TV-Ereignis Olympia (3):Mann gegen Mann gegen Mann gegen Mann

Packend, jung, ein wenig ausgeflippt: Snowboardcross ist ein Spektakel - nur für die ARD nicht. Die zeigt lieber Spaziergänge der Nachbarsfamilie.

Tobias Dorfer

Wer nach einem langen Rosenmontag, nach Kölsch, Kamelle und Schunkel-Marathon am Abend bei der ARD auf einen sportlichen Adrenalin-Kick hofft, der wird erst einmal enttäuscht.

TV-Ereignis Olympia (3): Zu dritt über die Schanze: Snowboardcross begeistert in Kanada.

Zu dritt über die Schanze: Snowboardcross begeistert in Kanada.

(Foto: Foto: dpa)

Zur besten Sendezeit fahren die bislang nur Fachkreisen bekannten Ronny Hafsås (Norwegen), Lukáš Bauer (Tschechien) und Dario Cologna (Schweiz) eine gefühlte Unendlichkeit um den Olympiasieg im 15-Kilometer-Langlauf - und das Ganze ist etwa so spannend, wie eine Direktübertragung des Sonntagsspaziergangs der Nachbarsfamilie. Da helfen auch die immer wieder lautstark vorgetragenen Anfeuerungen von Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle nichts.

Die Frage des Abends lautet: Wo ist Speiser?

Doch der Reihe nach: Im Videotext kündigt die ARD am Montagabend an, nach der Tagesschau gegen 21 Uhr ihre Sendezeit 25 Minuten lang den Snowboardcross-Fahrern zu widmen - einer jungen Sportart, die so ziemlich alles hat, was Langlauf fehlt: Tempo, Akrobatik, packende Zweikampfszenen.

Doch dann wird lieber noch einmal das 10-Kilometer-Langlauf-Rennen der Frauen zusammengefasst, ein Einspieler über Doping gezeigt und die Snowboarder müssen ihre Qualifikation unter dem Ausschluss der medialen deutschen Öffentlichkeit abhalten. Denn anschließend wird erneut Langlauf gezeigt. Glaubt die ARD etwa, die Snowboard-Fans feiern noch Karneval?

Nach den Tagesthemen, gegen 23:30 Uhr, wird immerhin noch das Finale der Boarder übertragen. Snowboardcross ist eine Sportart mit Eventcharakter. Jung, ein wenig ausgeflippt, anders. Nicht so angestrengt, nicht so verkrampft, so diszipliniert. Der Spaßfaktor ist deutlich höher als bei anderen Wettbewerben. Und die sportliche Herausforderung? Die ist immens. Neben Schnelligkeit ist höchste Konzentration gefragt, ein präziser Absprung, gute Körperbeherrschung und jede Menge Mut.

Denn nach einem Zeitlauf, in dem jeder Läufer nur gegen die Uhr kämpft, treten die besten 32 Männer in K.-o.-Runden gegeneinander an - immer vier Starter gemeinsam auf einer Piste. Mann gegen Mann gegen Mann gegen Mann. Jetzt ist die richtige Taktik gefragt. Der Führende muss, wie beim Formel-1-Rennen, die Räume eng machen und die Angriffe der Verfolger abwehren. Er muss die Konkurrenz im Blick haben aber zugleich die Konzentration auf das eigene Brett nicht verlieren.

Das Rennen ist packend.

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Drama um Speiser

Es wird gerempelt, riskante Überholmanöver werden gefahren. Knapp anderthalb Minuten dauert so ein Vierer-Duell. Und selbst kurz vor Schluss kann die Reihenfolge noch einmal komplett durchgewirbelt werden. Eine Unachtsamkeit, ein falscher Sprung genügt.

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David Speiser, 29, hat einen guten Wettbewerb gefahren. Der Deutsche schafft es bis ins Halbfinale, und man erfährt in der ARD immerhin, dass dies angesichts der Stärke der favorisierten Amerikaner, Kanadier und Franzosen gar nicht selbstverständlich ist. Kurzzeitig wird Speiser vom ehemaligen Riesenslalom-Fahrer Tobias Barnerssoi, der für die ARD das Snowboard-Spektakel kommentiert, sogar zum Medaillenkandidaten gekürt.

Doch dann: Speiser, eben noch hochgelobt, stürzt, rappelt sich auf, kämpft sich an die Konkurrenten heran, bevor schließlich ein erneuter Sturz den Traum von einer guten Platzierung endgültig zunichtemacht. Ein Drama, das sich innerhalb weniger Sekunden abspielt. Am Ende scheidet der Oberstdorfer im Halbfinale aus und wird Achter.

Bis zur letzten Minute verspricht der Snowboard-Wettbewerb Nervenkitzel und Hochspannung. Beim vorangegangenen Langlauf-Rennen der Herren dagegen hat die ARD nicht einmal warten müssen, bis alle Läufer im Ziel sind, um den Sieger zu verkünden.

Analysiert wird das Snowboardcross-Finale nicht. Denn sofort, nachdem der Siegerjubel des Amerikaners Seth Wescott verklungen ist, muss sich Kommentator Barnerssoi verabschieden. Moderator Michael Antwerpes hat im Studio Evi Sachenbacher-Stehle aus Reit im Winkl zu Gast. Die hat wenige Stunden zuvor Platz zwölf belegt. Im Langlauf.

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