TV-Experte Michael Ballack:Auf einen Kaffee mit Joachim Löw

WM-Qualifikation Kasachstan - Deutschland

Fußballabend im ZDF: Katrin Müller-Hohenstein stichelt, Michael Ballack pariert.

(Foto: dpa)

Damit hatte das ZDF kaum gerechnet: Ersatz-TV-Experte Michael Ballack nutzt seinen Auftritt beim Länderspiel gegen Kasachstan keineswegs zur Kritik an Joachim Löw. Sondern zeigt Verständnis für den Bundestrainer und bringt die Analyse auf den Punkt. Bis es rührselig wird.

Von Carsten Eberts

Katrin Müller-Hohenstein resignierte. Sie hatte alles versucht. Immer wieder hatte die ZDF-Moderatorin gestichelt, Michael Ballack auf sein ach-so-schlechtes Verhältnis zu Joachim Löw angesprochen. Ihm Szenen vorgespielt, in denen die Taktik des Bundestrainers nicht aufging. Irgendwann musste Ballack doch anspringen. Tat er aber nicht. Verdammt nochmal.

Es war der Abend, an dem Michael Ballack auf die Bühne zurückkehrte. Zumindest im Fernsehen. Einmalig durfte der frühere Kapitän der Nationalelf Oliver Kahn vertreten, als TV-Experte beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Kasachstan (3:0). Zur besten Sendezeit.

Es war ziemlich ruhig geworden um den früheren Capitano. Nach der WM 2010 in Südafrika wurde er einfach nicht mehr nominiert. Sein freudloser Auftritt in den letzten Karrieremonaten in Leverkusen hatte ihm sogar den Ruf des gescheiterten Stars eingebracht. Dann war Ballack in Fußballrente gegangen. Die Planung seines Abschiedsspiels, das in Leipzig steigen soll, wurde in den Tageszeitungen nur noch in den Randspalten weggedruckt.

Als Fernsehexperte machte Ballack seine Sache ordentlich. Mindestens auf einem Niveau mit Kahn, den er vertrat. Ballack sah auch mindestens so gut aus wie Kahn: schwarze Haare, Zwei-Tage-Bart, schwarzes Jackett. Wirkte hochseriös, lächelte entspannt. Er war auch gekommen, um ein wenig Werbung für sich zu machen.

Alle Welt wartete natürlich darauf, wie sich Ballack zum Bundestrainer äußern würde. Die Beziehung war, nun ja, eher scherbenreich zu Ende gegangen. Nun stand Löw just vor Ballacks Expertendebüt auch noch in der Kritik. Trotz Stürmerarmut hatte er neben Mario Gomez auf die Nominierung eines zentralen Angreifers verzichtet. Und das als Nationaltrainer von Deutschland, einer Stürmernation, die Müller, Hrubesch, Völler und all die anderen hervorgebracht hatte.

Es wäre für Ballack ein leichtes gewesen, sich den Kritikern anzuschließen. Die Schlagzeile "Ballack schießt gegen Löw" hätte es noch in die Samstagszeitungen geschafft.

Ballack bleibt cool

Doch Ballack äußerte sich verhalten. Man kann auch sagen: professionell. Ballack gehört zur alten Fußball-Generation der Leitwölfe, in der ein Team nach festen, konservativen Mustern aufgestellt wird. Natürlich ist Ballack ein "Verfechter eines echten Stürmers", wie er es formulierte. Seine Meinung vertrat er, das ist auch sein gutes Recht.

Die Arbeit des Bundestrainers stellte er jedoch nicht in Frage, ließ ihm die Kernkompetenz. "Er ist der Bundestrainer, er entscheidet", erklärte Ballack, woraufhin Müller-Hohenstein ganz schief guckte: "Ich finde es konsequent, wenn er sagt: Ich habe meinen Spielerkreis."

Müller-Hohenstein versuchte es weiter. Das ZDF spielte Ballack nach dem Schlusspfiff in Astana Szenen vor, in denen ein Experte eventuell erkennen könnte, dass dem deutschen Team ein wuchtiger Stoßstürmer abging. Doch Ballack blieb cool. "Wenn du ohne Mittelstürmer spielt, hast du andere Stärken", sagte er. Löw müsse sich ja "nicht fest binden". Der Bundestrainer könne schließlich "wieder wechseln, auch innerhalb eines Turniers". Es war kein Fußballabend für die ganz großen Analysen. Ballack brachte es schon ziemlich genau auf den Punkt.

Als Müller-Hohenstein merkte, dass aus Ballack keine Fundamentalkritik rauszulocken war, schwenkte sie um. Und es wurde rührselig. Löw stand im Studio in Astana, Ballack 4000 Kilometer entfernt beim ZDF in Mainz. Die Leitung knackte, der Hall verzögerte den Ton um Sekunden. Doch egal: Müller-Hohenstein wollte beide zusammenschalten. Ob Löw denn zum Abschiedsspiel nach Leipzig reisen werde?

Löw: "Wir haben letzte Woche mal telefoniert. Selbstverständlich werde ich da hingehen."

Ballack: "Wir haben kein schlechtes Verhältnis. Das ist so im Sport, dass Verantwortliche eine andere Meinung haben. Aber das ist auch schon eine Weile her."

Wenn Ballack mit seinem Auftritt etwas geschafft hat, dann, dass er aus der leidigen Debatte um sein Verhältnis zu Joachim Löw die Luft herausgelassen hat. Wenn sich beide rund um das Abschiedsspiel in Leipzig auf einen Kaffee treffen wollen, ist die Gier für Außenstehende, unbedingt dabei sein zu wollen, an diesem Abend vermutlich kleiner geworden. Weil es wahrscheinlich ein ziemlich normales Gespräch unter Fußballern werden wird.

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