Volleyball:Unaufsteigbar

Volleyball: Gute Laune: Celina Krippahl und ihre Kolleginnen können an diesem Samstag Zweitliga-Meisterinnen werden.

Gute Laune: Celina Krippahl und ihre Kolleginnen können an diesem Samstag Zweitliga-Meisterinnen werden.

(Foto: Marcel Lorenz/Imago)

Dingolfings Volleyballerinnen können Zweitliga-Meister werden - ins Oberhaus gehen wollen sie trotzdem nicht. Über einen Klub, dem wie vielen anderen die Schere zum Profisport viel zu groß ist.

Von Sebastian Winter

Anton Kiebler weiß, dass sein Verein an diesem Samstag vor etwas Großem steht. Wenn Dingolfings Volleyballerinnen ihr letztes Saisonspiel in eigener Halle gegen den TV Waldgirmes (18 Uhr) mit 3:0 oder 3:1 gewinnen, also einen Drei-Punkte-Sieg erreichen, dann sind sie Zweitliga-Meisterinnen - zum ersten Mal nach 26 Jahren. Sie wären dann punktgleich mit Wiesbaden II, hätten aber das etwas bessere Satzverhältnis. Selbst für einen wie Kiebler, der sich "einen aus der alten Schule" nennt, ist das etwas Historisches.

Kiebler ist seit fast einem halben Jahrhundert Abteilungsleiter beim TV und seit 1994 Vorstand des Hauptvereins. Der 68-Jährige hat die besten Zeiten von Dingolfings Volleyballerinnen miterlebt, als sie 1996 in die erste Liga aufgestiegen sind und sich dort zwei Jahre halten konnten. Nur weil ihnen ein einziger Satz fehlte, stiegen sie wieder ab. "Zum Glück", sagt Kiebler, ganz ohne Ironie. Für kleinere Vereine wie Dingolfing ging es in der ersten Liga schon immer nicht nur um ihre sportliche, sondern vor allem um die finanzielle Existenz. Und jetzt, als möglicher Zweitliga-Meister? Werden sie bleiben, wo sie sind. Kieblers bittere Erkenntnis: "Wir könnten die Rahmenbedingungen gar nicht erfüllen, weder sportlich noch finanziell und organisatorisch." Er kann damit ganz gut leben. Auch weil er weiß, wie viele andere Klubs aus Bayern im Profi-Volleyball schon in die Insolvenz geschlittert sind: Bayern Lohhof, ASV Dachau, Eltmann, Coburg, Straubing, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Generali Haching musste sich 2014 zurückziehen, weil der Hauptsponsor nicht mehr wollte.

Dingolfing hat nicht einmal an der Vorlizenzierung der Volleyball-Bundesliga (VBL) teilgenommen, die inzwischen Voraussetzung für einen Aufstieg ist. Das Ziel des Klubs sei es ja auch gar nicht gewesen, Meister zu werden, sondern erst einmal den Klassenverbleib zu sichern. Doch dann lief es viel besser als gedacht. Vier Partien hat Dingolfing nur verloren, zuletzt gegen die Rand-Münchnerinnen vom TV Planegg-Krailling, das sich durch eine Siegesserie vor dem Abstieg gerettet hat. Zuvor hatten sie viereinhalb Monate lang kein Spiel verloren. "Trotzdem haben wir mit der Mannschaft früh entschieden, nicht erste Liga zu spielen", sagt Kiebler.

Dingolfings Etat beträgt 70 000 Euro, was viel zu wenig ist für einen Erstliga-Aufstieg. Unter einer halben Million geht eigentlich nichts

So geht es vielen Zweitliga-Meistern - in dieser Saison geht mal wieder kein einziger Klub aus den insgesamt vier zweiten Ligen bei Männern und Frauen ins Oberhaus. Bei einem Blick auf den Etat wird klar, warum. Jener von Dingolfing beträgt Kiebler zufolge rund 70 000 Euro, die Mindesteinlage für die erste Liga liegt aber laut Lizenzstatut bei 200 000 Euro. Doch ein solcher Betrag reicht längst nicht mehr. "Unter 500 000 Euro in die erste Liga zu gehen, würden wir niemandem mehr empfehlen", sagt jedenfalls VBL-Geschäftsführerin Julia Retzlaff der SZ. Es habe auch Gespräche mit Dingolfing gegeben, "aber am Ende schreckt die Klubs oft eine Mischung aus finanziellem Respekt und den ganzen operativen Dingen, die erledigt werden müssen, ab", sagt Retzlaff. Also hauptamtliche Mitarbeiter einstellen, ausländische Profis einkaufen, Reisen zu Auswärtsspielen durchs ganze Land stemmen, eine erstligataugliche Heimspielhalle finden.

Kiebler sagt, allein die halbe Million Euro zu schaffen, "ist unmöglich für uns". Den Vereinsfunktionär hat auch der Fall des VC Neuwied nachdenklich gemacht. Der Klub stieg im vergangenen Jahr in die erste Liga auf, mit der Garantie durch die VBL, zwei Jahre lang nicht abzusteigen. Mit acht US-Amerikanerinnen bestritten Neuwieds Frauen ihre erste Profisaison - und gewannen kein einziges Spiel. "Das ist abschreckend und ein gutes Beispiel für uns, nicht aufzusteigen", sagt Kiebler.

Für die VBL ist das ein großes Problem, denn sie möchte die Frauen-Bundesliga mittelfristig mit 14 statt derzeit zwölf Klubs ausstatten und unter die Top-3-Ligen Europas hieven. "Das Thema ist nicht neu und erkannt, in der zweiten Liga tut sich auch etwas, aber nicht so stark wie in der ersten Liga. Die Schere wird also größer", sagt Retzlaff.

Angeblich gibt es einen Plan, demzufolge die zweite Liga ab 2023/24 eingleisig werden soll. Auch um sie weiter zu professionalisieren. Die Dingolfingerinnen bauen erst einmal auf Kontinuität. Ihr Kader bleibt im Kern zusammen, auch Trainer Andreas Urmann arbeitet weiterhin beim TV, der außerdem eine fruchtbare Nachwuchs-Kooperation mit dem TB München pflegt. Nächste Saison soll der nächste Angriff der Unaufsteigbaren auf die Meisterschaft folgen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: