian Neuhaus aus Gladbach hatte ihm den Ball per Hacke aufgelegt, ein starker Spielzug.

So therapierend solche Einsätze für die Stürmer sind - auf den Positionen dahinter ist die Dichte an gesetzten Bundesligaspielern im deutschen Nachwuchs deutlich größer. Was auch bedeutet, dass Talente wie der Wolfsburger Felix Uduokhai ein ganzes Spiel zuschauen müssen. Gerade die Innenverteidiger um Kapitän Jonathan Tah, kurzfristig am Samstag zum A-Team berufen, und Timo Baumgartl, aktuell der Bundesligaspieler mit der besten Zweikampfquote, wirken abgeklärt in ihrem Spiel. Die norwegische Offensive rund um Martin Ödegaard - ehemals Real Madrid, derzeit an Vitesse Arnheim verliehen - brachte kaum Gefährliches zustande. Nur einmal segelte ein eigentlich harmloser, aber abgefälschter Fernschuss von Risa an Torwart Alexander Nübel vorbei.

Rein rechnerisch hätte sich die U21 sogar noch eine Niederlage erlauben dürfen. Ein Sieg gegen Irland im letzten Qualifikationsspiel kommende Woche hätte gereicht. Doch Stefan Kuntz sah mehr in der Partie gegen Norwegen. "Es ging darum, dass wir es nicht erst vielleicht am Dienstag schaffen, sondern schon heute - diese Form von Mentalität werden wir dann auch im Final-Turnier brauchen."

Umso gelöster war der Trainer, als die Qualifikation für das Turnier 2019 feststand. Als Luca Waldschmidt sich den Fragen der Reporter stellte, schlich Kuntz von hinten an und zwickte seinem Stürmer am Ohr. Und er sprach von Lachbananen - Kuntz' Synonym für die vielen lächelnden Leute in seinem Team.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2018
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