Boxer Tyson Fury:Anstößig und unfassbar

Tyson Fury v Tom Schwarz - News Conference

Tyson Fury auf der Pressekonferenz vor seinem Kampf gegen Tom Schwarz.

(Foto: AFP)
  • Tyson Fury besiegte 2015 Wladimir Klitschko - und löste ein Beben im Boxen aus.
  • Doch danach nahm er Kokain, war wegen Dopings gesperrt, manisch-depressiv und in stationärer Behandlung.
  • 2018 kam er zurück, am Samstag tritt er nun in Las Vegas gegen den Deutschen Tom Schwarz an.

Von Saskia Aleythe

In dieser Nacht erwachte eine neue Liebe. 90 000 Zuschauer säumten die Ränge im Londoner Wembley-Stadion und sie grölten nicht einfach nur den Namen ihres neuen Boxhelden, sie sangen ihn. Zur Melodie von "Seven Nation Army" wogte der Name "Anthony Joshua" durch die bierfeuchten Kehlen auf den Tribünen, im Ring blickte Wladimir Klitschko seinem Karriereende entgegen, nach einem großen Kampf. Das dachte man, in dieser Nacht im April 2017: Großbritannien hat einen neuen Boxhelden und der Name Tyson Fury ist sehr, sehr weit weg. Singen kann man den eh kaum, zu kurz. Wie die Karriere.

Doch mit Fury, diesem Boxer aus Manchester ist es ja so: Der Mann, der 2015 Wladimir Klitschko besiegte, ist wieder da und wenn er am Samstagabend gegen den deutschen Außenseiter Tom Schwarz in den Ring in Las Vegas steigt, ist das tatsächlich erstaunlich. Weil alles kaputt schien, jahrelang hat Fury nicht gekämpft, nahm Kokain, war wegen Dopings gesperrt, manisch-depressiv und in stationärer Behandlung. In Interviews sprach er von Selbsttötungsabsichten.

Fury war ganz unten. "Nur Gott weiß, wie der wieder aufgestanden ist", sagte WBC-Weltmeister Deontay Wilder vor einem halben Jahr in Los Angeles nach seinem Kampf gegen Fury und meinte sein Aufbäumen nach zwei Niederschlägen. Aber es ist auch ein Satz, den Fury über sein Leben wohl genau so abnicken würde.

Nicht kastriertes Wildschwein sei schuld

Klar, diese Geschichten erzählen die Boxer allzu gerne: Wie sie früher gemobbt wurden oder sich durch ärmliche, gewalttätige Verhältnisse gekämpft haben und heute mit Ruhm und Reichtum belohnt werden. Bei Tyson Fury, 30, liegen die Dinge ähnlich und doch ein Stück anders. Er ist der Unfassbare, als Boxer und als Mensch. Anthony Joshua lieben die Leute, er ist ein Vorzeige-Athlet, wie gemacht, um dem Sport nach all den Schmuddeljahren mit Trashtalk und Spuckattacken wieder ein positives Image zu verpassen. Tyson Fury ist der Anstößige, mit seinen rassistischen, homophoben oder frauenverachtenden Sprüchen.

Als er im November 2015 Wladimir Klitschko besiegte, galt Fury als großes Missverständnis seines Sports. Ausgerechnet der Brite mit den Rettungsringen bezwang "Dr. Steelhammer" Wladimir Klitschko, der damals elf Jahre ungeschlagen war. Sein Punktesieg war ein Beben, das das Schwergewichtsboxen durcheinander brachte. Es war aber nicht die Wachablösung, jedenfalls nicht durch Fury: Die vier gewonnenen Weltmeistergürtel der Verbände WBO, WBA, IBF und IBO war er kaum ein Jahr später schon wieder los.

Der britische Boxverband entzog ihm die Lizenz, Berichte über Kokainmissbrauch machten die Runde. Zudem liefen ja noch die Untersuchungen über eine positive Dopingprobe auf das Steroid Nandrolon schon vor dem Klitschko-Kampf, er lieferte sich einen langen Streit mit der britischen Anti-Doping-Agentur Ukad. Die Erklärung des Boxers: Der Verzehr von nicht kastriertem Wildschwein sei schuld gewesen.

Hampelt er noch, oder boxt er schon?

Und es sah nicht vieles danach aus, dass der eigenwillige Boxer zurückkommen würde: Fast 180 Kilo soll er zwischenzeitlich auf die Waage gebracht haben, während sich Anthony Joshua in Großbritannien als neue Schwergewichtsgröße etablierte. Doch im Juni 2018 kämpfte Fury dann wieder und einen wie ihn nehmen sie dann auch gerne bei den großen Fernsehsendern: Mit ESPN hat er einen 90 Millionen Dollar schweren Vertrag ausgehandelt, über fünf Kämpfe. Anthony Joshua macht mit DAZN reichlich Geld, Deontay Wilder mit Showtime, es sind lukrative Zeiten für sie.

Und nun stehen die Uhren im Schwergewichtsboxen eh wieder auf null: Völlig überraschend hat Joshua Anfang Juni seine drei Weltmeister-Titel verloren, gegen den Underdog Andy Ruiz junior, der trotz Wampe als Sieger aus dem Kampf hervorging. "Der ist am Ende", tönte sogleich Fury über Joshua und das muss man eben auch annehmen: Dass er nach schwieriger Zeit tatsächlich wieder boxt, heißt nicht, dass da charakterlich ein neuer Fury sitzt.

Herumblödelnd, albern, immer eine Spur drüber

Die Pressekonferenz vor dem Kampf gegen Tom Schwarz moderierte Fury am Mittwoch in Las Vegas selber, in üblicher Manier. Herumblödelnd, albern, immer eine Spur drüber. Seinem Gegner werde er in den Arsch treten. Aber, auch das sei ihm ganz wichtig: "Ich glaube, meine Bestimmung ist es, Menschen in Not auf der ganzen Welt zu helfen, den Unterdrückten und Abgehängten, die denken, dass es keinen Weg zurück gibt", sagte Fury am Mittwoch, "ich will ihnen beweisen, dass man zurückkommen kann. Dass es Hilfe gibt da draußen. Man muss nur die Hand danach ausstrecken."

Da, wo für die meisten Schluss ist mit der großen Show, fängt sie für Fury meist erst richtig an: Im Ring streckt er Gegnern gerne mal die Zunge raus, kreuzt die Arme provokativ hinter dem Rücken. Hampelt er noch, oder boxt er schon? Die Frage stellt man sich bei Fury oft. "Es stimmt, ich bin ein Verrückter", sagte er vor seinem Kampf gegen Klitschko, "genau das ist aber Wladimirs Problem. Er steht einem kranken Kerl gegenüber, bei dem er nicht weiß, woran er ist." Das Unorthodoxe ist bei Fury tatsächlich das Gefährliche, für seine 116 Kilogramm auf 2,06 Meter Körpergröße ist er zudem erstaunlich beweglich und mit wechselnder Auslage beim Boxen schwer auszurechnen.

Und das wäre dann ja die beste Geschichte von allen: Wenn er mit seinem Stil den Sport vor neue Herausforderungen gestellt hätte.

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